Ich wollte gerade meine Kopfhörer an mein Handy anschließen und ein aufmunterndes Sunrise Avenue Lied suchen, als mich mein bester Freund Alex anrief.
Sollte ich abheben?
Dieser Gedanke erschreckte mich, denn in ein paar Tagen würde ich ihn wahrscheinlich zum letzten Mal sehen.
Aber heute war ich einfach nicht in Stimmung mir sein Dauer-fröhliches Geplapper anzuhören.
Da er dennoch zu den wenigen Menschen gehörte, die mir wichtig waren, ging ich halt wiederwillig ran.
"Hey, was gibt's?", knurrte ich ihn sofort an.
"Ja hallo Sissi, lang nichts mehr von dir gehört, wie geht es dir?"
Oh man, auf Small Talk hatte ich jetzt wirklich keine Lust.
Ich schnaufte. "Sag mir bitte einfach was du willst!"
"Na ich will wissen wie es dir geht!', lachte er.
"Sehr gut.", log ich.
Ja es tat mir ja leid, aber musste er mich ausgerechnet jetzt nerven?
"Und deiner Mutter? Und Lilly? Geht es ihnen gut?"
"Ja, alles super!", grummelte ich unhöflich.
Im Hintergrund hörte ich seine Freundin etwas murmeln.
Ich biss die Zähne zusammen und knirschte.
Musste die wirklich mithören? Wie ich sie hasste!
Aber ihm zuliebe akzeptierte ich sie und sagte jetzt nichts Abfälliges.
Du willst doch bloß an ihrer Stelle sein.
'Na und?', schnauzte ich mein inneres Ich in Gedanken an, 'halt du bloß die Klappe!'
"Hallo? Noch jemand da?", hörte ich den irritierten Alex. Ach ja, er war ja immer noch wm anderen Ende der Leitung.
Hoppla.
"Ja sorry, was hast du gesagt?"
"Ich. Du. Kiara. Treffen. Morgen. Hast du Zeit?", fragte er erheitert.
Seine verdammte Fröhlichkeit machte mich nur noch wütender.
"Ja, bleibt mir ja sowieso nichts anderes übrig oder?", keifte ich genervt.
Ich hörte wie er schluckte.
"Ähm okey, kontaktier du Kiara, immerhin ist sie deine beste Freundin und sag mir dann Bescheid wann wir uns treffen. Ach ja, bevor ich es vergesse, du fährst!", lachte er.
"Ja mach ich und ja war ja klar das ich fahre.", sagte ich monoton, "Tschüss!"
Ich legte auf ohne ihm die Gelegenheit zu geben noch etwas zu sagen. Danach rief ich noch schnell Kiara an und wir entschieden uns dafür, dass ich und Alex um halb 2 wegfahren, dann würden wir so ca um 2 bei ihr sein.
Nachdem ich das Gespräch mit ihr beendet hatte, schrieb ich Alex noch schnell eine Sms was wir nun ausgemacht hatten.
'Okey. Danke das du fährst. Ich freue mich darauf euch endlich mal wiederzusehen. :)'
Okey, nach dieser Antwort von ihm hatte ich wirklich ein extrem schlechtes Gewissen, weil ich ihn so grundlos angeschnauzt hatte.
Du machst auch alles falsch.
Ich atmete geräuschvoll aus, stopfte mein Handy in die Jackentasche, vergrub meine Hände in meinen Hosentaschen und machte mich nun endlich auf den Weg in den Wald hinein.
Ich bleib auf einer schneebedeckten Lichtung stehen. Wütend trat ich nach einem Eisklumpen und verletzte mir dabei selbst meinen Fuß. Ich knirschte mit den Zähnen und schielte das dumme Eis böse an. Ich hasse mein Leben, schoss es mir durch den Kopf.
Nein, nicht dein Leben. Du hasst dich.
"Ja, ja. Blabla. Das weiß ich ja sowieso schon. Ich hasse mich, keiner liebt mich, ich bin hässlich! Hast du noch einen anderen schlauen Spruch auf Lager?!", schrie ich auf und mein Atem bildete kleine weiße Wölkchen, wegen der klirrenden Kälte.
Ja, bring dich um. Aber dafür bist du ja sowieso zu feige.
Ich zitterte. Ob wegen der Kälte oder meiner Gedanken war mir unklar.
Haha
Ich machte die Augen zu und hob den Kopf. Ich muss stark sein.
Haha
Schneeflocken wehten auf mein Gesicht und sofort, als sie die warme Haut berührten, schmolzen sie. Sei stark.
Haha
"Leise rieselt der Schnee.", summte ich vor mich hin, lenkte mich von meinen aufsteigenden Tränen ab, streckte die Arme aus und fing an mich langsam zu drehen.
Haha
Ich spürte wie es mir den Hals zuschnürte und öffnete meine Augen.
Es war schon richtig finster, doch irgendetwas trieb mich weiter in den Wald hinein.
Haha
Ich hauchte in meine Hände und rieb sie aneinander. Warum musste es auch nur so kalt sein? Sei stark. Schnell vergrub ich sie wieder in meiner warmen Hosentasche.
Haha
Ich ging weiter, doch keine Minute lang und mein Fuß verfing sich in einem, aus dem Schnee herausragenden, Ast.
Ich strauchelte, konnte mich nicht abstützen und fiel mit dem Gesicht voran in das kalte Weiß. Keine Schwäche.
Haha
Ich rollte mich zusammen und zitterte. Erste Tränen kullerten über meine Wange.
Haha du Versager.
Nun lag ich da, im kalten Schnee und Tränen flossen mir ungehindert über das Gesicht.
Es kümmerte mich nicht mehr.
Jetzt konnte ich weinen.
Hier war ich allein, hier konnte mich niemand so schwach sehen.
Bleib liegen, hoffentlich erfrierst du.
Ich wollte einfach nicht mehr.
Nein, ich konnte nicht mehr.
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Werd' erwachsen, kleines Mädchen
Acak"Ich fühle mich einsam. Allein. Warum bin ich nur so? Ich möchte gerne anders sein. Besser. Irgendwann werde ich es euch allen beweisen!" Das Leben der 19-jährigen Sissi wird nur von einem Wort beherrscht: Angst. Die Angst zu versagen, Angst vor der...