4 (überarbeitet)

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Am nächsten Morgen werde ich davon wach, dass Adam aufsteht und ins Bad schlurft, dabei stößt er mit dem Fuß gegen die Kommode und flucht schmerzerfüllt.
Ich schrecke aus einem ziemlich lebhaften und sehr sehr erotischem Traum auf.
Zwischen meinen Schenkel brennt die Erregung und ich schäme mich zu Tode.
Wie kann ich, während ich neben meinem Freund schlafe, von einem anderen Mann träumen? Davon wie er mich berührt und in den Wahnsinn treibt? Wie seine Finger mich an meiner empfindlichsten Stelle berühren, wie ich meine Hände in seinen Rücken kralle, mich ihm entgegenwölbe...
Aufhören, sofort aufhören!
Ich presse mein gerötetes Gesicht ins Kissen. Es ist mit meiner Lieblingswäsche bezogen. Ein hübscher, blass rot gestreifter Stoff mit Knöpfen. An ihm hängt Adams Geruch.
„Alles okay mit dir?" Adam kommt humpelnd aus dem Bad zurück.
„Das fragst du mich?", lenke ich hastig von mir ab, „tut es sehr weh?"
Meine Stimme ist ganz kratzig und unter der Decke presse ich die Beine zusammen, in der Versuchung mich selbst anzufassen.
Er runzelt die Stirn. „Ja. Ich glaube er ist gebrochen." Mitleidsheischend sieht er mich an.
„Du Armer. Soll ich dir ein Kühlpack holen?", biete ich an und schwinge die Beine aus dem Bett.
Er schüttelt den Kopf. „Nein. Ich muss jetzt los."
Ich betrachte seinen Zeh. Er ist angeschwollen und färbt sich bereits blau. „Vielleicht solltest du besser zum Arzt", bedenke ich. In meiner Nase beginnt es zu jucken und..."Hatschi."
„Dafür habe ich keine Zeit", wehrt er ab, aber ich sehe wie sehr er mein Mitgefühl genießt.
„Okay. Sag Bescheid, wenn ich noch etwas tun kann." Ich gebe ihm einen flüchtigen Kuss zum Abschied und hasste dann ins Bad.
Erleichtert schließe ich die Tür hinter mir.

Ein wenig gehetzt und noch immer unter Strom komme ich im Büro an. Ich bin heilfroh, dass ich weder Noah noch Annabelle begegne. Ich weiß nicht, ob ich ihnen ins Gesicht sehen könnte, während ich doch ihren Bruder nicht mehr aus meinem Kopf bekomme.

Überraschend pünktlich kündigt um 18 Uhr mein Rechner einen Skypeanruf an.
Ich streiche mir noch schnell einmal die Haare glatt, vergewissere mich, dass hinter mir nichts Peinliches herumliegt und klicke dann auf annehmen.
Jonathan Clark sitzt in einem schlichten, an seinen Oberarmen spannendem T-shirt draußen auf einer Terrasse in der Sonne.
Direkt schießen mir wieder die Bilder aus meinem Traum durch den Kopf und ich verspüre ein angenehmes Kribbeln zwischen den Beinen.
„Hallo Miss Prime!"
Gott, diese Stimme!
„Guten Abend."
Er lacht. „Sie meinen wohl eher Mittag."
Er scheint eindeutig besser gelaunt, als bei unserem ersten Treffen.
Ich verdrehe scherzhaft die Augen. In meinem Hals kratzt es, ich greife kurz nach meiner Wasserflasche und nehme einen schnellen Schluck, aber das Gefühl bleibt.
„Ich muss gleich los", lüge ich, „mir wäre es lieb, wenn wir direkt zum Geschäftlichem kommen würden, Mr Clark."
Genervt stößt er die Luft aus. Für einen Moment richtet sich sein Blick auf etwas hinter der Kamera.
„Fangen Sie an", fordert er mich dann mit beherrschter Stimme auf. Vorbei ist die gute Laune. Was habe ich falsch gemacht?
Ich ziehe meine Notizen heran und erkläre ihm noch einmal meine genauen Vorstellungen und bin überrascht, wie viele gute Vorschläge er macht, auch wenn er mir diese ohne jegliche Emotionen unterbreitet.
„Wann genau sind Sie wieder hier?", frage ich.
„Nächsten Montag. Noch irgendetwas?"
„Nein, von Ihrer Seite noch?"
In dem Moment läuft hinter ihm jemand ins Bild. Es ist eine blonde, superschlanke, superjunge, superhübsche Frau und sie trägt nur einen schwarzen, superknappen Bikini.
Mir wird augenblicklich schlecht.
Jonathan stöhnt auf und er herrscht die Frau hinter sich an: „Mierda. Was soll das?" Die Blondine reißt daraufhin abwehrend die Hände hoch.
„Entspann dich, Jay!" Ihr Englisch hat einen leichten Akzent, der sie irgendwie noch sexier macht. Das ist unfair!
Sie verschwindet aus dem Kamerafeld und Mr Clark wendet sich wieder mir zu.
„Was haben Sie zuletzt gesagt?", fragt er barsch.
„Ob Sie noch irgendwelche Fragen haben!" Muss er seine schlechte Laune an mir auslassen?
„Nein. Ist das Gespräch dann hiermit beendet?"
„Einen Augenblick noch. Ich werde Morgen mit einigen Kollegen sprechen. Können wir uns übermorgen noch einmal unterhalten, damit wir am Montag..."
„Dienstag", unterbricht er mich.
„Sie meinten doch vorhin, dass sie am Montag..."
„wiederkommen. Genau. Nicht, dass ich da arbeite. Ich komme Abends. Dienstag komme ich zu Ihnen ins Büro. Wegen einem weiteren Skypetreffen schreibe ich Ihnen noch."
„Gut. Ach und Mr Clark? Sorgen Sie doch dafür, dass beim nächsten Mal keines Ihrer Betthäschen vorbeikommt."
Jetzt grinst er unverschämt und zeigt mir seine makellosen weißen Zähne.
„Warum? Eifersüchtig?", provoziert er.
Ja und wie! „Natürlich nicht!"

