11. Kapitel

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Meine Starre verschwindet langsam. Zu mindestens kommt es mir so vor.
,,Wie hällst du das aus? Ich meine die Schmerzen? Ich hätte nicht gedacht, dass du es so schnell schaffst zu lernen mit Schmerzen umzugehen." Frage ich ihn, denn ich bin mir unsicher was wir jetzt machen.
,,Ist halt einfach so. Bevor wir uns kannten war mein Leben auch nicht unbedingt einfach." Sagt er mit seiner kalten Stimme.
,,Wohin fährst du?" Ich hab fast mein ganzes Leben in diesem Haus gelebt. Ich wurde fast durchgehend gefoltert. Wie lebe ich denn jetzt? Ist es überhaupt noch ein Leben?
,,Ich hole uns aus dieser Gegend raus. Wir können nicht länger an diesem Ort bleiben. Meine Familie hat ein Ferienhaus am Meer. Aber wohin sind die Männer eigentlich verschwunden?"
,,Ich glaube ich habe ihnen gesagt, sie dürfen zu ihren Familien, er ist tot."
Die nächste Zeit ist Stille, bis ich sie wegen einer Frage durchbreche.
,,Warum hast du mich nicht zurück gelassen und bist alleine mit dem Auto weggefahren? Das letzte Mal wärst du sofort von mir weg gerannt, wenn deine Familie nicht bei uns gewesen wäre." Ich liege hinten auf der Rückbank. Bin nicht angeschnallt, aber er kann komischerweise ausgesprochen gut fahren. Er ist ja eigentlich noch nicht 18. erst in einer Woche. Wahrscheinlich hat er seine Prüfung aber schon abgeschlossen und dennoch ist es zu gut dafür. Ich glaube er antwortet mir nicht. Hat er meine Frage überhaupt gehört oder habe ich die Frage überhaupt ausgesprochen? Doch das habe ich sicherlich. Ich würde echt gerne seine Antwort darauf hören. Weil ich würde sicherlich noch mal jemanden umbringen. Wie soll es denn sonst funktionieren nach den vielen Jahren töten. Ich habe ja gefallen daran gefunden. Aber er hasst es doch anscheinend. Aber endlich bin ich frei von meinem Vorgesetzten. Also sollte ich eigentlich mit allem zufrieden sein. Deshalb schaue ich jetzt an die Autodecke und stelle mir vor wie es so sein könnte frei zu sein...Will ich jedoch überhaupt frei sein?

