Diese Nacht übernachteten wir seit langen wieder in bequemen Betten. Trotzdem schlief ich kaum. Zu viele Gedanken geisterten durch meinen Kopf. Am nächsten Morgen weckte mich lautes Klopfen an die Zimmertür, es war Bilbo. Ich suchte rasch meine Waffen zusammen und folgte dem Hobbit. Eine kleine Kapelle war aufgebaut worden und alle Dorfbewohner waren gekommen, um uns zu verabschieden. Die Zwerge hatte neue Kleidung und Waffen bekommen und schritten stolz zu den Booten. Zusammen mit Bilbo lief ich vor Thorin, Fili und Kili. Ich half dem Hobbit in eins der Boote und wollte gerade hinterher klettern, als mich ein Gespräch zwischen Thorin und Kili ablenkte. "Komm nach, wenn es dir wieder besser geht." "Ich will nicht hierbleiben, ich will dabei sein, wenn wir die Hallen unserer Ahnen betreten." Doch Thorin ließ nicht mich sich reden. Oin stieg ebenfalls aus einem der Boote aus. "Die Verletzten sind meine Aufgabe. Ich bleibe hier." Fili wollte zu seinem Bruder laufen, aber Thorin hielt ihn fest. "Fili, sei kein Narr. Du gehörst zur Gemeinschaft." "Ich gehöre zu meinem Bruder." Der Zwerg ließ seinen Onkel stehen und lief zu Kili. Gerade schwang ich ein Bein über die Reling, als Thorin mich festhielt. "Ich möchte nicht, dass du mitkommst." "Was?" "Bitte bleibe hier und komme mit den Anderen nach." "Wieso sollte ich das tun?" "Es ist zu gefährlich." "Thorin, wir haben schon mehr Gefahren, als einen Drachen überstanden." "Nein! Du bleibst hier." "Denkst du wirklich, du könntest mir etwas befehlen." "Ja." Er zog mich zu sich. "Ich will nicht, dass du mitkommst. In der Stadt ist es sicherer." "Natürlich, wenn ihr den Drachen aufweckt, wird er bestimmt nicht die Stadt angreifen", sagte ich ironisch. Thorin strich mir durchs Haar. "Ich möchte dir die großen Schätzen der Zwerge zeigen. Ohne einen Drachen. Nur wir zwei." Er küsste mich sanft und kletterte in das Boot. "Du bist so störrisch", schimpfte ich. Er lächelte mir zu und die Boote legten ab. Ich schimpfte immer noch, als er mich nicht mehr hören konnte. "Habt ihr es auch verpasst?" Bofur war hinter uns aufgetaucht. Ich schüttelte den Kopf. Plötzlich stöhnte Kili auf und brach zusammen. "Kili!" Sofort halfen wir ihm. Mit vereinten Kräften trugen wir ihn zum Rathaus. Dort standen Alfrid und der Bürgermeister. "Bitte, helft uns! Mein Bruder ist krank!", bat Fili. "Krank! Wo möglich auch noch ansteckend? Weg! Hinfort!" Der Bürgermeister hechtete ins Haus. "Der Bürgermeister hat keine Zeit für eure Wehwehchen. Wir haben euch schon genug gegeben." Damit verschwand auch Alfrid. Kili war schweißnass und kreidebleich. Fili sah uns verzweifelt an. Seine Bruder keuchte auf und seine Beine gaben nach. In Filis Augen schimmerten Tränen. "Wir müssen irgendetwas unternehmen!" Die Zwerge sahen sich betreten an. Keiner hatte eine Idee. "Wir müssen zu Bard, er ist der einzige, der uns noch helfen kann!", rief ich. Fili und Bofur trugen Kili, Oin und ich liefen vor ihnen. So schnell es ging, rannten wir durch die Seestadt, bis wir schließlich an Bards Tür klopften. Als es uns erkannte, wollte er die Tür sofort wieder schließen. "Bitte! Ihr seid unsere letzte Hoffnung!" Ich stellte meinen Fuß in die Tür. "Ich habe genug von Zwergen." "Kili ist krank!" Der Mann sah von mir zu dem Zwerg und seufzte dann. "Kommt rein." Wir schleppten Kili auf ein Bett. Oin und ich besahen die Wunde. Kili schrie vor Schmerzen auf. Ich fühlte seine Stirn. "Wir brauchen etwas, was das Fieber senken kann. Habt ihr denn keine Heilkräuter?" Bard schüttelte den Kopf. "Nicht viel." "Was ist mit Königskraut? Athelas?" "Das ist Unkraut. Wir geben es den Schweinen." "Schweinen?" Bofur sprang auf und verließ rasch das