Kapitel 6

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Überrumpelt von so viel Dreistigkeit verharren ich mitten auf den Stufen, gereizt von seinem Verhalten und frustriert, dass ich ihn habe gewinnen lassen. Ich suche nach irgendeinem x-beliebigen Gegenstand, den ich ihm ins Gesicht schleudern könnte. Aber bei den ganzen Putzfrauen, die Sienna für die Instandhaltung ihrer prächtigen Villa beschäftigt, liegt nie irgendwo irgendetwas herum. Ich begnüge mich damit, tief durchzuatmen, bevor ich entgegne, ohne Matteo überhaupt anzusehen:

„Gerade mal fünf Minuten bist du da, und schon hab ich die Schnauze voll von dir. Können wir uns nicht einfach bis zum Ende des Sommers ignorieren?"
„Genau das wollte ich dir auch gerade vorschlagen", erwidert seine Stimme, die nun endlich ernst klingt. „Und als ich vorhin zu dir gesagt habe, du wärst meine Halbschwester, habe ich Spaß gemacht. Wir stehen in keinem Verhältnis zueinander, Valente. Und ich will, dass das auch so bleibt", fügt er hinzu und reibt sich die Haare am Hinterkopf. „Dann sind wir ja einer Meinung", stimmte ich zu, wobei ich seinem Blick standhalte.

Auf einmal ist mir unbehaglich zumute, und diesmal ist er derjenige, der den Blick abwendet, als hätte ihn plötzlich dieselbe Befangenheit gepackt wie mich. Ich setzte meinen Aufstieg fort und schließe mich oben in meinem Zimmer ein. Endlich allein. Endlich bin ich diese engen Jeans los. Und diese drückende Atmosphäre, die sich jedes Mal breitmacht, wenn ich im selben Raum bin wie er.

Heute noch mehr als bei allen unseren bisherigen Begegnungen zusammen.

In den drei Jahren, seit ich mit Matteo Balsano unter einem Dach leben muss - damals hatten seine Mutter und mein Vater die tolle Idee, sich öfter zu sehen, zusammenzuziehen und schließlich zu heiraten -, ist es mir immer gelungen, ihn die meiste Zeit zu meiden. Entweder er war im Internat, sogar am Wochenende - wohl um seiner Mutter aus dem Weg zu gehen, die er fast genauso verabscheut wie ich -, oder ich war diejenige, die von zu Hause flüchtete und über die Ferien zu meiner Großmutter zog, wenn er keine anders Wahl hatte, als zu Hause zu sein. Diesmal aber sind wir beide mit der Schule fertig geworden, ich habe keine Ahnung, was er im kommenden Jahr vorhat, und mit meiner eigenen Zukunftsplanung bin ich auch noch nicht weit gekommen. Mit ein bisschen Glück werde ich an die Uni gehen - wenn ich trotz meiner dürftigen Bewerbungsunterlagen irgendwo genommen werde -, und dann muss ich sein teuflisches Engelsgesicht nie wieder sehen.

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