6. Kapitel

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- Kapitel 6 -

Es war Niklas, mein bester Freund. Ich seufzte leise und er schaute mich verwirrt an. "Hey Mi, mit dir stimmt doch was nicht. Was ist los?" Ich wusste es doch selber nicht. "Ach nein, ich bin nur etwas müde und will endlich Nachhause.", antwortete ich ihm. Er schaute mir tief in die Augen. Ich hasste es, denn dann merkte er immer, dass ich ihn anlog. Aber zu meinem Glück nickte er nur und hielt mir seine Faust hin zum Abschied. Ich schlug leicht mit meiner Faust zu und er stieg aus. "Wenn was ist Sis, du weiß, ich bin immer da." Ich liebte seine Art, er war wirklich ein wahrer Freund. "Danke Bru, ich weiß doch bescheid." Ich lächelte ihn an und winkte ihm noch zu, bevor ich dann losfuhr.

Als ich Zuhause ankam lief ich schnell hoch in mein Zimmer und schmiss meine Sachen auf mein Bett. Schnell rannte ich in Melina's Zimmer und riss ihre Tür auf. "Meli Maus, weiß du was heute -" Ich stoppte und mein Blick lag auf ihrem leeren Bett. Es war inzwischen schon eine Woche vorbei, aber ich konnte mich immernoch nicht an ihre Abwesenheit gewöhnen. Immer mal wieder rief ich ihren Namen unbewusst oder ging in ihr Zimmer, als würde sie dort auf mich warten. Ich saß mich auf ihr Bett. Sie sagte mir zwar, dass ich sie immer anrufen kann, doch ich wollte sie nicht stören. Sie sollte sich an ihr neues Leben dort gewöhnen und hatte bestimmt schon viele neue Freunde gefunden. Ich atmete tief ein und aus. Sie war einfach meine beste Freundin, wem sollte ich jetzt meine Gefühle ausschütten?

Ich dachte über heute nach. Ich wusste doch selbst nicht mal was ich fühlte. Ich sollte mir doch sowieso nicht so viel in allem hinein interpretieren. Zum 100. Mal sagte ich mir, dass ich ihn doch gar nicht kannte. Kenan hieß er.. ach hör schon auf Amira. Vielleicht würden wir uns ja auch gar nicht mehr begegnen. Er war ja nicht mal im selben Studiengang oder Semester. Aber trotzdem hatte ich ein komisches Gefühl, was ich nicht beschreiben konnte. Es war ganz anders, wenn ich an seine Augen dachte. Mir wurde warm und mein Herz klopfte. Sowas kannte ich gar nicht. Vielleicht vermisste ich ja meine Schwester nur zu sehr. Vielleicht war ich deshalb so durch den Wind. Ich sollte mich an die Situation gewöhnen. Ich muss damit klarkommen, dass sie nicht mehr da ist. Nach einem Jahr wird das alles vorbei sein, da war ich mir sicher. Irgendwann schlief ich mit diesen Gedanken ein.

- 2 Wochen später -

"..und dann, als er mich heben wollte, damit ich bei den Mädels reinklettern kann, kam ich gegen ein Blumentopf, was dann auf sein Kopf runterfiel und weg war er. Ich fiel natürlich auch noch auf ihn und in dem Moment dachte ich mir, dass er nun endgültig tot ist." Alle prusteten los. Demir erzählte so aufgeregt, dass man sich alles wie ein Film vorstellen musste. Er klopfte auf Laith's Schultern, der auch Tränen lachte. "Und am Ende sah er halt so aus.", lachte Demir noch lauter und zeigte dabei auf das Verband von Laith auf seinem Kopf. Seine eine Hälfte musste rasiert werden, was wirklich komisch aussah, und ein paar Stiche wurden genäht. Zum Glück war es aber nichts ernstes und wir konnten darüber lachen. "Es reicht Leute, ich sterbe noch vor lachen!" Lisa hielt sich ihr Bauch und versuchte nach Luft zu schnappen. Ceyda kicherte auch leise, aber ich bemerkte, dass sie zwischendurch, als Demir über die Mädels erzählte, schon ernst geguckt hatte. Ich hatte schon vor einiger Zeit gemerkt, dass Ceyda Interesse an Demir hat. Aber noch nie hatte ich sie darauf angesprochen. Ich hielt es auch nicht für richtig. Wenn sie es irgendwann erzählen will, dann wird sie es schon tun.

Es waren seit dem "Treffen" mit dem Jungen, also Kenan, nun 2 Wochen vergangen und ich hatte ihn in dieser Zeit nicht wiedergesehen. Es war nicht so, dass ich nach ihm Ausschau hielt oder ihn vermisste, aber ich muss zugeben, dass meine Augen ihn schon manchmal auf dem Campus oder in der Uni suchten. Die Mädels fragten am selben Tag noch, wie das Treffen mit dem Jungen lief. Als ich ihnen knapp davon erzählte meinten sie, dass ich übertrieben hätte. Vielleicht hatte ich es ja wirklich. Trotzdem sagte ich, dass ich über ihn nicht mehr reden wollte. Und so ist es dann auch wirklich passiert. Seitdem hatte keiner der Mädels nach ihm gefragt.

"Ohh Jungs, es ist schon fast halb. Wie müssen los!", rief Laith. Alle standen auf, bis auf Niklas, Lisa und ich. "Ich muss noch paar Bücher suchen und dann zu ein Paar aus meinem Kurs. Wir wollten gemeinsam die letzten Stunden durchgehen.", sagte Niklas. "Ich brauch auch ein Buch aus der Bibliothek. Ich hoffe, es ist nun endlich wieder da." Lisa stand mit ihm auf und schaute zu mir. "Willst du nicht mitkommen, Mi?", fragte sie mich. "Nein, ich geh ein wenig im Park spazieren. Wenn du fertig bist kannst du mich anrufen und wir treffen uns dann hier." Sie legte ihr Kopf etwas schief. "Bist du dir sicher? Ich kann auch gerne bleiben.", sagte sie. "Nein Lizzy, ehrlich, es ist in Ordnung." Sie nickte langsam und nahm meine Hand. "Wenn du was brauchst, dann ruf mich an und ich komm sofort zu dir." Sie lächelte lieb und ich musste auch lächeln. "Ruf mich einfach an, wenn du fertig bist.", sagte ich in ihrem selben fürsorglichen Tonlaut. Sie lachte laut und schüttelte den Kopf. Niklas hielt mir seine Faust hin und wir verabschiedeten uns.

Als sie weg waren, ging ich in den Park rein. Ich setzte mich auf die Bank, wo ich mit Kenan saß und schaute auf den See. Es war warm, nicht schwül, sondern sehr angenehm. Ich hatte ein Sommerkleid an, was Schwarz war und ein goldenen Gürtel um die Taille. Es war trägerlos und sehr gemütlich so. Darunter hatte ich Schwarze Ballerinas mit goldenen Nieten drauf. Als Schmuck trug ich eine goldene Michael Kors Uhr und meine goldene Kette, die ich mit meiner Schwester zusammen gekauft hatte in diesem Sommerurlaub. Wir waren in Antalya/ Türkei und als wir an einem Juwelier beim Einkauf vorbei gingen, sah ich diese wunderschöne Kette am Schaufenster. Es hatte einen kleinen Anhänger mit einem Infinity-Symbol. In dem Symbol stand "Ailem" drinne. Es bedeutete "Meine Familie" auf Türkisch. Meine Schwester und ich holten es sofort. Ich holte mir die Halskette und sie das Armband dazu. Ich liebte es einfach. Ich berührte meine Kette und schloß die Augen. Es war sehr still im Park, man hörte nur die Vögel zwitschern oder die Enten im See plantschen. Ich atmete tief durch die Nase ein und durch den Mund wieder aus. Es war fast ein Monat vorrüber, seitdem meine Schwester weg war und ich vermisste sie immernoch so sehr. Wir telefonierten zwar oft, aber ich zeigte nicht allzu sehr meine Trauer. Ich wollte, dass sie dort glücklich und sorglos ist.

Ich öffnete wieder meine Augen und bemerkte, dass sich jemand neben mich hingesetzt hatte. Als ich mich zu der Person umdrehte, weiteten sich meine Augen auf. Ich konnte nicht glauben, wer da vor mir saß.

BeYOUtiful - la familia es todo #Wattys2016Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt