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Da schmilzt sie auf einmal mit geröteten Wangen dahin, wie Schnee in der Sonne.

Spinne ich, oder hat er die taube und alterssichtige Frau Miller mit ihren 85 Jahren tatsächlich bezirzt?

„Können Sie es bitte als Geschenk einpacken?"
„Mit Vergnügen, mein Herr."

Verräterin!

Nun gut. Mit Höflichkeit ist ihm nicht beizukommen. Mit Überredungskunst auch nicht. Und mit meinem Charme noch weniger (no comment...)! Da bleibt nur noch Betteln.

„Ich erlaube mir zu insistieren..."
„Das sehe ich!", ruft der Herr mit der sexy Narbe, wobei er entnervt mit der Zunge schnalzt.
„Ich bitte Sie, seien Sie doch nicht so. Ich bin mir sicher, dass Sie eine Vielzahl anderer genialer Geschenke in diesem Geschäft finden können. Sehen Sie nur diese silbernen Armbänder!", sage ich, wobei ich mit den Finger durch die Scheibe der Vitrine auf sie zeige. „Oder dieses bezaubernde Medaillon, das man aufklappen kann!"

Er betrachtet mich mit undurchdringlicher Miene langsam von Kopf bis Fuß.

„Dann kaufen Sie sie doch, wenn sie Ihnen so sehr gefallen."

Ein totaler Reinfall...was für eine grobe Abfuhr!

„Ich flehe Sie an!", sage ich, wobei ich die Hände zusammenlege und jeglicher Würde entsagen. „Es ist sehr wichtig. In weniger als zwei Wochen ist Weihnachten...können Sie sich nicht zu einer guten Tat durchringen?"

Leicht besorgt packt Frau Miller den Schmuckkasten ein, wobei sie uns abwechselnd ansieht. Das Herz dieser Frau, die ich seit meiner Kindheit kenne, scheint sich nicht zwischen uns beiden entscheiden zu können. Man könnte meinen, sie sähe einem Tennisspiel zu und warte ungeduldig auf das Ende. Endlich ist einmal etwas los in ihrem Geschäft...der Unbekannte runzelt die Stirn, als müsste er scharf nachdenken. Dann kommt seine Antwort:

„Nein."

Dann zahlt er seinen Erwerb, während ich ihn mit Goldfischaugen anstarre. Darauf war ich nicht gefasst. Ein triumphierendes Lächeln unterdrückend, greift er schließlich nach seinem Geschenk und verlässt den Laden, nachdem er uns beiden zugenickt hat. Frau Miller lässt sich zu einem Seufzer hinreißen, als er die Schwelle überschreitet. Ich werfe ihr einen wütenden Blick zu. Mein schönen Geschenk ist dahin!

Weihnachten, Ruggero Pasquarelli und ichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt