Kapitel 22

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Ahhhh ich hab den vierten Advent verpasst 😓

PoV Evan

"Hast du schon mal darüber nachgedacht, wie du sterben wirst?" Niclas legte das Buch vor sich auf den Tisch und musterte mich kurz.
Wir saßen gerade zusammen in seiner Hütte, da ich nach der ganzen Situation keine Lust hatte, Jeremie über den Weg zu laufen.
"Nicht wirklich. Aber eigentlich gibt  es für jemanden wie mich nur eine Möglichkeit. Ich werde irgendwann im Kampf sterben." Er hörte sich nicht so an, als hätte er Angst davor zu sterben. Ich hatte sie auch nicht, das hieß aber nicht, dass ich es wollte.
"Wieso fragst du?" Überrascht sah ich zu Niclas, welcher mich aufmerksam musterte. Als Antwort schüttelte ich nur den Kopf, aber Niclas ließ nicht locker.
"Was ist los? Ich bin ein Vampir, ich spüre es, wenn du lügst." Ich wandte mich unter Niclas Blick, der einem fast durch Mark und Bein ging.
"Es ist wirklich nichts." versuchte ich mich herauszureden, aber Niclas hob nur eine Augenbraue.
"Du musst nicht mit mir darüber reden, Evan, aber bedenke, dass wir dir nur helfen können, wenn wir alles wissen. Du wirst immer mehr wissen als wir, das liegt in der Natur eines Sehers. Ich kann verstehen, wenn du nicht mit mir reden willst. Dann tue es aber mit deinem Gefährten." Ich konnte es mir nicht verkneifen, kurz bitter aufzulachen. Einen Moment lang sah Niclas verwirrt aus, aber dann breitete sich ein wissender Ausdruck in seinem Gesicht aus.
"Ihr seid noch nicht lange verbunden, oder?" Ich nickte nur. Das war wirklich das aller letzte, worüber ich reden wollte.
"Und du verschmähst Jeremie als deinen Gefährten. Aus welchen Gründen auch immer." Diesmal war es keine Frage, also antwortete ich auch nicht, sondern wandte nur den Blick ab. Gründe hatte ich genug, meiner Meinung nach.
Er war ein Vampir.
Sein Bruder wollte mich fangen und umbringen, für den Rat.
Er war ein Mann.
"Das hat nichts mit Jeremie persönlich zu tun." nuschelte ich und Niclas seuftzte.
"Womit den dann? Weil er ein Mann ist, wie du?" Auch bei dieser Frage blieb ich stumm, dennoch reichte mein Schweigen Niclas als Antwort.
"Ihr Menschen seid unglaublich, was euren Geschlechtswahn angeht, wirklich." Niclas schüttelte amüsiert den Kopf, während ich ihn nur fragend ansah.
"Was soll das den bitte sein?"
Ein Augen verdrehen von Niclas.
"Dass ihr immer alles am Geschlecht festmachen müsst, meine ich."
"Stimmt doch gar nicht!" erwiderte ich und Niclas sah mich ironisch an.
"Natürlich nicht. Darum steckt eine Mutter ihr Mädchen auch immer in rosa Babyklamotten und ihren Sohn in blaue, darum bekommt das Mädchen Zöpfe und der Junge nen Kurzhaarschnitt. Das Mädchen geht tanzen, der Junge spielt Fußball. Das Mädchen trägt ein Kleid, der Junge ne Hose." Ich unterbrach Niclas Redefluss, indem ich meine Hand hob.
"Das ist doch nicht überall so." gab ich zu denken und Niclas lehnte sich im Sessel zurück.
"Aber so ist es überlicherweise, oder nicht? Ich sehe selten kleine Jungen, mit einem Kleid oder langen Haaren." Ich brummte nur.
"Das ist doch was ganz anderes."
"M-hm." machte Niclas nur und wandte sich wieder seinem Buch zu.
"Du kannst auch mit Lana reden, wenn du nicht mit mir oder Jeremie reden willst." Ohne ein weiteres Wort verließ ich Niclas Hütte.
Viel weiter helfen konnte er mir sowieso nicht. Hier draußen war die Luft schwül warm und ich fuhr mir durch die Haare. Im Licht der Sonne funkelte das Dorf gerade so.
Es war wunderschön hier.
Und durch meine und Jeremies Anwesenheit würde diese Schönheit geschädigt werden.
Schnellen Schrittes machte ich mich auf zu Lanas Hütte.
Glücklicherweise kam sie gerade heraus. Als sie mich erblickte, lächelte sie.
"Hallo, Evan. Was kann ich für dich tun?" Sie war so eine nette Frau, sie hatte es genausowenig wie alle anderen hier, wegen mir zu sterben. Das würde ich nicht zulassen.
"Ich bringe hier alle in Gefahr, vorallem da sie jetzt wissen, dass ich hier bin. Sie werden wiederkommen. Und diesmal sind sie vielleicht nicht so nett." Ich machte eine kurze Pause, um Luft zu holen.
"Ich werde das Dorf verlassen. Ob mit oder ohne Jeremie ist mir egal."

Seher - Der FluchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt