Ich trat mit einem
Lächeln in die Wohnung.
Felipe hatte mich Heim gefahren und war selber irgendwelche Geschäfte erledigen.
"Mum? Bin wieder daheim!", rief ich in die Wohnung und zog meinen Mantel aus.
"Hast du schon den Brief geschrieben?", wollte ich wissen.
"Mum?, rief ich nochmal als keine Antwort kam.
"Ma?", fragte ich weiter und lief mit vorsichtigen Schritten ins Wohnzimmer. Ein Stechen breitete sich in meinem Brustkorb aus und mein Magen zog sich schmerzhaft zusammen.
"Mama?", fragte ich während ich mich panisch im Wohnzimmer umsah.
Vielleicht schläft sie? Ich eilte in ihr Zimmer, doch dort war sie auch nicht.
Wo zur Hölle war sie?
Meine Atmung wurde flacher als ich weiter ins Badezimmer rannte.
Mein Herz blieb in der Sekunde stehen als ich sie sah.
Tränen verschwammen meine Sicht als ich mich neben ihren Körper auf den Boden kniete.
Blut floss aus ihrem Mund während ich ihren Puls checkte.
Sie war noch am Leben.
Mit einem zittrigen Atemzug rief ich den Notfalldienst an.Alles verging wie in einem surreallen Traum. Mein Körper war taub als die Sanitäter meine Mutter und mich abholten und ins Krankenhaus fuhren. Sie versuchten bereits im Krankenwagen ihr zu helfen während ich ihnen zusah.
Meine Augen waren offen aber sahen nicht.Im Krankenhaus selbst trennten sich unsere Wege. Sie wurde in ein OP-Saal geführt, wobei ich im Wartezimmer Platz nehmen musste.
Die Uhr an der Wand tickte quälend langsam.
Sekunden wurden zu Minuten und Minuten zu Stunden.
Mein Körper fühlte sich kraftlos an als ich auf die weiße Wand vor mich blickte.
"Ms. Troypes?", zog mich eine Männerstimme aus meiner Trance.
Ich blinzelte mehrere Male.
"Ja?", fragte ich nach. Jegliche Energie war aus meinem Körper.
"Gehen Sie mit mir ein Stück?", fragte der Doktor und ich folgte ihm langsam.
"Wie geht es ihr?", hakte ich nach, unsicher ob ich die Antwort überhaupt wissen wollte.
Er verzog leicht sein Gesicht.
"Ihre Lage ist kritisch. Sie wissen ja dass sie die letzte Woche häufiger hier war", sprach er.
Nein wusste ich nicht.
"Wir haben alles versucht. Doch ihre Lage hat sich verschlimmert und sie hat sich geweigert eingewiesen zu werden", redete er weiter.
Wieso wusste ich von all dem nichts?
Wieso hatte sie mir nichts erzählt?
"Was soll das heißen?", hakte ich nach doch wusste die Antwort bereits als ich in das Gesicht des Doktors blickte.
"Kann ich sie sehen?", fragte ich dann stattdessen. Ich wollte nicht dass jemand es aussprach. Es würde alles zu real machen.
Er nickte und führte mich in ihr Zimmer.
Sie schlief noch.
Eingesunken in weißen Kissen konnte man sie kaum noch sehen.
Ich seufzte auf und setzte mich auf den Stuhl neben ihrem Bett.
Gott, ich war eine miserable Tochter, ich hatte nicht mal bemerkt dass es ihr schlechter ging.
Der Krebs hatte sich unbemerkt durch ihren ganzen Körper gefressen während ich hohle Nuss mich fast nur um Felipe und seine Familie gekümmert hatte.Keine Ahnung wie lange ich schon dort saß aber irgendwann holte mich die Müdigkeit ein und schließlich schlief ich auf dem Stuhl ein.
Ich wurde von einer Krankenschwester geweckt.
"Ms Troypes? Sie sollten nach Hause gehen. Ihre Mutter wird für mehrere Stunden nicht mehr aufwachen und wir werden sie benachrichtigen falls etwas sein sollte", sprach sie in einer beruhigenden Tonlage.
"Ist schon gut. Ich warte hier", antwortete ich während ich mir meine Augen rieb und meinen Rücken streckte.
Sie nickte und wollte gerade aus dem Zimmer als ich sie aufhielt.
"Wie spät ist es?", fragte ich nach, da ich nichts außer meiner Jacke und meinem Portmonee dabei hatte.
"Halb neun", antwortete sie und lief dann aus dem Raum.
Halb neun, wiederholte ich die Wörter immer wieder in meinem Kopf bevor ich mir in der Kantine einen Kaffee holen ging.
Wie schnell bitte war es schon wieder morgen?
Als ich zurückkam war sie bereits wach und unterhielt sich mit dem Doktor.
Mit einem traurigen Lächeln gesellte ich mich zu ihnen.
"Und wie sieht es aus? Was ist der nächste Schritt?", sprach ich als ich versuchte etwas mehr Elan in meine Stimme zu bringen.
Meine Mutter fing an zu schmunzeln.
"Wir warten bis sich die Türen zur Highway to hell öffnen", scherzte sie über ihren Tod in dem sie auf einen ACDC Song anspielte.
"Du meinst eher Stairway to Heaven", spielte ich mit, wobei mir an den Gedanken schlecht wurde.
"Oder wir versuchen es weiter mit der Chemo?", hakte der Doktor nach.
"Oh Gott, bitte nicht. Ich will meine letzten Tage nicht mit kotzen verbringen", antwortete meine Mum sofort.
"Aber Ms. Troypes-", wollte der Doc sagen, doch meine Mum fiel ihm ins Wort.
"Ich bin im Endstadium Doc und ich habe keine Lust das Ende noch länger hinauszuziehen."
Ich saß nur daneben, unsicher was ich sagen sollte.
Natürlich wollte ich sie nicht verlieren aber konnte ich sie dazu verdammen so weiter zu leben?
Diese Entscheidung war nicht meine.
"Aber als Arzt ist es meine Aufgabe sie so lange am Leben zu halten wie es nur geht-", redete er und wurde wieder von meiner Mutter unterbrochen.
"Das haben sie bereits und wir beide wissen, dass es sinnlos ist weiterzumachen. Ich habe den Kampf bereits verloren."
Der Doktor konnte nicht anders als widerwillig zu nicken bevor er das Zimmer verließ.Es war für eine gefühlte Ewigkeit still als ungesagte Wörter in der Luft hingen.
"So...", fing ich an. Ich wollte nicht über ihren Zustand oder ihren Tod denken.
"Wieso solltest du bitte in die Hölle kommen?", entschied ich mich mit einem gezwungenen Lächeln zu sagen.
Meine Mum lachte auf bevor ein nostalgischer Blick sich auf ihrem Gesicht ausbreitete.
"Deine Mutter war nicht wirklich ein Engel aber das sollte dir bewusst sein. Schließlich war ich 18 als ich dich bekommen habe", gab sie mit einem leichten Lächeln von sich.
"Na ja früher war das eher normal?", antwortete ich.
"Ja wenn man verheiratet war", sprach sie.
Ich konnte nicht anders als meine Augenbrauen zusammen zu ziehen.
Zwar wurde ich unehelich gezeugt aber meine Eltern hatten doch nach meiner Geburt geheiratet?
"Aber du und Dad wart doch eh schon verlobt", sagte ich schulterzuckend.
Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich als sie etwas beschämt und reumütig zu Boden sah.
"Rena Schatz. Ich bin müde. Du solltest lieber heimgehen und ebenfalls versuchen zu schlafen", schüttelte sie mich ab und ich hatte das Gefühl als würde sie etwas tiefgehenderes vor mir verheimlichen.
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Brave.
Teen Fiction♧Prequel zu der Monteiro-Reihe.♧ Felipe Monteiro ist der älteste von vier Brüdern. Als sein Vater kaltblütig ermordet wurde, blieb Felipe, der zu dem Zeitpunkt noch 17 war, nichts anderes übrig als die Vater-rolle für Alec, Caleb und Xavier zu übern...