Kapitel 32

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Ich saß vor unserem Haus und wartete auf Frau Renz. Naja auf Nicole. Ich fand es komisch, sie beim Vornamen zu nennen.
Ich war aufgeregt. Wir würden Mo besuchen gehen.
Ich wartete nicht lange. Der Weg ins Gefängnis kam mir ewig vor.
"Meinst du Mo freut sich mich zu sehen?", fragte ich in die Stille.
"Natürlich Kyra."
Nicole lächelte mir ermutigend zu.

Ich musste alle Wertsachen ablegen und wurde danach noch von einer Polizistin abgetastet. Danach führte uns ein Beamter in einen großen Raum. Ich sah Mo sofort. Er saß an einem Tisch. Mo sah müde aus. Doch als er uns sah funkelten seine Augen. Ich rannte zu ihm und nahm ihn in den Arm.
"Kein Körperkontakt.", schnauzte uns ein Beamter an. Ich warf ihm einen vernichtenden Blick zu.
Nicole und ich setzten uns.
"Wie geht's dir?", fragte Mo mich.
"Mir geht es ganz gut. Ich habe meinen Vater kennengelernt. Er ist echt toll. Du musst ihn unbedingt auch mal treffen. Aber was ist mit dir, Mo?"
Mo grinste mich an. In seinen braunen Augen sah ich stolz, aber irgendwie hatte ich das Gefühl sie hätten etwas an Glanz verloren.
"Naja es ist nicht gerade toll hier zu sein, aber ich übersteh das schon. Ich mach hier ab nächster Woche sogar eine Sportgruppe. Es geht bergauf und meine Anwältin meinte, wenn ich so weiter mache, könne ich auf eine frühzeitige Entlassung hoffen."
"Wow Mo, das ist ja großartig.", ich freute mich riesig für ihn.
Er erzählte mir viel von seiner Sportgruppe, die er machen würde und ich erzählte viel von Mark bis ein Wärter kam und meinte, die Besuchszeiten wären zu ende.
Nicole fuhr mich wieder nach Hause. Mir ging es besser als ich die Haustüre aufmachte und mich aufs Sofa fallen ließ. Ich hätte das wirklich nicht gedacht, aber es war befreiend gewesen mit Mo zu reden. Es ging ihm einigermaßen gut, das beruhigte mich.
Nina brachte gerade Kamu zu Mark, dewegen hatte ich noch kurz meine Ruhe, was ich genoss.
Doch plötzlich hörte ich ein Knacken. Ich stand sofort wie eine Eins. Es knackte wieder. Ich erstarrte. Ich merkte wie ich Panik bekam.

"Morris, bringst du mich zur Schule?", fragte ich meinen Cousin. Er aß gerade sein Müsli. Wütend schaute er mich an. Er war sauer auf mich, weil ich am Morgen seine Playmobilfigur kaputt gemacht hatte. Ich hatte das Knacken der Figur so toll gefunden, als ich ihr die Beine und den Kopf auserissen hatte.
"Geh weg, Kyra.", schnauzte Morris mich an.
"Komm schon, Morris. Bitte.", fing ich an zu betteln. Tränen traten mir in die Augen. Ich wollte nicht von Darius gebracht werden. Ich hatte Angst vor ihm. Ich wollte nicht, dass er mir wieder wehtat. Wenn Morris mich brachte tat mir niemand weh und ich konnte ihn in der Schule noch ein bisschen präsentieren. Er war hübsch und alle waren neidisch auf mich, wenn ich mit ihm auftauchte.
"Lass mich.", Morris schupste mich zur Seite.
"Morris, bitte. Es tut mir leid.", jetzt fing ich wirklich an zu weinen.
Mit großen Augen sah ich ihn an. Das zog eigentlich immer. Doch dieses Mal blieb er hart.
"Selbst dran Schuld.", murrte er und ging weg.
Frustriert warf ich einen Teller auf den Boden. Ich bereute dies sofort, als ich meinen Onkel anrennen hörte.
"Kyra, was machst du da?", schrei er mich an und gab mir eine Ohrfeige. Ich hielt mir meine brennende Wange. Als er mich in den Flur zog.
"Du musst zur Schule. Mach dich fertig.", befahl er mir. Ich beeilte mich meine Jacke und meine Schuhe anzuziehen.
Ich wartete an der Tür auf ihn. Ich hatte Angst. Warum war Morris so gemein? Er wusste doch, dass mein Onkel mir wehtun würde.
"Komm.", sagte Darius hart. Ich gehorchte und schlurfte langsam hinter ihm her.
Der Weg zur Schule dauerte zehn Minuten, aber mir kam es vor wie eine Ewigkeit.
Vorallem blieb Darius an einer abgelegenen Ecke stehen. Dort blieb er immer stehen. Mein Herz schlug wie wild.
"Kyra, komm her. Es tut mir leid, dass ich dich gehauen habe, aber du bist selbst Schuld. Du darfst nicht einfach was kaputt machen.", meinte Darius und sah mich an. Ich fürchtete nichts mehr als diesen Blick. Er war so anders. Aber ich war Schuld, er hatte Recht. Ich bekam nicht mit, was er mit mir machte. Ich bekam erst wieder was mit als er mir befahl mein Höschen wieder anzuziehen. Mein Bauch und mein Unterleib schmerzten tierisch. Tränen rannen mir die Augen runter.
"Du bist so unglaublich hübsch.", sagte Darius zärtlich. Ich wollte nicht hübsch sein.
Den restlichen Weg verbrachten wir schweigend. Mein Onkel lieferte mich ohne ein weiteres Wort in der Schule ab. Ich schämte mich. Ich sah fürchterlich aus.
"Kyra, was ist mit deiner Wange?", fragte mich ein Mitschüler.
"Lass mich.", ahmte ich den Ton von Morris nach. Ich wollte sein wie er. So stark und Darius war immer zufrieden mit ihm. Ich dagegen war nichts.
"Bist du etwa heute Morgen gegen eine Tür gelaufen?", lachte mein Klassenkamerad.
"Verpiss dich doch!", schrie ich ihn an. Ich rannte auf ihn zu und schubste ihn gegen einen Stuhl. Er fiel hin und knallte mit dem Kopf gegen die Stuhlkante.
"Kyra!", rief eine Lehrerin und half dem Jungen auf. Der sah mich erschrocken an. Danach packte sie mich an der Hand und zog mich mit.
"Was ist denn los?", fragte sie.
"Nichts. Der war gemein.", sagte ich. Ich setzte mich hin, aber ich fand keine geeignete Position, in der ich keine Schmerzen hatte.
"Ist alles in Ordnung?", wurde ich weiter gefragt.
"Ja.", sagte ich fing, aber an zu weinen.
"Kyra, wie alt bist du jetzt?", fragte die Frau.
Diese Frage verwirrte mich.
"Ich bin schon acht.", sagte ich stolz.
Mitleid lag im Blick der Lehrerin. Ich verstand sie nicht. Was wollte die denn?

"Kyra. Komm schau mich an.", sagte eine Stimme. Jemand packte mich am Arm. Ich schlug um mich. Wo war ich?
"Kyra, komm zurück. Alles ist gut. Hier tut dir niemand was.", sagte die Stimme erneut.
Ich suchte die Stimme und sah schließlich in die Augen von Nina. Der Schrecken saß mir immer noch im Nacken. Ich sah mich um. Ich war zuhause im Wohnzimmer. Erst jetzt merkte ich, dass mein Kopf wehtat. Ich fasste mir an die Stirn.
"Du bist gegen die Wand gerannt.", erklärte Nina mir. Sie ging in die Küche und holte mir ein Coolpack. Erschöpft und müde ließ ich mich aufs Sofa sinken. Nina setzte sich dazu und nahm mich in den Arm. Wir saßen lange einfach nur da. Bis ich einschlief.

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