Kapitel 4

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Es war kalt und es regnete. Als ob das nicht genug wäre, begann es zu Gewittern. Die Blitze waren das einzige Licht, ansonsten war die Nacht rabenschwarz. Ich konnte nicht mal mehr den ersten Zwerg erkennen, so stark regnete es. Durch den Donner hörte ich Balins Stimme ganz leise: "Wir müssen uns einen Unterschlupf suchen!" Eine gute Idee. Bilbo vor mir zitterte und klapperte mit den Zähnen. Hobbits waren eindeutig nicht fürs Gebirge gemacht. Ich dachte gerade, dass wir das Schlimmste überstanden hätten, als ich die Riesen sah. Gigantische Riesen aus Stein, die sich eine Donnerschlacht lieferten! Sie warfen mit Steinen, die größer waren, als ein Haus. Zu allem Überfluss standen wir auf den Knien eines Riesen, der sich nicht sonderlich gut verteidigte. Die eine Hälfte unsere Kompanie hatte Glück, sie konnten sich retten, als der Steinriese zusammenbrachen. Wir hatten Pech. Das Bein des Riesen knickte weg und wir rasten auf die Felswand zu. Ich hörte die Andere schreien. Schützend stellte ich mich vor Bilbo , der verängstigt die Augen aufgerissen hatte. Ich schloss die Augen und wartete. Es knallte fürchterlich und ich wurde zur Seite geschleudert. Bilbo flog an mir vorbei. Ich wollte ihn auffangen, doch jemand riss mich zur Seite. Es war Fili. Unsanft landeten wir auf dem Boden, mein Kopf schlug auf einen Stein. Alles verschwamm und schwarze Punkte tanzten vor meinen Augen. Ich muss mich zusammenreißen. Mit pochendem Kopf stand ich auf. Fast sofort sank ich wieder zusammen. "Nelda?" Fili sah mich besorgt an. "Geht schon", murmelte ich. Endlich hatte ich es geschafft aufzustehen. Die Anderen kamen zu uns gerannt. "Wo ist Bilbo?" fragte ich panisch. Gerade hatte er noch hinter mir gestanden. "Hilfe!" Das war die Stimme des Hobbits! Aber wo war er? So schnell ich konnte, lief ich zur Felskante. Bilbo hielt sich mit einer Hand fest, sonst wäre er in die Tiefe gefallen. Ich handelte ohne zu Überlegen. Ich ließ mich über die Kante rutschen und griff nach dem Hobbit.  Leider begann der Stein, an dem ich mich festhielt, zu bröckeln. Ich zog Bilbo nach oben und es gelang ihm, sich auf den Felsvorsprung zuziehen. Dann brach der Stein endgültig und ich stürzte schreiend in die Tiefe. Doch jemand packte meine Hand. Ich sah nach oben und erkannte Thorin. Auch er hielt sich nur mit einer Hand an der Kante fest, mit der anderen hatte er meinen Arm gegriffen. Er zog mich auf seine Höhe und schlang seinen Arm um meine Taille. Ich konnte mich jetzt an der Felskante festhalten und kletterte nach oben. Dwalin reichte mir seine Hand und zog erst mich und danach Thorin auf sicheren Boden. Sofort sah ich zu dem Hobbit. Kreidebleich lehnte er an der Wand. "Ist dir was passiert, Bilbo?" "Nein, mir fehlt nichts." "Da kann er von Glück reden. Ohne dich wäre er tot." Thorin sah Bilbo wütend an. "Thorin", flüsterte ich. Er sah aus, als ob er Bilbo töten wolle. "Lass es gut sein. Es ist nicht seine Schuld. Es hätte jedem passieren können." "Lass es gut sein? Du wärst fast gestorben!" "Ich lebe ja noch!" "Der Hobbit ist verloren, seit wir aufgebrochen sind! Er hätte niemals mitkommen sollen! Er ist eine Last für uns alle!" "Thorin Eichenschild!" Ich starrte ihn wütend an. "Du bist jetzt besser still! Bilbo hat Mut und ein großes Herz. Es ist gut für uns alle, dass er bei uns ist." Thorins Gesicht war eine starre Maske. Er drehte sich um und ging davon, ohne ein weiteres Wort zu sagen. Nach und nach folgten die Zwerge ihm. Balin legte mir eine Hand auf die Schulter. "Ist schon gut, Mädchen." Bilbo sah mich mit großen Augen an. "Das hättest du nicht tun sollen, Nelda. Thorin ist wirklich wütend." "Das ist mir egal. Er war im Unrecht." "Vielen Dank." "Ist schon gut. Komm jetzt." Mit etwas Abstand folgten wir den Zwergen. Ich ließ es mir nicht anmerken, aber meine Beine zitterten und mein Kopf pochte. Mit einer Hand befühlte ich die Stelle an meinem Hinterkopf. Blut klebte dort. Ich ließ mir nicht anmerken, wie schlecht es mir ging, aber ich musste diese Wunde bald versorgen. Schließlich fanden wir in einer Höhle einen Unterschlupf. Ich legte mich möglichst weit weg von Thorin. Ich war immer noch wütend auf ihn. Wie konnte er nur so ungerecht sein? Vielleicht hätte ich nie mitkommen sollen. Ein Haufen Zwerge und eine Elbe, das passte einfach nicht. Aber jetzt war es zu spät, um umzukehren. Ich vergrub meinen Kopf in meinen Hände. Ich hatte solche Kopfschmerzen und meine Wunde blutete immer noch. Ich hatte unauffällig die Kapuze meines Umhangs aufgesetzt, damit den Zwergen nichts auffiel. Verletzte konnten wir in so einer Situation nicht auch noch gebrauchen. Schwer atmend legte ich mich hin und versuchte zu schlafen. Doch es gelang mir nicht. Dann hörte ich, wie jemand aufstand und Richtung Ausgang lief. Es war Bilbo! Er unterhielt sich mit Bofur, der Wache hielt. Bilbo wollte zurück nach Bruchtal. Vorsichtig öffnete ich meine Augen und starrte in eisblaue. Am anderen Ende der Höhle lag Thorin. Er war ebenfalls wach und lauschte den Worten. Er sah immer noch wütend aus. Plötzlich bewegte sich der Boden unter uns. Sofort sprang ich auf. "Wacht auf!" Auch Thorin stieß die Zwerge an und rief: "Aufwachen!" Doch wir waren zu langsam. Der Boden brach auf und wir fielen in die Tiefe.

Das Mädchen ohne VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt