Die Bilder sind tatsächlich pünktlich da und zusammen mit Noah, Lucian und einer jungen Frau, die sich als Maja Green vorstellt, stelle ich das Grundgerüst der Zeitung fertig. Lucian und seine Kollegen sind mit den Texten fast fertig und das von Noah entworfene Layout ist der Wahnsinn.
„Ms Prime", ruft mich Lucian zurück, als ich gerade den Konferenzraum verlassen will. Es ist Freitagabend und ich freue mich aufs Wochenende.
Neben Lucian stehen Maja und Noah. Alle drei sehen mich erwartungsvoll an.
„Haben Sie Lust heute Abend noch mit uns etwas trinken zu gehen?", erkundigt Lucian sich.
Noah sieht nicht ganz so begeistert aus, aber Maja wippt aufgeregt auf den Fußballen vor und zurück.
„Bitte sagen Sie, ja. Sonst bin ich mit diesen Vollpfosten alleine", scherzt sie.
„Hey", Noah zwickt ihr in die Seite und sie lacht.
Ich denke daran wie wenig ich Adam in den letzten Tagen gesehen habe und merke, dass es mich kaum stört. Langsam bin ich es leid, mich immer um unsere Beziehung zu bemühen.
„Gerne, aber nur, wenn wir das Siezen lassen", sage ich lächelnd.
Maja strahlt. „Klar. Ich bin Maja."
„Sophia."Um halb neun treffen wir uns vor einer netten Bar am Times Square.
„Ich gebe die erste Runde aus", bietet Lucian an, als wir uns an einem der niedrigen Tische niederlassen. Um die Tische herum sind bequeme Ledersessel gruppiert, das Licht ist gedimmt und es herrscht eine angenehme Stimmung.
Adam war nicht zu Hause als ich kam und ich habe ihm nur eine SMS geschrieben, dass ich noch mit Freunden ausgehe. Es bedrückt mich, dass wir nur noch nebeneinander her leben und beschließe Morgen mit ihm zu reden.
„Wo kommst du her?", erkundigt Maja sich, während Lucian und Noah die Getränke holen. Sie meinten, wir sollten uns überraschen lassen.
„Bist du gebürtige New Yorkerin?"
Ich schüttle den Kopf. „Nein, ich bin für meinen Job hergezogen. Ich komme ursprünglich aus North Carolina und du? Bist du aus New York?"
„Ja, allerdings. Ich bin sogar hier in New York City geboren. Eine Zeit lang haben wir ein bisschen weiter im Landesinneren gelebt, aber diese Stadt ist mein Zuhause."
„Erzählt sie wieder ihre Lebensgeschichte?", fragt Noah, der gemeinsam mit Lucian zurück an unseren Tisch kommt.
Sie stellen vier Gläser mit unterschiedlichen Getränken ab. Keines davon kann ich auf Anhieb identifizieren.
„Tue ich gar nicht", empört Maja sich, aber ihre Augen funkeln freundlich.
Lucian setzt sich neben mich.
„Und ihr?", frage ich die beiden Junge, „kommt ihr aus New York?"
Lucian nickt. „Schon immer", sagt er.
Noah dagegen schüttelt den Kopf. „Ich bin in Spanien aufgewachsen. Zumindest die ersten Jahre. Der Arbeitsmarkt in Spanien ist die reinste Katastrophe. Deswegen sind meine Eltern mit uns in die Staaten gegangen. Gewohnt haben wir lange in Maryland. Dad ist immer zwischen New York City und Baltimore hin und her gependelt."
„Wer erzählt jetzt die Lebensgeschichte?", spottet Maja und zieht sich ein Glas heran, „lasst uns anstoßen!"
Ich nehme ebenfalls ein Glas und klirrend treffen die Gläser aufeinander. „Cheers."
Der Alkohol brennt leicht in der Kehle, aber schnell merke ich wie ich mich entspanne und unser Gespräch immer lockerer wird.
Lucian und ich unterhalten uns über verschiedene Musikrichtungen und stellen schnell fest, dass wir beide gerne Charts hören und ansonsten uns eher für kleinere und unbekanntere Sänger und Bands interessieren.
Irgendwann klingelt mein Handy. Ich werfe einen Blick auf das Display.
Adam.
„Da muss ich kurz rangehen!", entschuldige ich mich, während ich aufstehe.
Im Vorraum ist es leiser und ich gehe ran.
„Hi, Schatz."
„Wo bist du?", fordert Adam zu wissen. Nette Begrüßung. Ich unterdrücke ein Seufzen.
„Ich habe dir doch geschrieben. Ich bin mit ein paar Freunden etwas trinken!"
„Was für Freunden? So etwas machst du doch sonst auch nicht!"
„Was soll das denn heißen?", empöre ich mich, „Es sind ein paar Arbeitskollegen. Kennst du nicht."
„Kommst du jetzt nach Hause?"
„Ich möchte eigentlich noch ein bisschen bleiben", gebe ich ehrlich zu. Warum klingt das so, als würde ich mit meiner Mutter telefonieren?
Adam schweigt. Ich weiß genau, dass er jetzt beleidigt ist.
„Es wird nicht zu spät, aber es ist gerade einmal zehn, Ad. Ich kann doch jetzt nicht einfach gehen! Liebe dich."
Erst als ich kurz darauf auflege, merke ich, wie leer die beiden Worte klingen. Okay, ich brauche dringend mehr Alkohol. Ich denke eindeutig noch zu viel über meine Beziehung nach.