Haus. Oin hatte ein nasses Tuch auf Kilis Gesicht gelegt. Ich griff nach einer Schüssel Wasser und meinem Messer. Ich zerschnitt den Stoff seiner Hose und nahm mir ebenfalls ein Tuch. Behutsam tupfte ich das getrocknete Blut ab. "Die Wunde ist ziemlich tief." Fili war mittlerweile so blass, wie sein Bruder. Ich beachtete die Menschen erst wieder, als Bard das Haus verließ. "Wohin geht er?", fragte Fili. Tilda antwortete: "Vater hat einen schwarzen Pfeil." "Ja, aber wohin geht er?" "Das weiß ich nicht." "Wo bleibt Bofur nur?" Ich blickte unruhig aus dem Fenster. In der Ferne konnte man dem Erebor sehen. "Hoffentlich geht es den Anderen gut", murmelte ich. Plötzlich schrien Sigrid und Tilda auf und ich wirbelte herum. Orks waren durch das Dach gekommen. Ich warf meinen Messer nach einem und zog meine Dolche. Da flog die Tür auf. Legolas und Tauriel stürmten herein, gefolgt von Bofur. Legolas schoss einen Pfeil ab und Tauriel köpfte den nächsten Ork. Der Tisch wurde umgestoßen. Sigrid schrie noch einmal. Sie zog ihre Schwester zu sich. Ich erstach einen Ork, der sich ihnen näherte. Sie verstecken sich rasch unter dem Tisch. Ich kämpfte gegen einen weiteren Ork, als er fiel flog ein Pfeil an mir vorbei. Legolas hatte den Letzten erschossen. "Es werden mehr kommen", sagte er unheilverkünden. Ich umarmte meinen Bruder kurz. "Kommt mit mir", sagte er zu Tauriel und mir. Ich schüttelte den Kopf, doch zu meiner Verwunderung verneinte auch die Elbin. Sein Blick wurde noch düsterer. Er strich mir kurz über den Arm und lief zur Tür. Er schwang sich über das Geländer und rannte davon. Tauriel besah sich Kilis Wunde. Ich hatte den Tisch wieder umgedreht und sie nickte mir zu. Sie beherrschte die Heilkünste deutlich besser als ich, deshalb wusste ich, dass sie ihm helfen konnte. Mit der Hilfe von Fili hievten wir den Zwerg auf den Tisch. Bofur hatte anscheinend Athelas gefunden und in eine Wasserschüssel getan. Kili stöhnte auf. Fili sah panisch zu Tauriel und mir. "Er stirbt", rief er ängstlich. Tauriel nahm das Königskraut, drückte es auf die Wunde und begann eine Formel zu murmeln: Menno o nin na hon i eliad annen annin, hon leitho o ngurth. Kili begann zu schreien und trat um sich. Sigrid, Tilda und ich hielten ihn fest. Ganz langsam beruhigte sich sein Atem und sein Kopf sank nach hinten. Er hatte die Augen geschlossen. Vorsichtig trat ich von dem Tisch zurück. "Ihr könnt es nicht sein. Sie ist weit weg", vernahm ich die leise, schwache Stimme des Zwergs. Tauriel sah ihn erschrocken an. Ich lächelte leicht. Plötzlich erschütterte ein Beben die Erde und ich fiel fast. "Was war das?" Bofur sah aus dem Fenster. "Nein!" Ich hatte die Gefahr ebenfalls erkannt. "Wir müssen weg hier! Sofort!" "Was ist los?", fragte Fili. "Der Drache! Sie haben den Drachen geweckt!", schrie Bofur. Auf der Stelle kam Bewegung in die Zwerge. Fili half seinem Bruder auf. Oin, Bofur und Bain waren bereits zur Tür gelaufen. Ich griff nach meinen Waffen. Sigrid und Tilda folgten Tauriel, die ebenfalls rasch das Haus verlassen hatte. Bain führte uns zu einem kleinen Boot und wir klettern hinein. Nachdem alle Platz genommen hatten, legten wir ab. Um uns herum rannten Menschen schreiend umher. Alles brannte. Es roch nach verbranntem Fleisch und Holz. Überall loderten Flammen und es qualmte schrecklich. Smaug war gekommen!
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Das Mädchen ohne Vergangenheit
Hayran KurguThorin Eichenschild, der König unter dem Berge, plant ein Abenteuer. Er will, zusammen mit dreizehn Zwergen, einem Hobbit und einem Zauberer, seine Heimat, den Erebor, zurück erobern. Als er ins Auenland reist, findet er im Wald eine junge Frau. Si...