Kapitel 39

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PoV Jerom (😲)

Der Hass, welcher in Jeremies Augen aufblitzte, war nicht zu übersehen und offensichtlich wäre er mir am liebsten direkt an den Hals gesprungen, aber eine Werwölfin hielt ihn an der Schulter zurück.
"Jerom konnte hier rein kommen. Also wird er seine Gründe haben." erhob Saskia das Wort und ich nickte.
"Ich bin nicht gekommen, um Ärger zu machen." bestätigte ich und Jeremie schnaufte, während er sich von dem Wolf los riss.
"Natürlich. Es wäre ja etwas ganz neues, wenn du etwas anstellen würdest." knurrte mein Bruder und ich konnte den Schmerz in seiner Stimme hören. Aber da war noch etwas anderes.
Jeremie hatte seit über einer Woche keinen Tropfen Blut mehr gehabt und das setzte ihm deutlich zu. Er hatte tiefschwarze Augenringe, war blass und sein Blick war fast schon trüb.
"Evan lebt."
"Ich weiß, dass er lebt! Alles andere hätte ich mitbekommen!" brüllte er mich an und ich wandte den Blick ab.
"An Evan werdet ihr kaum ran kommen. Er wird besser bewacht, wie jeder andere. Sein Vater gehört auch dazu." Kurz warfen sich alle erstaunte Blicke zu. Alle hatten vermutet, dass Kai noch lebte, aber keiner hatte es genau gewusst.
"Es gibt allerdings jemanden, der gerade sehr unbewacht ist. Dummerweise." Jeremie sah immer noch so aus, als würde er vor Wut platzen, aber die anderen sahen mich interessiert an.
"Wer?" erhob eine andere Wölfin, Lana, soweit ich wusste, das Wort.
"Ria." Das Erstaunen in ihren Augen war unermesslich. Ria galt als tot.
"Das ist unmöglich. Ria wurde vor 24 Jahren ermordet!" erhob Amanda die Stimme und ich hob eine Augenbraue.
"Ich denke, mein Bruder kann meine Aussage bestätigen. Er sieht, dass ich nicht lüge."
"Nenn mich nicht deinen Bruder. Wir sind schon lange keine Brüder mehr. Du gehörst zu meinen Feinden, nicht zu meiner Familie." Das zu hören, schmerzte mehr als ich zugeben wollte, andererseits hatte ich es auch drauf angelegt.
Was sollte Jeremie auch sonst von mir denken?
"Aber er sagt die Wahrheit." setzte Jeremie noch hinten dran.
"Also sollen wir erst Ria befreien und dann Evan?" Jeremie wollte protestieren, aber in dem Moment kam eine weitere Person mit gesenkten Kopf in den Raum. Ich erkannte sofort, dass er ein Vampir war.
"Elias hat die ersten Sätze ausgewertet. Damit können wir zumindest schon mal einige Orte ausschließen. Hier."
Seine Stimme nagelte meine Füße an den Boden.
Diese Stimme war mir so vertraut.
Und als er dann auch noch den Kopf hob und ich die Farbe seiner Augen sah, blieb mir die Luft endgültig weg.
Nein. Das war nicht möglich. Das wollte ich nicht. Nicht schon wieder.
"Nicht schon wieder." seuftzte ich und vergrub mein Gesicht in einer Hand.
Solange man nicht das Blut seines Gefährten trank, bestand keine Bindung.
Diesen Satz wiederholte ich einige Male in meinem Kopf, bevor ich wieder auf sah.
Alle blickten mich verwirrt an, aber ich achtete nicht drauf, sondern sah in die Augen, die mir so schmerzhaft bekannt waren.
"Wie heißt du?" Wenigstens das wollte ich wissen. Vielleicht täuschte ich mich auch? Der Blonde sah mich genauso verwirrt an, wie alle anderen.
"Niclas." brachte er zögerlich hervor und schien auf eine Reaktion zu warten. Obwohl er verunsichert schien, sah er nicht weg, sondern hielt meinem Blick stand.
Nele, Nils, Neo, Niclas.
Alle vier blond. Alle vier den selben starken und doch sanftmütigen Charakter. Alle vier goldbraune Augen.
Und Niclas war ein Vampir. Und er lebte damit.
Jeremie zog mit einem räuspern, die Aufmerksamkeit wieder auf sich.
"Kannst du uns helfen, die beiden zu retten oder wolltest du uns nur in den Arsch kieschen?" Ich schluckte kurz und fuhr mir mit der Hand über die Stirn.
"Ich denke, dass die Vampire den Krieg gegen die Werwölfe verlieren würden. Und das würde ihnen gut tun. Ja, es würden viele Menschen dabei sterben, aber menschliche Leben interessieren mich nicht genug dafür, dass es mich stören würde. Allerdings habe ich festgestellt, dass es wichtigeres gibt, als Macht. Darum werde ich sehen, dass ihr an Ria ran kommt. Bei Evan kann ich nichts versprechen."
"Fällt dir aber früh ein." murrte Jeremie und ich verdrehte die Augen.
"Tue mir nur einen Gefallen. Lass nicht zu, dass Kai Evan tötet." Überrascht sah ich Jeremie an. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass Jeremie mich um etwas bitten würde.
"Ich werde tun, was ich kann." Mein Blick wanderte wieder zu Niclas. Wenn die ganze Situation vorbei war, würde ich nochmal in Ruhe darüber nachdenken.
Ich wollte keinen Gefährten mehr.

Seher - Der FluchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt