Kapitel 7 - Daher gelaufenes Mädchen

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Ich nehme vorsichtig die Pistole von Ethan und schaue ihn noch kurz an. "Es tut mir so leid." Hauche ich und streichle ihm über die Wange. Meine Augen brennen und füllen sich erneut mit Tränen.

Schließlich gehe ich aus der Hocke und schaue zu Ryder, welcher irgendwas an seinem Handy tippt. "Was machst du da?" Frage ich und möchte ihm über die Schulter schauen, doch er zieht sein Handy weg.

"Nichts!" Sagt er flüchtig und steckt sein Handy weg. "Du vertraust mir, nh? So viel dazu." Gebe ich etwas gereizt von mir und stapfe los. "Joanna...." Ich drehe mich um, zu Ryder.

"Ich suche den Standort von dem Typen, der meinen Bruder getötet hat." Erzählt Ryder und zieht nachdenklich die Augenbrauen zusammen.

Ich runzle die Stirn. "Willst du mich verarschen?" Frage ich nach. Ich sehe seinen Blick und stöhne verächtlich. "Toll! Ganz ehrlich! Ich hab dir gesagt, dass es nichts bringt. Sobald er tot ist, hast du Schuldgefühle. Und damit musst du dann dein Leben lang klar kommen." Ich setze meine Hände auf der jeweiligen Hüfte ab und schnaube.

"Die hab ich doch so oder so schon!" Gibt er von sich. "Ryder, ich bitte dich. Mach es nicht." Hauche ich, sichtlich ruhiger als zuvor.

Ryder schüttelt den Kopf. "Ich muss-"

"Du musst gar nichts!" Unterbreche ich ihn. Ich weiß, ich könnte ihn einfach machen lassen. Ich könnte ihn gehen lassen und mich nicht um ihn kümmern, schließlich sind wir nicht zusammen weder Freunde. Sobald diese Nacht vorbei ist, werde ich ihn nie wieder sehen. Ich hatte ihn zuvor nie gesehen und werde es danach auch nicht. Sobald diese Nacht vorbei ist, fühlt es sich an als wäre nie etwas passiert. Irgendwann findet man in den Alltag zurück. Und dann wars das.

"Du bist mir wichtig. Sehr wichtig, Joanna. Und wir kennen uns zwar knapp 4 Stunden, aber ich will dich nicht verlieren." Ryder schaut mich an.

"Dann geh nicht. Wenn du gehst, verlierst du mich." Erkläre ich und schaue ihn durchdringlich an. "Du machst mich verrückt, weist du das?" Raunt Ryder und fährt sich durch die Haare.

Plötzlich fange ich an zu lachen. Verwirrt schaut mich Ryder an. "Tut mir leid nur.....es hört sich witzig an." Meine ich und lache nur noch weiter.

Ryder schüttelt grinsend den Kopf. "Gott, du bist mir so eine." Ryder geht einen Schritt auf mich zu, während ich nicht mehr aufhören kann zu lachen. Ich lache immer weiter, nur warum? Ich fühle mich schlecht und alleine gelassen. Ich könnte jeder Zeit anfangen zu weinen, stattdessen lache ich.

"Joanna? Alles okay?" Fragt er nach einer Zeit, als er meinen verzweifelten Blick sieht. Die ersten Tränen rollen und mein Lachen verstummt. "Nein....Joanna...." Ryder drückt mich an sich und ich weine gegen seine Brust.

"Ich hab alle wichtigen Personen im Leben verloren." Schluchze ich und weine nur noch stärker. "Es ist alles gut...beruhige dich." Ich schaue zu Ryder hoch, als ich mich leicht von ihm löse. "Nein, nichts ist gut. Und es wird auch nicht wieder gut werden." Meine ich.

Plötzlich mustern seine braunen Augen mein Gesicht. Ebenfalls starre ich plötzlich auf seine Lippen. Wow, sie sehen so weich aus.

Langsam kommt Ryder näher und stockt kurz vor meinen Lippen, als würde er um Erlaubnis fragen. "Ryder, das ist falsch." Hauche ich gegen seine Lippen. Er nickt bloß und lässt mich los. Die Wärme, die ich zuvor noch gespürt hatte, war weg.

"Wir müssen weiter." Meine ich schlussendlich und schlucke. "Ich werde nicht mitkommen. Ich werde meinem Plan nachgehen." Kommt es tatsächlich über Ryder's Lippen.

Erschrocken schaue ich zu ihm. "Nein, Ryder...."

"Hör auf, mir es auszureden. Ich wollte es diese Nacht tun. Mit verbleiben noch knappe 4 Stunden. Wieso sollte mir ein daher gelaufenes Mädchen meinen Plan ruinieren?" Unterbricht er mich.

Autsch.

"Daher gelaufenes Mädchen also? Dann sagt dir dieses daher gelaufene Mädchen jetzt mal was! Bitte, geh nicht! In der Zeit in der ich lebe, habe ich Menschen kennengelernt und Menschen gehen lassen. Und ich habe gelernt, dass Verzeihen eine Eigenschaft des Starken ist. Also verzeih diesem Arsch, der deinen Bruder getötet hat und sei stark! Bitte!"

Das ist mein letzter Versuch. Egal, wie er antwortet. Ich muss es akzeptieren. Endgültig. Ich kann nicht über ihn bestimmen, was er zu tun oder zu lassen hat.

Ryder schaut mich eine zeitlang an, geht die paar Meter auf mich zu, nimmt mein Gesicht in seine Hände und küsst mich. Seine weichen Lippen liegen auf meinen und ein merkwürdiges Kribbeln breitet sich in mir aus. Noch etwas zu überrumpelt, erwidere ich.

Kurze Zeit darauf löst er sich von mir, blickt mich noch kurz verletzt an und geht denn weg. Lange schaue ich ihm nach.

Es war seine Entscheidung. Ich muss es akzeptieren und damit abschließen. Ich habe Ryder kennengelernt, als Jungen der sich für seinen Bruder rächen will. Er hat mich begleitet und mir beigestanden. Wir haben unsere Leben einander gerettet. Aber jetzt ist er seinen eigenen Weg gegangen und ich muss damit klar kommen.

Langsam löse ich mich aus meiner Starre und werde plötzlich ruckartig aus der Gasse gezogen. Ich schreie und fuchtel um mich, bevor ich auf die Knie gestoßen werde.

The PurgeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt