Kapitel 11 - Wenn das Leben verrückt spielt

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Wie jeden Morgen schlug Sylivia gegen sechs Uhr ihre Augen auf. Snape lag nicht in seinem Bett, doch das wunderte sie nicht. Bestimmt würde er gleich vom Duschen zurück sein. Oder er wäre wieder in seinem Sessel eingeschlafen. Doch dieses Mal konnte sie nicht darüber schmunzeln. Sie fühlte sich ausgelaugt und traurig, als würde irgendetwas Wichtiges fehlen. Langsam erhob sie sich und zog sich an. Heute ausnahmsweise mal ganz in schwarz. Irgendwie war ihr danach. Dann entschloss sie sich, etwas rauszugehen. Sie ging durch die noch vollkommen leeren Korridore und fand sich schließlich am Flugplatz wieder. Dort erblickte sie eine kleine Figur am Himmel, die Waghalsige Manöver flog. Sylivia beobachtete das Ganze eine Weile, bis die Person, welche sie als junge Frau identifizierte, wieder landete. Warm lächelnd kam sie auf Sylivia zu und begrüßte sie mit einem freundlichen „Guten Morgen." Sylivia nickte respektvoll, als sie Madam Hooch erkannte und erwiderte die Begrüßung. Sie lächelte sogar, doch es erreichte ihre Augen nicht. „Ist alles in Ordnung?", fragte Madam Hooch nun etwas besorgt. Ratlos zuckte Sylivia die Schultern. Sie wusste nicht, warum aber das Gefühl war weg. Es war ein wenig, als würde sie durch die junge Fluglehrerin durchsehen und sie gar nicht richtig wahrnehmen. Vorsichtig legte Madam Hooch nun ihren Besen zur Seite und nahm die kleinere Hexe in den Arm. Diese kämpfte schon mit den Tränen, also stieß sie Madam Hooch von sich und rannte ins Schloss zurück. Die Blonde Hexe sah ihr etwas verletzt und verwundert hinterher. Sie würde später noch einmal nach ihr sehen, denn etwas sagte ihr ganz gewiss, das hier was nicht stimmte.

Erschöpft ließ Sylivia sich auf ihr Bett fallen. Tränen benetzten ihre Wangen, doch es war ihr egal. Sie wusste nicht einmal, warum sie weinte. Er hatte ihr nichts getan, sie zu nichts gezwungen. Es war ganz alleine ihre Entscheidung gewesen. Aber es schmerzte. Sie fühlte sich wie eine leere Hülle. Erst jetzt wurde es ihr klar, wie sehr er sie die ganze Zeit ausgefüllt hatte. Jetzt wo er weg war, wurde ihr einmal mehr schmerzlich ihre Vergangenheit bewusst. Die Demütigung, die grauen Wände, die Elektroschocks. Verzweifelt versuchte Sylivia sich zu beruhigen, doch es gelang ihr nicht. Vorsichtig klopfte Madam Hooch an die Tür. Sylivia antwortete nicht. Snape konnte auch so rein kommen. Es kümmerte sie nicht mehr. Vorsichtig öffnete die junge Fluglehrerin die Tür und sah erschrocken auf das zusammengesunkene Bündel, dass schluchzend auf Sylivias Bett lag. Nach kurzem Zögern setzte sie sich zu der kleinen Hexe. „Geh weg, Severus", murmelte sie so leise, dass Madam Hooch es fast nicht verstanden hätte. „Ich heiße nicht Severus", sagte sie nur mit einem warmen Lächeln auf den Lippen. Überrascht sah Sylivia auf und bemühte sich, die Tränen von ihren roten Wangen zu streichen. „Nennen Sie mich Rolanda.", sagte sie, während sie Sylivias Hand sanft aber bestimmt daran hinderte, den Lauf der Tränen zu unterbrechen. Ihre Finger waren lang und dünn und ihre Haut schmiegte sich an die von Sylivia. Es war nur eine kleine Geste, doch die gezeigte Zuneigung half Sylivia, sich zu beruhigen. „Was haben Sie auf der Seele, Sylivia?", fragte Rolanda, als Sylivia sich halbwegs beruhigt hatte. Sylivia sah sie unsicher an und begann zu erzählen. Mit der Zeit wurde sie sicherer. Sie schilderte, wie ihre Mutter starb, ihr Vater sie schließlich für verrückt hielt und deshalb in die geschlossene Psychiatrie schicken ließ. Auch von ihrer Flucht erzählte sie noch, dann versagte ihre Stimme und die Tränen gewannen wieder Oberhand. „Ich finde, Sie sollten sich mal einen Tag frei nehmen und mit Dumbledore sprechen.", schlug Madam Hooch vor. Sylivia schüttelte den Kopf. Sie konnte und wollte sich nicht offenbaren. Letzten Endes würde sie doch gefeuert werden. Sie wischte sich die Tränen weg, stand auf und legte demonstrativ ihren Umhang um. Dann sprach sie einen einfachen Zauber, um zu verstecken, dass sie geweint hatte, und verließ den Schlafsaal. Die Fluglehrerin folgte ihr kopfschüttelnd.

In der großen Halle fanden sie das übliche geschäftige Frühstückstreiben vor. Mit zwei Abweichungen. Snape saß nicht auf seinem Platz und Michael stocherte lustlos in seinem Essen herum. Nicht einmal den Kaffee hatte er angerührt, obwohl tiefe Augenringe sein Gesicht zeichneten. Sie waren nicht nur dem Schlafmangel zuzuschreiben, sondern auch der Sorge um seinen besten Freund, in den er sich auch gleichzeitig verliebt hatte. Dumbledore hatte zwar nicht erwähnt, dass Snapes Zeit begrenzt war, doch das brauchte er auch nicht. Michael hatte es schon längst gesehen. Er ballte die Faust so fest, dass sich seine Nägel in den Handballen rammten und das Blut an seinem Handgelenk runterfloss. Schnell heilte er die Wunde und leckte das restliche Blut unauffällig von seinem Arm. Dann kippte er den Kaffee in einem Zug runter und setzte sein Lächeln auf. Seit jeher hatte es geklappt. Niemand hatte seine Fassade je durchschaut. Sylivia setzte sich neben ihn. Auch sie lächelte. „Guten Morgen, Michael.", begrüßte sie den Zauberer freundlich. „Morgen.", murmelte er, während er sich die zweite Tasse Kaffee eingoss. Eigentlich war er hellwach, aber es würde auffallen, wenn er nicht wenigstens seine Standarddosis an Kaffee trank. „Wo ist Severus?", fragte die blonde Hexe verwundert. Michaels Gesichtszüge verhärteten sich augenblicklich, doch er zwang sich, weiter zu lächeln. „Er musste wegen einer Erkältung im Bett bleiben.", log Michael schnell. „Tatsächlich?", fragte Sylivia skeptisch, „Ich hatte den Professor nicht als jemanden eingeschätzt, der schon bei einer Erkältung schlapp macht. Dann werde ich wohl später mal nach ihm sehen." „Nein, das geht nicht.", sagte Michael schnell, „Er ist sehr geschwächt und braucht seine Ruhe." Bei diesen Worten blitzte Sorge in seinen Augen. „Sie belügen mich", sagte Sylivia. Überrascht sah Michael sie an. In ihrer Stimme schwang kein Stück Verachtung oder ähnliches mit. Sie sprach es aus, wie eine Feststellung. Uns zum ersten Mal hatte Michael keinen Plan, wie er darauf reagieren sollte. „Ja.", sagte er stattdessen, bevor er es selbst richtig realisiert hatte. Dann schüttelte den Kopf und ging verwirrt in Richtung Klassenraum. Auch Sylivia machte sich auf den Weg zu ihrem Klassenraum. Tatsächlich wurde Snapes Unterricht kurzfristig vertreten.

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