Ana verbrachte zwei weitere Nächte an der Seite ihrer Familie. Der zerbrechliche Anblick ihres Vaters setzte ihr unbeschreiblich zu, umgeben von Maschinen und Schläuchen, wirkte er klein und alt. Ana fühlte sich verloren und hilflos, doch verstand, beim Anblick ihrer ebenso hilflosen Familie, das sie Verantwortung zu übernehmen hatte. Und so fand sie es irgendwelche in sich, sich einfach die ihr fehlende Stärke so lange einzureden, bis Ana diese wirklich fühlte. Eine Stärke von der sie nicht geglaubt hätte das sie, sie noch aufbringen könnte. Die neue Zuversicht war in Wirklichkeit genauso fragil wie der Rest in ihr, tatsächlich aber regelte sie in dieser kurzen Zeit nicht nur mehrere Anliegen des Restaurants, um diese Aufgaben ihrer Mutter abzunehmen, sondern führte auch wichtige Gespräche mit den Ärzten und informierte sich über die besten Reha Zentren des Landes.
"Ich pinkele noch in eine Schüssel mein Kind, ich war noch nicht mal duschen, lass mir Zeit!" Hatte ihr Vater ihren Elan gebremst als sie Informationsbögen vor ihm umher flattern ließ. Aber Ana ließ sich nicht davon abbringen. War sie nicht bei ihrem Vater, so versuchte sie dem Rest der Familie so viel zu helfen wie möglich.
Sie schlief in der Zeit kaum und versuchte dennoch vor allem glücklich und ausgelassen zu wirken und es schien tatsächlich abzufärben. Auch ihre Eltern und Amir schöpften neue Zuversicht.
Und so funktioniere sie.
Indem sie für andere lebte und darin aufging, geliebt wurde, hilfreich war, niemanden enttäuschte. Aber wenn sie abends in Ihr Kinderzimmer einkehrte und in den Erinnerungen wühlte, sah sie sich mit Michaels Vorwürfen konfrontiert und zerbrach daran. Hatte er recht? Und wenn ja... Wie lange war sie schon so? Wann hatte sie aufgehört sich zu lieben?Sie hatte, wie immer, niemanden in ihre Anliegen mit einbezogen. Romeo wusste nur das es einen Notfall gab und sie Dienstag wieder kommen würde, Kimba erzählte sie um einiges mehr aber ließ auch den Streit mit Michael aus und Ihrer Familie, sagte sie natürlich nichts. Es ging hier nicht um ihre Gefühle oder Zweifel und so hielt sie die Scharade aufrecht, bis sie Dienstagabend, mit dem Mietauto zurück auf der Autobahn war, sich mit 200 Sachen Berlin näherte und ein gewaltiger Knoten in ihr zu platzen schien.
Sie wusste plötzlich ganz genau was ihr bevor stand, auf was sie sich in den ruhigen, gedankenverlorenen Momenten vorbereitet hatte.
Sie musste sich jetzt selbst lieben.Berlins Himmel hatte in den Tagen darauf, Anas Gefühlsleben scheinbar verinnerlicht und es regnete tagelang dicke Tropfen aus einem konstant dunklen Himmel.
Sie hatte sich abstand zu allen bewahrt, nur das nötigste mit Freunden beredet, ihre Arbeit von Zuhause aus erledigt und nach dem sich die Nachrichten um ihren kranken Vater verbreitet hatten, schien jeder dies auch zu respektieren.Nur Romeo tat sich schwer damit, er hatte sie mit anrufen und Nachrichten bombardiert und wollte sie sehen, helfen, zu ihr durchkommen, doch erst Samstag hatte sie sich bei ihm persönlich gemeldet und ihn für den Abend vorbei gebeten. Ana sah nervös auf die Uhr und rauchte eine weitere Zigarette, er würde jeden Moment kommen.
Ihre Wohnung war aufgeräumt und ruhig und mental bereitete sie sich auf das Gespräch mit Romeo vor. Es war an der Zeit den nächsten Schritt zu gehen. Er hatte das verdient. Und vor allem sie, hatte das auch.