Ich spüre ein Rütteln, aber ein sanftes Rütteln, irgendetwas bewegt mich. Langsam flattern meine Augenlider auf. Mein Schlaf war wunderschön entspannend. So hab ich die letzte Woche nicht geschlafen. Meine Augen erblicken ein Gesicht, welches sich direkt über mich gebeugt hat. Es ist Kyles Gesicht. Er hat die Auto Tür aufgemacht und kann sich somit auch echt gut von draußen über mich lehnen. Seine Augen sind aber so komisch. Irgendetwas ist anders an ihnen, anders als andere Augen. Irgendein Gefühl lösen sie aus? Er sagt ganz sanft:
,,Wir sind da. Ich hab unsere paar Sachen schon reingebracht. Willst du vielleicht auch mit rein?" Warum ist er so nett? War er vor paar Minuten nicht noch total kalt. Ich hab schon lange keinen so mit mir reden hören. Sollte er mich nicht hassen, für das was ich getan habe? Oder sind normale Menschen doch anders? Aber im Moment stehe ich einfach auf und klettere aus dem Auto heraus. Er macht die Autotür hinter mir zu und geht voraus zum kleinen Häuschen. Als ich mich aber umschaue erstarre ich fast, so was habe ich noch nie in meinem Leben gesehen. Zwar war ich generell noch nie am Meer. Ich hätte es mir aber nie so schön vorgestellt.
,,Jetzt komm schon rein, all das wirst du noch oft genug sehen." Mein Blick wandert zu ihm. Er nimmt einfach mein Handgelenk und zieht mich mit rein. Aber ich glaube ich habe ein minimales Lächeln in seinen Augen gesehen, was ich mir aber vielleicht auch nur ausgedacht habe. Er humpelt. Mich verwundert aber mehr warum er nur humpelt. Also ich musste mir über die Jahre ja angewöhnen all das zu verstecken. Auch wenn mich Schmerzen immer noch quälen. Hat er etwa diese eine bestimmte Creme benutzt? Das würde einiges erklären. Vor allem warum er nicht schreiend herumläuft. Aber vielleicht hätte mir das ja gefallen. Vor allem nachdem er mich davon aufgehalten hat SIE zu töten. Ich weiß wieder was passiert ist. Wahrscheinlich hatte er kein Problem damit, dass SIE meine Familie getötet hat. SIE ist mit 20 Männern bei uns angerückt, hat mich zu schauen lassen, wie sie meine Eltern foltert. Meine Eltern waren so stark. Sie haben alles ausgehalten. Aber wie konnte das möglich sein? Daran hatte ich bis jetzt nicht gedacht. Warum und wie vor allem waren meine Eltern so stark? Sie haben immer gesagt alles wird gut und dass ich die Hoffnung nicht verlieren darf. Sie sagten wir sehen uns wieder... Aber dann hat SIE, seine Mutter, meine Eltern getötet! Mit genau so vielen Stichen wie mein Name an Buchstaben hat. SIE hat gesagt, dass meine Eltern wegen mir sterben müssen! Ich war gerade dabei meinen Fuß zu heben, als ich beschloss es doch sein zu lassen. Ich versteifte mich. Er hatte mich aus all dem rausgeholt, aber er hat ihr auch erlaubt weiter zu leben. Das ist nicht gerecht! Ich versuche mein wahres Ich zu unterdrücken, aber es schlägt immer wieder aus. So viele Jahre haben es mich vergessen lassen. Aber dieses eine Ereignis dort unten hat mir mein ganzes Leid gezeigt und ich realisiere es erst jetzt... Es trifft mich. Da passiert es. Es bricht wieder aus...
,,Wie konntest du es wagen! Es war gerechtfertigt, dass sie stirbt! Du bist ein schlimmeres Monster als ich. Du hast nämlich eins in die Welt losgelassen!" Schreie kommen aus meinem Mund. Ich schubse ihn um. Versuche mit meiner Faust sein Gesicht zu treffen, schlage stattdessen aber nur neben ihn in die Wand. Mein eigenes Gesicht verzieht sich deshalb total. Diese Change nutzt er um mich an die Wand zu drücken und hält mit seinen Händen meine Arme nach oben. Wenn es nicht wir beide wären, die hier ständen, könnte man denken die zwei Personen machen gleich miteinander rum. Aber er hat SIE am Leben gelassen und somit sein Einverständnis gegeben, dass sie meine Familie getötet hat. Deshalb trete ich ihm einmal gewaltig unten rein. Er sackt zusammen. Ich glaube ich sehe sogar Tränen.
,,Denkst du das ist Schmerz?! Nein! Was denkst du wohl hat sie erfahren sollen!? Eigentlich solltet ihr beide schon längst tot sein! Du bist damit einverstanden, dass diese Frau, deine verdammte Mutter, ein kleines Kind zuschauen lässt, wie sie die Eltern tötet und foltert und was es sonst noch gibt. Das hast du Gestern gezeigt!"

Ich trete ihm noch einmal gewaltig in den Magen. Er hat eindeutig Pech, dass ich jahrelanges Training habe. Ich gehe so gut es mir möglich ist an ihm vorbei ohne ihn eines Blickes zu würdigen. Gehe um die Ecke, schlage mit aller Wucht einmal in die Wand und sinke halb tot auf den Boden an der Wand herunter. Die Trauer überrollt mich. So viele Jahre habe ich das mit meiner Familie verdrängt. Ich hatte es fast vergessen. Er hat es mich vergessen lassen. So als wäre ich gleich bei meinem toten Vorgesetzten aufgewachsen. Ich wusste nichts mehr von ihnen bis zum heutigen Tag. Ich hatte meine ganze Trauer in das Monster verwandelt, doch jetzt... verwandelt es sich wieder zurück. Ich will es aber nicht! Immer mehr Erlebnisse wandern von früher in meinem Kopf ein. Ich höre ihre Stimmen. Sie sagen mir wie sehr sie mich lieben. Ich schreie immer mehr um mich herum. Wenn der nächste Nachbar nicht soweit entfernt wohnen würde, wäre die Polizei schon längst da. Tränen rinnen mir an meinen Wangen herunter. Wie kleine Schnitte...Eine Pfütze bildet sich um mich. Noch nie habe ich eine Trauer so dermaßen erlebt. Diese Stimmen wollen einfach nicht aufhören. Sie sagen ich bin schuld und andere sagen sie lieben mich und die daneben sagen ich muss andere leiden lassen, damit sie glücklich sind.
,,Ahhhhh..." Ich erhalle jeden einzelnen Raum mit diesem einen Schrei...
Dieser eine Virus hat er mir eingepflanzt. Mein Leben. Alles was er mir genommen hat, gibt er mir wieder. Seine Strafe für mich, wenn ich gehe. Das war es was er mir als Kind eingeredet hat. Deshalb bin ich immer wieder bei ihm gelandet. Er hat mich vor mir selbst beschützt. Vor meinem Leben. Meine Fingernägel bohren sich in meine Beine ein. Solange bis Blut fließt. Aber meine Hoffnung den Schmerz in meinen Beinen zu spüren vergeht. Der Schmerz in meinem Kopf kann nicht vergehen.
Die Pfütze aus Blut und Tränen weitet sich aus...

My cold insideWo Geschichten leben. Entdecke jetzt