Kapitel 8

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Ich weiß nicht, ob es am Charme der Italienerin mit der starken Persönlichkeit lag oder ob sich mein Vater verpflichtet fühlte, dieser Frau zu helfen, die mit ihrem gerade mal 35 Jahren ein derartiges Drama erlebte, aber zwischen den beiden ging alles sehr schnell. Zu meiner großen Verzweiflung. Nachdem mein Vater und auch unser Leben so gut wie immer zu zweit bestritten hatten, verließen wir unser Haus, um in diese riesige viktorianische Villa mit der pastellblauen Fassade zu ziehen, in der genug Schlaf- und Badezimmer für uns alle vorhanden sind. Und sogar ein Schwimmbecken. Aber anstatt eine so schöne Patchworkfamilie zu bilden, wie man sie aus Hollywood-Komödien kennt, sind wir nichts anderes als zwei Clans geblieben, die unter demselben Dach leben, die Valentes einerseits und die Balsano-Lombardis andererseits - mein Zimmer grenzte zwar an das von Matteo an, aber abgesehen von dieser Zwischenwand hatten wir nie etwas gemeinsam.

Ich glaube, Sienna wäre nicht imstande, allein zu leben, ohne Mann, aber sie hat sich auch nie so richtig auf ihn gestützt. Sie und mein Vater sind ziemlich unabhängig - beide sind richtige Arbeitstiere, wodurch sie sich letzten Endes gar nicht so oft sehen. Sie hat ihn nie darum gebeten, für Harry den Vater zu spielen, obwohl der Kleine doch seinen eigenen Papa nie kennengelernt hat. Jeder ist also an seinem Platz geblieben: Ehemann und Ehefrau, Stiefmutter und Stieftochter, Stiefvater und Stiefsohn.

Die ganze Sache hätte sich beinahe zum Guten wenden können, wenn das Verhältnis zwischen Matteo und mir nicht vom ersten Tag an so konfliktgeladen gewesen wäre. In den drei Jahren, seit wir uns kennen, beginnen unsere raren Konversationen immer mit einem Seitenhieb und enden zwangsläufig im Streit. Wir brauchen uns nur zur selben Zeit am selben Ort zu befinden und schon fliegen die Funken. Det liebe Gott hat uns einen schönen Streich gespielt, als er uns mit derartigen Unterschieden erschaffen hat. Matteo ist laut, gesellig, flirtwütig, extrovertiert, trendig, sportlich, fröhlich, kreativ und nicht zu bremsen. In einem Wort: nervig. Ich wiederum liebe Stille, Alleinsein, Natur ind Ruhe. Jungs, Partys, Klamotten, Musik und alle sonstigen Dinge, für die sich junge Leute im Allgemeinen begeistern, sind mir ziemlich egal.
Und es ist keineswegs so, dass ich die ganze Zeit ein langes Gesicht ziehen würde, wie er es mir gerne unterstellt, ich lächle nur nicht ohne triftigen Grund. Schon gar nicht um seiner schönen Augen willen. Und es ist auch nicht so, dass ich keine anderen Menschen mag, wie er behauptet; der Einzige, den ich hasse, ist er.

Zum Beispiel hasse ich das, was er gerade tut: mitten im Wohnzimmer Gitarre spielen und dummes Zeug dazu singen, um seinen kleinen Bruder zum Lachen zu bringen.

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