Das zweite Gespräch mit Mr Clark muss ich kurzfristig absagen, weil ich von einer ziemlich heftigen Grippe heimgesucht werde. Langsam frage ich mich, ob das Schicksal mir irgendetwas sagen möchte?! Ich muss dafür Sorgen das diese Kampange der Hammer wird, aber jetzt verliere ich schon wieder mehrere Tage.
Adam, der noch immer an seiner Abschlussarbeit schreibt, verzieht sich ins Internetcafe die Straße runter, um sich ja nicht um mich kümmern zu müssen. Netter Freund. Da bringe ich ihm so viel Mitleid entgegen, wenn er sich den Fuß stößt und ich muss mich selber gesundpflegen.
Naja nicht ganz alleine.
Erin und Rachel kommen regelmäßig vorbei und versorgen mich mit Tee, Suppe, Filmen und guten Büchern.
Ich versuche so gut es geht von Zuhause aus zu arbeiten, aber so wirklich voran komme ich nicht. 
Erin ist gerade erst gegangen, als es an der Tür klingelt. Hat sie irgendetwas vergessen?
Ich hieve mich vom Sofa hoch und laufe auf dicken Wollsocken zur Wohnungstür.
Zu meiner großen Überraschung steht davor Annabelle Clark.
„Hi." Sie wirkt ein wenig verlegen.
„Ich weiß wir kennen uns praktisch nicht, aber ich habe gehört das Sie krank sind und dachte, Sie freuen sich vielleicht über etwas Ablenkung?"
Überrascht öffne ich die Wohnungstür komplett und lasse sie rein.
„Das ist sehr nett. Ich bin Sophia."
„Annabelle."
Erleichtert, dass ich es so unkompliziert aufnehme, tritt sie ein.
Sie zieht eine DVD aus ihrer Tasche. „Kennst du den?", fragt sie.
Charlie und die Schokoladenfabrik, steht auf dem Cover.
Ich schüttle den Kopf.
„Jace und ich habe ihn früher immer gesehen, wenn wir krank waren! Er ist ganz süß", sagt sie leicht verlegen. Wo steckt denn die selbstbewusste Frau, die ich aus der Firma kenne?
Ich nehme ihr den Film aus der Hand. „Dann mal ab aufs Sofa mit uns."
Sie lächelt und schlüpft schnell aus den Schuhen und der Jacke. Annabelle ist unglaublich nett.
Sie ist unkompliziert, zuvorkommend, lustig und nur ein kleines bisschen arrogant, aber das macht sie nur menschlich.
Während des Films bekommen wir ziemlich Heißhunger auf Schokolade und ich plündere Adams Vorrat in der Küche.
Wir quatschen über Gott und die Welt und ich bin echt froh, dass sie da ist. Vielleicht habe ich hier ganz unbewusst eine neue Freundin gefunden.

SophiaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt