Mein Mädchen

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Als ich das nächste Mal meine Augen öffnete war es stockfinster im Raum. Doch durch was war ich geweckt worden? Ich hatte das mulmige Gefühl das mich jemand beobachtet.

Mein Fuß war verkrampft und als ich mich mit äußerster Vorsicht in eine bessere Position brachte, hörte ich leise Schritte und spürte heißen Atem an meiner Wange.

Oh gott, nicht bewegen, sonst wird es mich töten.

Aber willst du nicht genau das?

Mein Herz klopfte wie wild. Warum konnte es mich nicht einfach töten während ich schlief? Ohne das sich jetzt dieses Gefühl in mir ausbreitet, ohne das ich Gelegenheit zum schreien oder weinen bekomme. Ohne das ich die Schmerzen spüre.

Weil du es nicht wert bist.

Ich schloss die Augen und versuchte mich wieder zu beruhigen. Ganz langsam. Zähl bis 10.

1, 2, 3 ... Etwas Nasses berührte meine Wange.

4, 5, 6 ... Beruhig dich, bald ist es vorbei.

7, 8, 9, 10 ... Nur das Klopfen meines Herzens in der Stille. Meine Ohren spitzten sich, ich war auf alles vorbereitet.

Doch trotzdem erschrak ich fast zu Tode als ich ein frustriertes Schnaufen hörte und einen schweren Körper, der sich zu Boden fallen ließ.

Was bist du nur für ein Angsthase.

Erleichtert atmete ich aus, als auch schlussendlich mein Gehirn registrierte, dass es sich um meinen Hund gehandelt hat. Mein Herzschlag normalisierte sich wieder, jedoch war ich immer noch nervös, Adrenalin pumpte noch durch meine Adern und hielt mich davon ab mich vollständig zu beruhigen.

Zur Ablenkung knipste ich meine Nachttischlampe an und streichelte über das herrlich weiche Fell meiner Hündin. Sofort wedelte sie mit ihrem Schwanz und hob den Kopf. Es schien, als würden mir ihre haselnussbraunen Augen direkt in die Seele blicken.

Ich liebe dich, schoss es mir durch den Kopf.

Mein ganzer Körper füllte sich plötzlich mit Zuneigung für mein Baby, all die Panik war für diesen Augenblick vergessen.

Sie war das Wertvollste in meinem Leben. Nie wieder alleine. Nie wieder Angst.

Mit einem Lächeln auf den Lippen löschte ich das Licht und schloss die Augen.

Ich war schon beinahe eingeschlafen, als mich das Ticken einer Uhr auf der Stelle wieder hellwach machte. Ich fing an zu zittern.

"Beruhig dich doch, es ist nur eine Uhr.", flüstere ich mir leise zu. Doch selbst in meinen Ohren klang das wie ein halbherziger Versuch meine aufwallende Panik zu unterdrücken. Denn was ich zu Verdrängen versuchte, war, dass es in meinem Zimmer überhaupt keine Uhr gab.

Als dieser Gedanke mein Gehirn erreichte, übernahm meine Angst die Oberhand. Ich zitterte nur noch heftiger und mein Magen begann zu rebellieren.

Einatmen. Ausatmen.

Tik. Tik. Tik.

Tränen schossen mir in die Augen, doch ich konnte sie zurückdrängen.

Tik. Tik. Tik.

Warum muss sowas nur immer mir passieren?

Tik. Tik. Tik.

Aufhören. Bitte, aufhören.

Erst als sich der warme Körper meiner Hündin in mein Bett drängte, erst als ich die Arme um sie schlang, mein Gesicht in ihr Fell drückte und den wohl vertrauten Geruch einsog, erst dann konnte ich mich endlich wieder beruhigen und in den Schlaf fallen lassen.

Werd' erwachsen, kleines MädchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt