XXI

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Felipe und ich waren gerade im Auto auf dem Weg ins Krankenhaus.
"Woher wusstest du eigentlich, dass ich in der Bar sein würde?", stellte ich die Frage, die mir immer mal wieder in den Sinn gekommen war.
Felipe sah für einen Moment unbehaglich aus bevor er antwortete.
"Eh...ich war kurz bei dir daheim um mich zu entschuldigen aber du warst nicht da, also war ich im Krankenhaus und da du auch nicht da warst dachte ich, dass ich mein Glück mal in der Bar versuche, in der du mal gearbeitet hast...", erklärte er leicht nervös.
Ich studierte ihn kritisch, irgendwas stimmte nicht...
"Solange du niemanden auf mich ausgesetzt hast, der mich für dich stalkt", scherzte ich, doch als keine Reaktion von ihm kam, blickte ich ihn mit zusammengezogenen Augenbrauen an. Er sah etwas verkrampft aus als er seinen Blick nur auf die Straße fixierte.
Vielleicht war mein Witz auch nicht so lustig gewesen und deshalb reagierte er so...

Als wir vom Auto ausstiegen scannten meine Augen sofort den Parkplatz. Erleichtert atmete ich aus als ich keinen von den Männern von gestern erblickte.
"Alles okay?", hakte Felipe leicht verwirrt nach.
"Jup", beruhigte ich ihn und wir liefen weiter.
Er bestand darauf meiner Mutter Blumen zu kaufen, da er ihr gestern keine geschenkt hatte.
Also taten wir das bevor wir mit dem Aufzug hoch in ihr Stockwerk fuhren und an ihr Zimmer liefen.
Gerade als wir eintreten wollten, kam der Doktor aus dem Raum.
Er lächelte mich schwach an bevor seine traurige Miene durchschien.
"Ms. Troypes, Sie sind gerade rechtzeitig. Könnte ich mit Ihnen kurz sprechen?", fragte er mich und sofort schnürte sich mein Hals zu. Ich nickte nur und folgte ihm etwas weiterweg.
Felipe schenkte mir ein aufmunterndes Lächeln ehe er in das Zimmer meiner Mum lief.

"Ich will ehrlich mit Ihnen sein Ms. Troypes...ich weiß nicht genau wie viel Zeit Ihrer Mutter noch bleibt aber es ist nicht mehr lange", sprach er zärtlich.
Es war nichts, was ich nicht schon wusste, doch trotz dessen musste ich mich zurückhalten nicht zusammenzubrechen. Ich konnte nicht mehr als zu nicken.
"Sie hat uns gebeten, die Medikamente und die Spritzen komplett wegzulassen, da sie den ehm...'Prozess' schneller durchhaben möchte", redete er weiter, da ich aber nichts als nur schweigen konnte, fuhr er fort.
"Deshalb haben wir uns entschieden die Medikamente und die Spritzen Schritt für Schritt abzusetzen."
Ich schluckte den Kloß in meinem Hals nur schwer runter.
"Und was bedeutet das?", fragte ich obwohl ich die Antwort bereits wusste.
"Es wird langsam Zeit Abschied zu nehmen", kam es mit einem sanften Blick von ihm.
Ich zwang ein Lächeln auf meine Lippen und nickte, wobei mir Tränen die Wange runterrollten.
Egal, wie vorbeireitet man auf den Tod eines Mitmenschen war, es war dennoch wie ein Schlag ins Gesicht. Es tat nicht weniger weh, nur weil man es zuvor schon wusste.
Nach der Unterhaltung begab ich mich erst mal auf das WC.
Leise weinte ich in mich hinein während mein ganzer Körper zitterte. Das Stechen in meinem Herzen wurde immer stärker, je mehr ich versuchte mich zusammenzureißen.
Schließlich entwich mir ein Schluchzer bevor ich anfing unkontrolliert zu weinen.
Es gab keinen schlimmeren Schmerz als den, den man erlitt, wenn eine geliebte Person starb.
Sie war zwar körperlich noch hier, doch ich wusste, dass sie mit ihrem Leben auf der Erde bereits abgeschlossen hatte und auf die kalten Arme des Todes wartete, welche sie aus ihrem Elend auf dieser Welt befreien würden.
Die meisten fürchteten sich vor dem Tod, aber nicht meine Mum.
Für sie war das Leben eine Lüge während der Tod die schmerzvolle Wahrheit war.
Es war komisch, denn es traf immer die Menschen im Umfeld härter als die Person, die diese Menschen verlassen musste.
Ich wusch mein Gesicht und trocknete es. Meine Augen waren angeschwollen und gerötet, meine Haut blass und meine Wangenknochen stachen etwas mehr heraus. Ich hatte unfreiwilliger Weise in den letzten Tagen abgenommen.
Erschöpft atmete ich aus und machte mich auf den Weg zu meiner Mum und Felipe.

Felipe hielt ihre Hand als ich eintrat und sie unterhielten sich, wobei Felipe die meiste Zeit redete, da meine Mum zu schwach war.
Leise setzte ich mich zu ihnen und beäugte die Frau, die mich auf die Welt gebracht hatte. Felipe hatte versucht mich ein paar Mal mit ins Gespräch einzubeziehen aber nach ein paar vergeblichen Versuchen, sah er ein, dass mir nicht zu reden zumute war.
Irgendwann war meine Mum eingeschlafen und wir verließen Seite an Seite die Klinik.
Spannung lag in der Luft als Felipe immer wieder versuchte etwas zu sagen, doch dann wieder seinen Mund schloss.
Ihm fielen keine Worte ein und ich nahm es ihm nicht übel.
Worte, würden mir nicht helfen können.
Am Auto blieben wir stehen.
Jedoch machte er keine Anstände den Wagen aufzusperren.
"Ehm du musst auf den Knopf am Schlüssel drücken, damit wir einsteigen können", unterbrach ich die Stille, wobei ich auf den Boden starrte. Felipes Blick brannte auf mir bevor er näher zu mir lief und mich in eine feste Umarmung zog.
Sofort gaben meine Knie nach als ich mich an ihn lehnte. Meine Sicht verschwamm und ich brach in mich ein. Erst in seinen Armen, fiel mir auf wie schwach ich doch eigentlich war.
Ich hatte keine Kraft mehr, um mit erhobenem Haupt durch die Welt zu gehen.
Er musste nichts sagen, so wie er mich hielt, schrie er förmlich, dass er immer für mich da sein würde.
Langsam aber sicher hörte ich auf zu weinen und trennte mich etwas widerwillig von ihm.
"D-Danke", atmete ich zitternd aus.
Ein süßes Lächeln umspielte seine Lippen bevor er mir meine Tränen von meinen Wangen wegküsste.

Vor dem runtergekommenen Gebäude, was ich Zuhause nannte, hielt er an. Die ganze Fahrt lang hatte er meine Hand gehalten und ich war unglaublich froh ihn bei mir zu haben.
Ich seufzte als ich zu ihm sah. Seine Hand hielt noch meine, ohne Anzeichen, dass er sie jemals loslassen wollte.
Zögerlich trennte ich unsere verhakten Finger während er nachdenklich nach vorne sah.
Ich wusste nicht was in mich geriet, doch der Drang ihn zu küssen überkam mich.
"Felipe", flüsterte ich und drehte zart seinen Kopf zu mir.
Seine Augen warfen Fragen auf, die ich mit einem Kuss beantwortete.
Mein Körper fühlte sich für den Moment, in dem unsere Lippen sich berührten schwerelos an und für die paar Sekunden schien die Außenwelt mit ihren ganzen Problemen und Herausforderungen unendlich weit weg zu sein.
Ich öffnete meine Augen nachdem ich mich von ihm trennte.
Ohne etwas zu sagen stieg ich aus und lief an die Tür.
Beim zurücksehen, bekam ich mit, dass Felipe wie erstarrt noch im Auto saß.
Mit einem schwachen Lächeln begab ich mich schlussendlich in die Wohnung, nur um sie zwei Minuten später wieder zu öffnen als es klingelte.
Verwirrt blickte ich Felipe an, der außer Atem vor mir stand. Bevor ich überhaupt reagieren konnte, waren seine Lippen auf meinen.
Er hielt mein Gesicht in seinen Händen und ich schmolz förmlich in den Kuss.
Wir liefen ohne den Kuss zu brechen rückwärts in die Wohnung bis ich die Wand an meinem Rücken spürte.
Ich öffnete leicht meinen Mund als er mit seiner Zunge über meine Lippen strich.
Unsere Zungen drückten das aus, was wir uns noch nicht trauten zu sagen.
Die drei Worte, die mir einfielen, wenn ich an ihn dachte, welche von den Reaktionen meines Körpers bestärkt wurden.
Schmetterlinge, Elefanten, nein, ganze Feuerwerke lösten sich in meinem Bauch aus.
Und als ein überwältigendes Verlangen durch meinen Körper strömte, wusste ich, dass es diese Nacht nicht nur beim Küssen bleiben würde.

DUDEES ich hab einfach mal in zwei Tagen 6 Kapitel gepostet. Ich bin so stolz auf mich, dass ich endlich mal wieder meinen Arsch hochgekriegt habe :D

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