XXXI

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"Wieso zur Hölle hast du ein Fleischmesser dabei?", fragte Olivia amüsiert und verwirrt zugleich.
"Hilft mir beim Eyelinerstrich ziehen und es ist gibt mir das Gefühl von Sicherheit, wenn ich nachts alleine heimlaufe", antwortete Lillian gleichgültig.
"Für den Eyeliner? Warum benutzt du nicht einfach deine Kreditkarte?", schlug Olivia vor.
"Daran habe ich gar nicht gedacht...danke für den Tipp", nahm Lilly überzeugt den Tipp an.
"Gerne, falls du mehr Make-up Tipps brauchst, frag einfach. Habe nämlich in Australien einen Schmink-Kurs belegt und bin jetzt ein Profi darin", bot meine Schwester mit einem stolzen Grinsen an während ich sie nur fassungslos beäugte.
Wie konnte sie einfach hier reinschneien und so tun als wäre nichts?
"Wieso bist du hier?", schnitt meine kühle Stimme in die Unterhaltung.
Ihre Augen wanderten zu mir. Reue und Schock waren in ihnen zu sehen.
"Wie bitte?", kam die Gegenfrage. Von ihrem sonst so riesigen Selbstbewusstsein war nicht viel übrig als ich sie mit einem kalten Blick musterte.
"Wieso zur Hölle bist du hier?", wiederholte ich die Frage und versuchte dabei so ruhig wie möglich zu bleiben.
"Ich-ich verstehe nicht...ich bin nach über fast einem Jahr zurück und das ist meine Begrüßung?", kam es von ihr nun angepisst und perplex zugleich.
Ein bitteres Lachen entwich mir.
"Ich habe dich gefragt was zum Teufel du hier machst, also sprich und spiel hier nicht das Opfer. Was hast du erwartet? Dass ich dich mit offenen Armen empfangen würde nachdem du nicht mal für die letzten Atemzüge unserer Mutter da warst?!", brach es schließlich aus mir.
"Uhh...ich gehe dann mal...", konnte ich noch Lillian murmeln hören bevor sie die Wohnung verließ und wir beide nun alleine waren.
"Lorena...ich-ich", stammelte sie vor sich hin, doch brachte nichts weiter heraus.
"Ja du? Du bist ein undankbares Miststück, falls du das sagen wolltest. Sonst noch etwas?", unterbrach ich sie wütend.
Sie war leicht schockiert und ich konnte sehen wie meine Worte sie verletzten, jedoch war es mir in dem Moment egal, ich wollte ihr Schmerz zufügen, ich wollte ihr ein schlechtes Gewissen machen und ich wollte, dass sie in dem Moment genau so viel Leid ertrug wie ich in den letzten Jahren.
Natürlich war es falsch aber ich konnte nicht gegen die Wut in mir ankämpfen.
"Ich- es war-", stammelte sie erneut, nicht in der Lage die richtigen Wörter zu finden um ihren Standpunkt zu erklären.
Ich schüttelte enttäuscht meinen Kopf.
"Weißt du was? Denk erst mal darüber nach was du mir sagen willst und was du hier eigentlich machst und wenn du deine Gedanken sortiert hast, ruf mich an. Es ist immer noch dieselbe Nummer", erlöste ich sie schließlich von ihrer Qual ehe ich mich umdrehte und zur Wohnungstür lief.
"Und räum hier auf", kommentierte ich und verließ daraufhin das Apartment.
Ich könnte keine Nacht mit ihr unter demselben Dach verbringen.

Mit einem Taxi fuhr ich zu dem Ort, welcher in diesen letzten Monaten meine Zuflucht geworden war, wo ich glücklich sein konnte.
Während die Landschaft wechselte dachte ich an Olivia. Die Wut verblasste langsam und Trauer füllte ihren Platz.
Ich wusste, dass ich mich mit ihr vertragen musste. Sie war schließlich meine Schwester, das einzige was von meiner Mutter verblieb.
Erschöpft stieg ich aus nachdem ich den Fahrer bezahlt hatte.
Die Tore wurden von Alec selbst geöffnet als er mich von dem Brunnen aus sah, in was er Minuten zuvor nachdenklich reingestarrt hatte. Er humpelte und sah so aus als wäre er von einer Football-Mannschaft verprügelt worden.
"Du siehst so aus als hätte man dich durch den Fleischwolf gejagt", kommentierte ich sowohl genervt als auch besorgt. Ich hasste dieses ‚Training'. Für was war das nötig?
"Musst du gerade sagen", atmete er aus bevor er registriert hatte was er gesagt hatte.
"Ich- ich so war das nicht gemeint. Du siehst hübsch aus...aber, aber irgendwie beschissen. Also beschissen wie in traurig nicht beschissen wie in hässlich", stolperte er über seine eigenen Wörter, was mir ein schwaches Lächeln ins Gesicht zauberte.
"Ehh...ja wie geht es dir?", hängte er dann schnell dran.
Ohne etwas zu sagen nahm ich ihn in den Arm.
"Au, au, au", zischte er plötzlich, weshalb ich ihn schnell losließ.
"Lass uns reingehen und deine Wunden verpflegen", wechselte ich das Thema und wir liefen beziehungsweise ich lief und Alec humpelte ins Haus.
"Hey Jungs", grüßte ich Xavier und Caleb die im Wohnzimmer saßen. Caleb spielte ein Videospiel während Xavier las. Caleb grüßte mich mit einem kurzen 'Hi' und Xavier lächelte mich an.
"Caleb könntest du den Verbandkasten holen?", bat ich ihn.
"Wieso ich? Xavier soll. Bin mitten im Spiel", antwortete er genervt, wobei sein Blick auf den Fernseher fixiert war.
"Ich habe aber dich gefragt", gab ich von mir und half Alec sich hinzusetzen.
"Boah", atmete er frustriert aus und pausierte das Spiel.
"Immer muss ich alles machen. Fehlt nur noch, dass ihr mich in ein Dienstmädchen-Kostüm steckt", beschwerte er sich als er sich aufstellte.
"Gute Idee...", tat ich so als würde ich wirklich darüber nachdenken, weshalb seine Augen sich weiteten.
"Das war ein Scherz Aschenputtel und jetzt hol den Kasten", beruhigte ich ihn lächelnd.
Alec lachte auf während Xavier amüsiert grinste und Caleb mir einen bösen Blick zuwarf aber dennoch meine Anweisung befolgte.
Die Jungs waren eine willkommene Ablenkung.
Ich dachte kaum an Olivia als ich Alecs Wunden verpflegte, mit Xavier kochte, gemeinsam mit den drein aß und scherzte.
Kaum waren sie aber alle in ihren Zimmern, erschlugen mich meine Gedanken förmlich.
Fertig zum Schlafen gehen kuschelte ich mich in Felipes Bett und versuchte alles um ja kein schlechtes Gewissen wegen meinem Ausraster zu haben.
Natürlich hätten andere schlimmer reagiert und mein Verhalten war nachzuvollziehen dennoch fühlte ich mich schlecht.
Tränen kamen mir hoch und rollten mein Gesicht runter als ich an Olivia und meine Mutter dachte.
Ich hasste es, dass nachts oder wenn ich mal alleine war, all diese Gefühle hochkamen, deshalb versuchte ich so viel wie möglich unter Menschen zu sein.
Gegen ein Uhr und nach leeren Tränendrüsen später trat Felipe ins Zimmer.
Er wusste nicht, dass ich hier war, weshalb er erschrak als er das Licht anmachte.
"Santa madre de Dios!", kam es von ihm.
Ich drehte mich zu ihm.
"Großer Gott, hast du mich erschrocken", sprach er und hielt sich an die Brust.
"Entschuldigung habe ich dich geweckt?", fragte er dann reuevoll und zog seine Anzugjacke aus bevor er sich an sein Hemd und seine Hose machte.
Ich schüttelte nur meinen Kopf und beobachtete ihn.
Er sah lächelnd zu mir als er nur in seinen Boxershorts war, bereit einen Witz zu reißen ehe ihm meine wahrscheinlich angeschwollenen Augen auffielen.
"Hey, alles okay?", fragte er besorgt und setzte sich zu mir auf das Bett.
Ich schüttelte nur meinen Kopf und zog ihn runter zu mir um mich an ihn zu kuscheln.
Er legte seinen Arm um mich während ich meinen Kopf auf seiner Brust platzierte.
Er strich mir sanft über meinen Arm und wartete bis ich bereit war mich ihm zu öffnen.
"Olivia ist wieder da", fing ich leise an und für einen Moment spannte sich sein Körper an.
"Und?", forderte er mich auf weiterzuerzählen.
"Und ich habe sie angeschrien."
"Was dein gutes Recht ist", beruhigte er mich.
"Sie war schockiert und wusste nicht was sie sagen sollte."
"Deshalb bin ich gegangen", atmete ich aus.
"Wo ist sie?", fragte er.
"In der Wohnung. Sie hatte wohl noch ihren Schlüssel", antwortete ich und schloss meine Augen.
Felipes Körperwärme machte mich müde und entspannte mich.
"Du wirst dich aber schon noch mit ihr aussprechen oder?", hakte er nach.
"Ja, sie ist immer noch meine Schwester", nuschelte ich an seine Brust.
"Gut", seufzte er und strich mir solange über den Rücken bis ich endlich einschlief.

Werde heute versuchen zur jeden halben Stunde ein Kapitel rauszubringen bis ich keine Lust mehr habe :)

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