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Zwei Tage später treffe ich Annabelle Clark auf dem Weg zu meinem Büro. Auch heute sieht sie nicht weniger toll aus, als beim letzten Mal. Geschickt hat sie eine enge Jeans mit einer eleganten Bluse kombiniert und das Ganze mit hohen Schuhen aufgepeppt.
„Miss Prime", begrüßt sie mich mit einem umwerfenden Lächeln.
Ich bemerke, wie sich die Blicke meiner männlichen Arbeitskollegen auf die junge Frau richten. Ist ihr eigentlich bewusst, was für eine Wirkung sie auf Männer hat?
„Jace, lässt Ihnen ausrichten, dass er ab nächster Woche Zeit für Sie hat", berichtet sie.
„Nächste Woche erst? Ich wollte das Projekt eigentlich so schnell wie möglich über die Bühne bringen", beschwere ich mich, während ich mich gleichzeitig darüber ärgere, dass er es mir nicht selbst gesagt hat.
Annabelle seufzt. „Ja, ich weiß. Ich habe versucht ihn davon zu überzeugen, dass er die Reise abbricht, aber er ist leider stur. Er meinte die Reise wäre sehr wichtig und stände schon seit Monaten fest", erklärt sie.
„Schön." Jetzt war ich diejenige die seufzte. „Ich denken, dann lässt sich daran nichts ändern."
Frustriert zupfe ich an dem mit Spitze versehenem Saum meines Oberteils herum.
Annabelle lächelt aufmunternd. „Er ist ein Idiot und ein Dickkopf. Lassen Sie sich nicht von ihm unterkriegen!"
„Sicher nicht."
Ich straffe meine Schultern. Das werde ich ganz bestimmt nicht. Von ihm werde ich mir sicher nicht den Spaß an meiner Arbeit und meine Aufstiegschancen verderben lassen.
„Genau die richtige Einstellung", lobt Annabelle und streicht sich in einer selbstbewussten Geste eine Strähne hinters Ohr, „und zögern Sie nicht mich um Hilfe zu bitten. Ich stehe Ihnen bei Fragen gerne zur Verfügung!"
Sie winkt noch zum Abschied, bevor sie erhobenen Hauptes und mit großen Schritten zum Aufzug stolziert.
Die Blicke folgen ihr, bis sich die Aufzugtüren hinter ihr schließen. Zurück bliebt nur der sanfte Vanilleduft ihres Parfums.Im Vergleich zu einigen meiner Kollegen habe ich ein eher kleines Büro, dessen Wände von Regalen gesäumt sind und in dem ansonsten nur ein zweckmäßiger Schreibtisch steht. Ich bin noch nicht dazu gekommen es irgendwie persönlich zu gestalten.
Ich spiele mit dem Gedanken mir ein paar Pflanzen und Bilder zur Dekoration anzuschaffen, wenn die nächste Gehaltsauszahlung ansteht. Ein schlichter Teppich wäre sicher auch eine Investition. Damit könnte man zumindest zum Teil den hässlichen Linoleumboden verdecken.Ich bemühe mich um Konzentration, führe mehrere Telefonate und durchforste das Internet nach Inspirationen. Unteranderem spreche ich mit wichtigen Sponsoren und der Druckerei der Printzeitung.
„Perfekt. Dann ist von meiner Seite aus erst einmal alles geklärt. Haben Sie noch Fragen?"
Ich verspreche mich in den nächsten Tagen noch einmal zu melden und lege dann erschöpft den Hörer weg. Wie hartnäckig man manchmal sein muss, um etwas zu bekommen, aber es macht sich bezahlt.
Als nächstes sehe ich meine Unterlagen durch. Noah hat mir ein paar Layoutvorschläge zukommen lassen. Ich versuche an Hand seiner Ideen und meinen schon recht konkreten Vorstellungen von einem stilvollen, aber schlichten Layout einen ersten Entwurf zu stellen.
Bald würde ich mich mit ihm über die genaue Umsetzung unterhalten müssen.
Das Brummen des Rechners hat schon fast etwas beruhigendes und ich werde erst aus meiner Trance gerissen, als mein Handy piept.
Eine SMS von Adam. „Wann kommst du nach Hause?"
Kein, ich liebe dich. Kein, Kuss. Kein, freue mich auf dich.
Ich tue als hätte ich die Nachricht noch nicht gelesen und schreibe stattdessen eine Mail an meine Cousine Rachel.
„Hast du Lust auf einen Mädelsabend? An der 49th hat ein neues italienisches Restaurant aufgemacht!"
Während ich auf ihre Antwort warte, checke ich mein Emailpostfach.
Ich habe eine Verwarnung von der Bibliothek, weil ich mit der Buchrückgabe mal wieder zu spät dran bin, noch einmal eine digitale Einladung von meiner Mutter zu Dads Geburtstag, sowie eine Verwarnung, weil ich mit der Gasrechnung im Verzug bin (vielleicht sollte ich den Dekoeinkauf verschieben) und eine Mail von Jonathan Clark.
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Sophia
ChickLitNew York Für manche ist die Stadt das Sprungbrett zum Erfolg, für andere ein Albtraum. Nur mit einem gutbezahlten Job oder einem großen Erbe kann man sich hier eine Wohnung leisten. Sophia will sich endlich von den finanziellen Fesseln ihrer Eltern...