Als es um Punkt 8 klingelte, begann ihr Herz bereits im Flur zu rasen. Romeo trat in großen Schritten ein und nahm sie sofort fest in dem Arm,
"Man was ist denn los, wieso durfte ich dich nicht sehen, was für ein Notfall, geht es dir gut?" Noch bevor sie das Sofa erreicht hatte, hatte er ihr tausend fragen gestellt und Ana bereitete sich mit einem schweren Seufzen darauf vor, jede einzelne zu beantworten.
Sie fing, nachdem sie ihm
Versichert hatte, das sie in Ordnung war, ganz von vorne an und starrte sorgenvoll auf ihre Hände,
"Ich war ja bei der Boutique Eröffnung von Dilara mit Kimba, und hab irgendwann einen Anruf bekommen, das Papa einen Infarkt hatte, das Herz. Und ich war total im Eimer. Bin los gestürzt, wollte direkt lud zu ihm... Und Michael... War da- auf der Eröffnung und hat mich sozusagen gefunden und mich dann hingefahren. Wir waren dann alle die ganze Zeit im Krankenhaus und haben gewartet und jedenfalls, ist die Operation gut gelaufen, es geht ihm gut. Am nächsten morgen war er schon wieder gut drauf... Und ich brauchte Zeit, einfach viel Zeit mit ihm und auch für mich. Es ist viel passiert..." Sie atmete durch und sah jetzt zum ersten Mal auf, Romeo hatte seine Hand von ihrem Knie genommen und sah verändert aus, er räusperte sich einen Moment,
"Du warst mit Michael da?" Sagte er mit kalter Stimme und sah sie an, Ana runzelte die Stirn, sie wusste das sie ihm diese Situation erklären müsste, aber sie hatte gedacht, gehofft, das er erst nach ihrem Vater und ihrer Familie fragen würde.
"Ja." Antwortete sie knapp und sah ihn ernst an, "aber-"
"Warte, wie er hat dich hingefahren, und war bis Dienstag da?"
"Nein nur eine Nacht aber-"
"Eine Nacht mit dir?"
"Im Hotel. In einem anderen Zimmer aber mein-"
"Aha das ist ja sehr interessant, also er fährt dich hin und dein Freund weiß nix bis Sonntag und erfährt auch nix als du wieder da warst und er war aber da und hielt deine Hand?"
Sein Blick wurde immer Irrer und Anas Herz sank,
"Das Herz. Meines Vaters. Hat aufgehört zu schlagen. Ich wollte völlig aufgelöst losfahren und er hat mich vor der Tür abgefangen und sich bereit erklärt mich zu fahren, ich wäre sonst im Graben gelandet..." Sagte sie ausdruckslos und sah Romeo dabei an.
Dieser war aufgestanden und tigerte vor dem Sofa auf und ab.
"Ana das geht so nicht. Ich finde das alles sehr seltsam und traurig." Er versuchte nicht die Contenance zu verlieren, das merkte sie und so klang er jetzt wie ein enttäuschter Lehrer. Ana war getroffen und sah ihn wieder völlig fassungslos an,
"Der Fast-Tod meines Vaters? Oder das ich mit Michael in einem Auto saß, was findest du jetzt traurig genau?" Sagte sie jetzt nochmal energisch und stand ebenfalls auf,
"Was?" Sagte Romeo verwirrt und plötzlich dämmerte es ihm und er nahm die Hände herunter,
"Oh Gott Ana es tut mir so leid, wie... Wie geht es deinem Vater es..."
"Nein. Es tut mir leid ich habe kein Recht..." Begann sie und hielt selbst inne, hatte sie kein Recht von seinem Verhalten enttäuscht zu sein weil sie ihn betrogen hatte? Sie griff nach ihren Zigaretten und betrachtete Romeo, denn er wusste ja nicht was sie getan hatte und trotzdem war es für ihn nicht von Interesse gewesen wie es der Familie ging. Es war ein größerer Schock das Michael bei ihr gewesen war, und er machte sich zwar zurecht so einen Kopf aber... Sie rieb sich die Stirn und versuchte klar zu denken. Aber sie konnte jetzt nicht darauf eingehen, es gab vorerst wichtigeres, er musste wissen wie sie sich fühlte und verstehen das es um viel mehr ging. Was sie getan hatte und tun wollte war viel größer, als auf ihr Recht in diesem Punk zu bestehen, was tat es jetzt noch zur Sache...
"Es tut mir leid, es ist nur Shindy, ich weiß einfach viel über eure Geschichte von dir und Kimba und Yasser, es war eine große Sache und zu hören das er in diesem Moment bei dir war... Verstehst du?"
Natürlich verstand sie. Er hatte recht. Und Er musste die Wahrheit erfahren aber nicht jetzt.
"Ich weiß aber Michael, das ist jetzt einfach wirklich vorbei und ich..." Sie hielt inne. Auch Romeo blieb starr stehen und legte seinen Kopf schräg.
"Jetzt vorbei?" Seine Stimme hatte alles liebevolle verloren und Ana schluckte,
"Ich wollte das so nicht sagen, ich wollte mit dir heute über uns reden und das ich finde wir sollten..."
"Nein, nein, nein was meinst du mit jetzt vorbei..."
"Romeo ich muss dir erklären wie..."
"HALT DEIN MAUL DU MISTSÜCK!" Ana ließ die Zigaretten fallen und sah ihn aus aufgerissenen Augen an.
Sie hatte mit allem gerechnet aber nicht damit.
"Wie lange hast du ihn gefickt, ihr habt doch gefickt oder?" Eine Ader trat auf Romeos Stirn hervor als er jetzt bedrohlich auf sie zu ging und Ana reflexartig nach hinten auswich.
"Romeo bitte, ich kann dir alles erklären aber bitte, bleib ruhig- ich wollte dich nie..."
"VERLETZTEN?" Schrie er und in dem Moment stieß sie mit dem Rücken gegen die Wohnzimmerwand, sein rotes Gesicht war nur eine Handbreit von ihrem entfernt.
"Wie lange?" Bellte er sie an,
"Romeo!"
"Sag jetzt wie lange!" Er spuckte beim Reden, Ana hatte Angst aber sie blieb unverständlicher weise völlig ruhig,
"Auf der Verlobung von Kimba ist etwas passiert, danach lange nichts, aber es war, ich war... Als du hier geblieben bist, habe ich es beendet und versucht alles wieder gut zu machen, für uns..." Er sah sie entgeistert an und drehte sich weg, Ana wagte es kaum zu atmen.
"Du hast monatelang mit ihm gefickt und dachtest du machst es wieder gut?"
"Es war nicht nur ficken Romeo ich war mir meiner Gefühle nicht sicher ich-"
Er drehte sich so schnell um, das Ana nicht mal reagieren konnte, seine große Hand traf sie quer übers Gesicht und augenblicklich zog ein tiefer Schmerz ihre Nase hoch und sie sah Sterne blitzen, ihre Knie wollten nachgeben aber seine andere Hand hatte sich bereits um ihren Hals geschlossen und hielt sie aufrecht.
Die Fratze die sie jetzt durch ihr linkes Auge sah, während das rechte sofort zuschwoll, sah nicht mehr nach Romeo aus. Irre Wut ließ ihn die Zähne fletschen und seine Augen waren zusammengekniffene Schlitze. Ana wimmerte und ihre beiden Hände schlossen sich um seinen Arm während sie spürte wie ihr langsam die Luft ausblieb.
"Hör...a- uf... 'ör auffff..." brachte sie keuchend hervor und Todesangst trat jetzt in ihre Augen,
"Du Nutte, du elendige Nutte, ich bringe dich um!", einen weiteren Moment lang, der sich wie eine Ewigkeit anfühlte, hielt er sie fest, die andere Hand wieder gehoben, ausholend zu einem erneuten Schlag, als Ana ein schreckliches gurgeln von sich gab und sich plötzlich sein Blick klärte und er hastig von ihr abließ.Ana sank zu Boden und wimmerte während sie schwer einzuatmen versuchte, Romeo indes, war einige Schritt zurück gegangen und zitterte am ganzen Körper. Er sah sie schockiert an und Tränen liefen ihm übers Gesicht.
"Oh Gott Ana..." Er kniete sich vor Sie doch Ana zuckte zusammen und hob abwehrend die Hände,
"Lass mich! Fass mich nicht an!" sie wollte schreien doch sie konnte nicht, sie wollte weinen doch es kam nichts, ihre Stimme war bedrohlich und kalt.
"Nein, Ana- oh Gott es tut mir so-"
"Verschwinde!" Raunte sie und zog sich wackelig an der Wand hoch, etwas warmes, nach Metall schmeckendes erreichte jetzt ihre Lippen, war das Blut?
"Bitte..." Flehte Romeo, doch in Ana kam die Kraft auf, die Kraft die sie in den letzten Tagen vorgetäuscht hatte, nahm sie jetzt real und stark wie niemals zuvor ein. Sie stand vor ihm, reichte ihm grade zur Brust, doch schien ihn zu überragen.
Sie griff seine Jacke, nahm ihren eigenen Schlüssel von seinem Schlüsselbund ab und warf ihm beides gegen die Brust. Wortlos riss sie die Haustür auf und sah zu Boden. Sie konnte sein jämmerlich verweintes Gesicht nicht ertragen.
"Geh jetzt." Zischte sie ein letztes Mal und es klang als würde ein Tier und nicht die selbst, aus ihr sprechen. Romeo schniefte und ging dann in großen, langsamen Schritten aus der Tür und als Ana sie hinter ihm energisch schloss, sackte sie noch einmal zu Boden.
Der Schock und die Wut lösten sich und sie weinte lange dort in ihrem Flur und zählte dabei die roten Tropfen, die ihr vom Kinn liefen und zwischen ihren Händen zu Boden gingen.Sie hatte nicht gedacht das es so enden würde.
Sie betrachtete sich im Spiegel und tupfte Gedankenverloren das Blut von ihrer Nase und ihrem Mund. Ihre linke Gesichtshälfte war stark geschwollen und verfärbte sich dunkel rot.
Sie wollte es ihm erklären, sie wollte sich von ihm trennen und sich dem Hass und der Enttäuschung und seiner Wut stellen, doch nun war sie es die wütend war. Ihr schlechtes Gewissen und die ewig kreisenden Gedanken um ihn und seine Gefühle, schienen verflogen als sie sich jetzt eine Tüte Tiefkühlerbsen auf ihr Gesicht drückte und bei dem Schmerz zusammen zuckte.
Sie hatte nicht gedacht, das er sie jemals mehr verletzten könnte als sie ihn verletzt hatte, doch so fühlte es sich an.
Nicht der körperliche Schmerz, ihre Seele war getroffen von dieser Respektlosigkeit und obwohl ihr zum weinen zumute war, kamen keine neuen Tränen als sie an diesem Abend früh zu Bett ging, keine Tränen für einen Verlust, der keiner war.
Im letzten Akt ihrer Beziehung, hat Romeo dann tatsächlich doch mal die nicht perfekte Seite gezeigt. Er war verletzt, aber für das Verhalten gibt es sicherlich keine Entschuldigung. Deswegen heute, auch wenn es nur eine kleine, unbedeutende Wattpad Story ist, als Anmerkung für alle die vielleicht wirklich ähnliches erleben:
08000 116 016 das ist eine Hilfenummer bei häuslicher Gewalt, kostenfrei und anonym!
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Berliner Nächte (Shindy FF)
FanfictionAna ist neu in Berlin, neu bei HipHop.de und vor allem ist ihr das Gefühl neu, sich so schnell von jemandem angezogen zu fühlen. Die selbstbewusste junge Frau, trifft auf ihr Männliches Gegenstück, in Form von dem arroganten, äußerst attraktiven Rap...