Wir 3, endlich wieder vereint

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Zu meiner Überraschung unterhielten wir uns ziemlich gut, es gab kein peinliches Schweigen, ja es war sogar teilweise so lustig, dass ich Tränen lachen musste.

Vielleicht war ich ja wirklich nicht mehr in ihn verliebt und konnte deswegen mit ihm richtig ungezwungen über Gott und die Welt plappern. Früher wäre mir das irgendwie peinlich gewesen.

Dieser Gedanke war zugleich beängstigend, aber auch ziemlich befreiend, da ich lange Zeit vergeudet hatte, genügend Anerkennung von ihm zu bekommen.

Doch ich wusste schon damals, dass er nicht der Typ Mann war, der gern über seine Gefühle redete.

Jedoch schmerzte es jedes Mal aufs Neue, wenn er zu jemanden etwas Positives sagte. Ich sehnte mich doch auch nur nach ein bisschen Lob, wollte, dass er mir wenigstens einmal sagte, dass ich ihm nicht gleichgültig war.

So tappte ich ewiglang im Dunkeln, ohne den leisesten Schimmer, ob er mich überhaupt leiden konnte.

Bis zu dem Tag als ich mich heftig mit Kiara stritt. Wir 3, also Alex, Kiara und ich, verstanden uns schon länger richtig gut, wir klebten immer zusammen und man kannte uns nur mehr zu dritt. Es fehlte etwas, wenn die beiden nicht bei mir waren. Naja jedenfalls hatte Kiara damals irgendetwas getan, weswegen ich nicht mehr mit ihr befreundet sein wollte.

Sie heulte sich bei Alex aus, worauf er mir prompt eine vorwurfsvolle Nachricht zukommen ließ.

Zu dieser Zeit war ich aber gerade körperlich und auch seelisch so am Ende, dass es mich nicht kümmerte was wer über mich dachte. Nicht mal Alex' Meinung interessierte mich, deswegen schnauzte ich ihn an und warf ihm vor, sich sowieso nie um mich zu kümmern.

Ich fragte ihm, warum er sich jetzt meldete, warum er das tat, obwohl ich ihm doch eh nicht wichtig war.

Da sagte er mir das erste Mal, dass ich ihm sehr wohl wichtig war, er fragte mich was für Blödsinn ich überhaupt dachte, denn ich gehörte ja schließlich zu seinen besten Freunden und er wollte nicht, dass es mir schlecht ging.

Diese Erinnerung trieb mir jedesmal Tränen in die Augen, ich wusste noch wie herrlich glücklich ich damals war.

Ihr habt euch lange nicht gesehen.

Lange nichts voneinander gehört.

Wer sagt, dass du noch immer zu seinen besten Freunden zählst?

Dies verursachte mir nun einen Stich in meinem Herzen, jedoch konnte ich an seinen Gefühlen ja sowieso nichts ändern.

Konnte ich noch nie.

Wie oft ich neben ihm gesessen und mir einfach nur gewünscht hatte er würde mich lieben.

Mich genauso ansehen wie seine Freundin.

Mich genauso berühren.

Ich musste mich zusammenreissen!

Ich war doch schon über ihn hinweg.

Oder?

"... oder nicht?", riss mich die Stimme von Alex wieder zurück in die Gegenwart.

Zum Glück hatte ich während meines Abdriftens in die Vergangenheit die Straße trotzdem noch im Auge behalten.

Wir waren kurz vor Kiaras Heimatort.

Alex stieß mir unsanft in die Seite und ich verriss vor Schreck fast das Lenkrad.

"Bist du scheiße?! Was sollte das nun wieder?", fauchte ich ihn an.

"Du hast mir nicht geantwortet!"

Oh mann, schmollte er jetzt wirklich?

"Tut mir leid, liebster Alexander. Was hattest du gefragt?", säuselte ich mit honigsüßer Stimme.

"Ob es jemanden in deinem Leben gibt. Einen Mann."

Na toll, was interessierte ihn das nun schon wieder?

"Nein.", log ich kurzerhand und errötete.

Naja, richtig gelogen war es ja nicht.

Dieser Typ war ja schließlich nicht mein Freund, also zählte er auch theoretisch nicht zu meinem Leben.

Es war einfach zu viel passiert.

Und es ging Alex doch auch wirklich nichts an.

Er ist sein bester Freund.

"Wirklich nicht?", hackte Alex nach.

Das war das erste Mal, seit ich ihn kenne, dass er bei mir nochmal nachfragte.

Na toll, also hast du schlecht gelogen.

"Naja. Es ist eine längere Geschichte und sie interessiert dich bestimmt nicht. Außerdem sind wir gleich bei Kiara.", zögerte ich.

"1. Bestimme ich was mich interessiert und was nicht und 2. Wenn du es Kiara nicht erzählen willst, dann reden wir eben am Nachhauseweg darüber.", sagte er gut gelaunt.

Oh man, war er eigentlich immer schon so herrschsüchtig gewesen?

Ich grummelte etwas Zustimmendes und hoffte insgeheim er würde es bis dahin wieder vergessen.

Kurz vor Kiaras Haus fiel mir ein, dass wir ja gar kein Willkommensgeschenk für sie hatten.

Sie war über ein halbes Jahr im Ausland gewesen und wir hatten sie in dieser Zeit nie gesehen.

Heute war Sonntag, alle Geschäfte hatten geschlossen und als ich Alex um Rat fragte, schlug dieser vor, ihr etwas von der Tankstelle zu besorgen.

Also lenkte ich mein Auto dorthin und wir kauften ihr ein bisschen Krimskrams.

Punkt 14:00 Uhr trafen wir dann bei Kiara ein und Alex überreichte ihr unsere "Geschenke" in einem Plastiksack.

Kiara sah nicht gerade sehr begeistert aus, gab sich jedoch große Mühe und bedankte sich trotzdem.

Sie umarmte uns. Zuerst Alex, dann mich.

Endlich waren wir drei wieder vereint.

Leider aber vorerst zum letzten Mal, für eine vorrausichtlich sehr lange Zeit, da Alex wegen seiner neuen Arbeitsstelle weit wegziehen musste.

Dieser Gedanke trübte meine Stimmung ein wenig, jedoch freute ich mich plötzlich trotzdem wie ein kleines Kind, dass wir nun endlich wieder zusammen waren.

Ich hatte es so vermisst.

Werd' erwachsen, kleines MädchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt