Es war warm und es roch angenehm. Leises Gemurmel drang an mein Ohr. "Was sollen wir mit ihr machen?" "Ich würde ihr nicht trauen. Sie ist eine Elbin." "Wir müssen uns aber um sie kümmern." "Jetzt seid doch mal leise! Ich glaube, sie ist wach." Ich öffnete vorsichtig die Augen. Um mich herum standen Zwerge. "Wo bin ich?" murmelte ich. Keiner der Zwerge antwortete. Stattdessen hörte ich eine leise, hohe Stimme. "In Beutelsend. Ich freue mich, dass ihr erwacht seid." Ich sah einen kleinen Mann mit braunen Locken näher kommen. "Wer seid ihr?" "Mein Name ist Bilbo Beutlin, ich bin ein Hobbit aus dem Auenland. Wer die Anderen sind, sollen sie selber erklären." Vorsichtig setze ich mich auf. Jetzt sah ich auch einen alten Mann. Er lächelte mich an. "Ich bin Gandalf, der Graue. Darf ich fragen, wer ihr seid?" Alle starrten mich an. "Ich bin..." Ich überlegte. "Ich heiße..." "Ja?" "Ich weiß es nicht", stellte ich fest. "Sie weiß es nicht", hörte ich die Zwerge murmeln. "Könnt ihr euch an irgendetwas erinnern?" fragte mich der graue Mann. "Ich weiß noch nicht mal, wie ich aussehe", rief ich verzweifelt. "Ich denke, dass können wir ändern", mischte sich der Hobbit ein. Er verschwand kurz und kam mit einem Spiegel wieder. Er reichte ihm mir. Zögerlich schaute ich hinein. Eisblaue Augen starrten mir entgegen. Das Gesicht war etwas blass, hatte elbische Züge und spitze Ohren. Lange, silberne Haare rahmten es ein. Über die rechte Wange verließ ein langer Kratzer. Es war ungewaschen. Dreck und Blut klebte überall. Ich betrachtete meine Kleidung. Ich trug eine schwarze Hose, schwarze Stiefel und eine hellblaue Bluse. Anscheinend hatte jemand, vielleicht ich, die Ärmel abgeschnitten. Die Enden war ziemlich fransig. "Ich bin eine Elbin" stellte ich fest. "Könnt ihr euch wirklich an nichts erinnern?" Ein Zwerg mit braunen Haaren und blau-grauen Augen sah mich fragend an. "Nein, an gar nichts." "Ihr habt ein Pferd." "Ein Pferd?" "Ja, es begleitete euch, als ich euch fand." "Könnt ihr es mir zeigen?" Der Zwerg nickte. Vorsichtig stand ich auf. Ich war zwar noch wackelig auf den Beinen, doch ich folgte ihm nach draußen. Vor dem Haus stand ein majestätisches Tier. Es hatte ein weißes und graues Fell, Schweif und Mähne waren tiefschwarz. Es sah mir in die Augen. Normale Pferde haben dunkle Augen, doch dieses sah mich aus strahlenden, hellen Augen an. Ein Name zuckte durch meinen Kopf. "Ainu" flüsterte ich. Das Tier schnaubte. "Könnt ihr euch erinnern?" "Nein, immer noch nicht. Nur an den Namen dieses Tiers. Ainu."
Einige Minuten später saß ich zwischen den Zwergen an einem kleinen Tisch. Der Hobbit hatte mir etwas zu Essen gebracht. Der Zwerg, der sich als Thorin vorgestellt hatte, berichtete mir, wie er mich gefunden hatte. "Ihr braucht einen Namen", stellte er dann fest. "Euren Waffen und Kleidung zu Folge, seid ihr im Kampf erfahren. Deshalb werden wir euch Nelda nennen, es bedeutet Kämpferin in einer alten Sprache. Natürlich nur, wenn ihr einverstanden seid." "Ja." Abwesend nickte ich. Mit meinen Gedanken war ich wo anders. Wie hieß ich wirklich? Wer war ich? Wo und wer war meine Familie? Was ist passiert? Wieso kann ich mich nicht erinnern? All diese Fragen schwirrten durch meinen Kopf und mir wurde schwindelig. "Eine wichtige Frage haben wir noch nicht geklärt", holte mich die Stimme von Dwalin zurück in die Realität. Die Zwerge hatten sich mir vorgestellt und ich hatte mir tatsächlich einige Namen gemerkt. "Was machen wir jetzt? Wir können sie nicht mitnehmen", sprach Dwalin weiter. "Wohin wollt ihr denn?" Die Zwerge sahen zu Thorin, denn er war ihr Anführer. Er seufzte und begann zu erklären: "Wir wollen den Erebor zurückholen. Er wurde uns gestohlen." Ich unterbrach ihn verwirrt: "Wie kann meinen Berg stehlen?" "Du weißt, was der Erebor ist?" "Ja, anscheinend schon." "Auf jedem Fall wurde der einsame Berg von Smaug übernommen. Er ist ein schrecklicher Norddrache aus dem Norden." Ich lachte. "Das ist irgendwie logisch." Thorin sah mich an, dann wurde ihm bewusst, was er gesagt hatte. Kopfschüttelnd verbesserte er sich: "Ich meine, er ist ein Feuerdrache aus dem Norden. Er ist gefährlich und gerissen. Jetzt ist allerdings die Zeit gekommen, dass wir uns auf die Reise begeben und den Berg zurückerobern." "Und weshalb kann ich nicht mitkommen?" Der Zwerg sah mich an und überlegte. "Ihr seid elbischen Blutes..." "Das ist der einzige Grund? Das soll wohl ein Witz sein? Ihr habt mir mein Leben gerettet, ich weiß nicht wohin, also kann ich genauso gut mit euch kommen und helfen!" Wütend schlug ich mit der Faust auf den Tisch und funkelte ihn an. "Ist ja gut", murmelte Thorin. Er sah in die Runde. "Irgendwelche Einwände?" Die Zwerge schüttelten die Köpfe. "Gut, Balin bitte setzte einen weitern Vertrag auf. Wir haben ein fünfzehntes Mitglied." Der angesprochene Zwerg nickte und kramte eine Papierrolle aus seiner Tasche. Während er schrieb, las Bilbo seinen Vertrag. Soweit ich verstanden hatte, brauchten die Zwerge einen Meisterdieb und das sollte Bilbo sein. Dieser war damit gar nicht einverstanden. Der Zwerg mit dem lustigen Hut versuchte ihm zu erklären, was genau ein Drache war. Leider verfehlte er sein Ziel und Bilbo fiel in Ohnmacht. Seufzend stand ich auf, um dem kleinen Hobbit zu helfen. Ich war mir nicht sicher, ob er nicht besser hierbleiben sollte. Zusammen mit Gandalf legte ich ihn in sein Bett. Danach beschloss ich nach draußen gehen. Kurz davor hatte ich den Vertrag unterzeichnet und war offiziell ein Mitglied der Gemeinschaft.
Draußen setzte ich mich auf eine Stufe. Thorins Neffen hatten mir meine Waffen gebracht und einen Umhang, den ich getragen hatte. Es waren zwei elbische Schwerter. Lang und silbern. Einige Verzierungen waren angebracht und sie waren leicht geschwungen. Ich hob sie hoch und schwang sie. Es fühlte sich an, als hätte ich nie etwas anders gemacht. Die Griffe passten perfekt in meine Hand. Diese Schwerter waren absolut tödlich. Beide waren länger als mein Arm. Der Griff allein hatte schon ungefähr die Länge meines Unterarms. Vorsichtig legte ich sie wieder ab. Es waren meine Schwerter, kein Zweifel, doch ich konnte mich nicht an sie erinnern. Ich griff nach zwei langen Dolchen. Sie waren hübsch gearbeitet und der Griff aus Holz war mit einigen Edelsteinen besetzt. Daneben lagen zwei kleine Messer. Nicht unbedingt hübsch anzusehen, aber praktisch und gefährlich. Mehr Waffen hatte ich nicht bei mir gehabt. Ich wandte mich dem schwarzen Mantel zu. Er war in schlicht gehalten. Keine Verzierungen oder Schmuck. Ein einfacher schwarzer Mantel, mit einer langen Kapuze. Plötzlich hörte ich ein leises Lied. Es waren die Zwerge und sie sangen. Eine Gänsehaut wanderte über meine Arme. Momentan waren wir gleich, die Zwerge und ich. Heimatlos, schutzlos. Es gab nur einen Unterschied zwischen ihnen und mir. Sie hatten sich, sie hatten eine Familie und ihren Zusammenhalt. Traurig sah ich in die Dunkelheit, während das Lied langsam verklang.
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Das Mädchen ohne Vergangenheit
FanfictionThorin Eichenschild, der König unter dem Berge, plant ein Abenteuer. Er will, zusammen mit dreizehn Zwergen, einem Hobbit und einem Zauberer, seine Heimat, den Erebor, zurück erobern. Als er ins Auenland reist, findet er im Wald eine junge Frau. Si...