„Alles gut?", fragt Maja, als ich mich wieder an den Tisch setze.
„Ja, nur mein Freund. Er wollte wissen wo ich bin", erzähle ich.
Bilde ich mir das nur ein oder huscht ein Schatten über Lucians Gesicht.
„Dein Freund?", harkt zu meiner Überraschung Noah nach, der abgesehen von der Antwort zu Beginn des Abends, kaum mit mir gesprochen hat. In seiner Stimme schwingt etwas mit. Ich glaube es ist eine überraschte Freude.
„Ja, Adam. Er steckt ziemlich im Stress wegen seines Studiums." Früher habe ich mich geschämt, wenn ich erzählt habe, dass Adam ein Nachzügler im Berufsleben ist. Heute ist mir klar, dass ich mich dafür nicht zu schämen brauche.
„Und wie lange seid ihr schon zusammen?", fragt Maja neugierig nach.
Ich drehe mein Glas, zwischen meinen Händen. „Ich möchte gerade ungern über Adam reden", gestehe ich und leere den Alkohol mit einem großen Schluck.
„Oh." Verständnis huscht über Majas Gesicht.
„Und ihr?", lenke ich schnell von mir ab, „seid ihr in einer Beziehung?"
Maja beginnt zu strahlen. „Ja, seit fünf Jahren. Kyle wohnt in New Jersey. Beruflich. Morgen kommt er übers Wochenende her", erzählt sie, während die beiden Männer den Kopf schütteln und ich bemerke wie Noahs Blick zu Lucian huscht. Da fällt es mir wie Schuppen von den Augen.
Natürlich war er immer schlecht gelaunt, wenn ich mit Lucian sprach, lachte etc. und natürlich freute er sich darüber, dass ich vergeben war.
„Wollt ihr noch etwas trinken?", fragt Noah und sieht dabei wieder nur Lucian an. Ich lächle bei der Offensichtlichkeit seiner Gefühle.
„Sag dem Barkeeper er soll uns überraschen", schlägt Lucian vor.
„Au ja", stimmt auch Maja zu.
„Ich komme mit", entscheide ich kurzer Hand. Ich muss dieser Sache jetzt auf den Grund gehen. Außerdem will ich wirklich nicht, dass Noah eifersüchtig auf mich ist.
Noah sieht mich überrascht an, nickte dann aber knapp.
An der Bar gibt Noah die Bestellung auf und setzt sich solange auf einen der Hocker. Ich nehme neben ihm Platz und folge seinem Blick, der wieder auf Lucian liegt. Mein Gott, er kann echt nicht die Augen von ihm lassen! Ich merke, wie sich automatisch meine Mundwinkel heben.
„Du magst Lucian, oder?", frage ich und trommle abwartend mit meinen Fingern auf die Bar.
Mit gerunzelter Stirn sieht Noah mich durch seine Brille an.
„Natürlich mag ich ihn. Er ist mein bester Freund!"
Das ist die Standartantwort und ich kapiere, dass ich vorsichtiger vorgehen muss.
„Das meine ich nicht", fahre ich vorsichtig fort, „du magst ihn so richtig, oder? So wie Maja Kyle mag?!"
Noahs ganze Haltung versteift sich.
„Wie kommst du denn auf den Schwachsinn", reagiert er abweisend und ich beiße mir auf die Lippe. Es klingt nicht überzeugend. Seine Augen sind dunkler, seine Schultern sind angespannt und die Finger seiner rechten Hand umklammeren den Rand der Bar.
Ich habe das Gefühl mich verteidigen zu müssen.
„Ich habe kein Problem mit Schwulen", platzt es aus mir heraus.
Seine Augen verengen sich. Hasserfüllt sieht er mich an. „Sag dieses Wort nicht", zischt er zwischen zusammengebissenen Zähnen.
Wenn er wütend ist, erinnert er mich mehr an seine Brüder als sonst. Wissen sie, dass Noah vom anderen Ufer ist?
„Warum...", setze ich an, werde aber unterbrochen: „Wenn du das irgendwem erzählst, mache ich dir das Leben zur Hölle. Klar?"
„Wie kommst du darauf, dass ich es jemandem erzählen würde? Ich habe nur gesagt, dass ich kein Problem damit habe. Aber das ist immer noch deine Sache", verteidige ich mich und füge dann nach kurzem Schweigen hinzu, „Mein Bruder ist schwul."
Das wissen nur sehr wenige Menschen. Es ist nichts was ich herumerzähle, weil es häufig auf Ablehnung trifft.
Noahs Blick schießt zu mir zurück. „Was?"
„Meine Eltern haben ihn weggestoßen, als sie es erfahren haben. Sie reden nicht mehr über ihn. Aber ich sehe das anders. Wir leben doch in einer modernen Welt! Hier darf jeder lieben wen er will!"
„Hier eure Getränke." Der Barkeeper stellt vier Gläser vor uns ab und unterbricht damit unser Gespräch.
„Danke." Noah schweigt, während wir die Gläser nehmen. Nervös beißt er sich auf die Unterlippe.
„Du hast wirklich kein Problem damit?", harkt er verunsichert nach.
„Natürlich nicht."
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Sophia
ChickLitNew York Für manche ist die Stadt das Sprungbrett zum Erfolg, für andere ein Albtraum. Nur mit einem gutbezahlten Job oder einem großen Erbe kann man sich hier eine Wohnung leisten. Sophia will sich endlich von den finanziellen Fesseln ihrer Eltern...