12. Kapitel

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Ich konnte nicht schlafen...Ich bin immer wieder aufgewacht. Egal wie sehr ich hoffe, dass meine Ängste schwinden, nehmen sie mich noch mehr ein. Ich bin aufgestanden. Aus dem Haus gegangen und renne gerade barfuß durch die Straßen. Der Boden fühlt sich kalt und stachelig an, jedoch hält mich meine Jacke warm. Ich jogge bestimmt schon seit ein oder zwei Stunden durch die Gegend. Ich weiß nicht wie ich mit allem klar kommen kann. Weil eigentlich hab ich es Jahre lang geschafft, aber jetzt ging es wieder nicht mehr nur um mich. Außerdem ist es jetzt zu Ende, auch wenn ich es nicht unbedingt will. Das bedeutet ich muss mein ganzes Leben verarbeiten und auch wenn ich weiß was gut und schlecht ist für alle andere, ist es für mich einfach komplett anders. Warum sollte ich denn auch auf die anderen achten. Ich will es so behalten, ich will es nicht als schlecht ansehen was mir passiert ist, dadurch bin ich immer stärker geworden und konnte immer mehr Schmerzen aushalten und jetzt fühle ich kaum noch welche. Es ist eigentlich echt fantastisch. Nur mein Kopf stört mich, er gaukelt mir viel zu oft etwas vor. Natürlich ist Kyle da auch gewesen und er hat vielleicht auch vieles so erlebt wie ich, aber er weiß nicht ansatzweise wie es sich anfühlen kann. Es ist etwas was man einfach nicht in Worte fassen könnte... Für ihn war das ja nichts. Ich will wieder Schmerzen fühlen, sie haben mich vom Denken angehalten. Ich sehne mich nach ihnen. Sie waren schön, haben mir gezeigt was es bedeutet zu leben, dass ich noch in mir stecke. Dass ich mich dagegen wehren kann. Jedoch bei meinem Kopf geht nichts. Aber jetzt lassen mich meine Gedanken nicht mehr alleine, sie nehmen mich ein und zerren an mir. Meine Füße fühlen sich immer tauber an durch die holprigen Straßen, aber der Schmerz will nicht kommen. Genau das nach was ich mich sehne werde ich nicht haben. Ich renne weiter. Die Zeit verschwindet. Immer weiter. Es wird immer wärmer um mich herum. Die Sonne erscheint langsam am Horizont. Sie strahlt so viele Farben aus und lässt den Himmel verzaubern. Es fühlt sich an, als würde ich auf den Horizont zu rennen. Meine Jacke binde ich mir ohne anzuhalten um die Hüfte. Mittlerweile jogge ich auch nicht mehr auf einer Straße, sondern auf Feldwegen. Eine Zeit lang wusste ich nicht mehr wo ich bin. Eigentlich weiß ich es immer noch nicht, außer dass ich mittlerweile in einem Wald bin. Langsam bleibe ich stehen oder verringere mein Tempo. Ich falle hin. Falle auf meine Knie. Meine Hände berühren den kalten, steinigen und scharfen Boden. Meine Knie werden durchbohrt von den kleinen spitzen Steinen. Doch ich spüre nichts. Hier ist niemand weit und breit. Nur ein paar zwitschernde Vögel. Doch diese blende ich aus. Sie sind mir zu fröhlich. Meine Augen schauen auf den Boden. Sie können ihn nicht scharf erkennen. Und es wird immer verschwommener. Ich verstehe nicht was los ist, doch dann berühre ich mit meiner Hand meine Wange...das ist schon lange nicht mehr passiert...Ich wusste nicht dass es möglich wäre. Aber meine Wangen sind nass...ich weiß nicht was ich tun soll? Weinen? Ich darf nicht weinen. Aber keiner ist hier. Niemand würde mich sehen. Niemand könnte es herausfinden. Ich würde nicht bestraft werden dafür. Aber es ist unheimlich. Es macht mir Angst...ich bin verletzbar. Das war ich nicht. Warum bin ich es jetzt. Aber es ist vorbei. Alles ist vorbei. Mir passiert nichts mehr. Es wird nicht mehr weiter gehen. Vielleicht bin ich deshalb verletzlich, weil ich weiß, dass es zu Ende ist. Ich kann mich nicht erinnern es schon ein Mal erlebt zu haben. Ich liege fast schon auf dem Boden. Es fühlt sich an, als würde ich eine Pfütze unter mir bilden. Meine Schienbeine und Unterarme liegen in den Steinen. In meinen Hände habe ich mein Gesicht hineingelegt. Ich weine weiter...die Tränen rollen immer weiter hinunter. Es werden immer mehr. Und plötzlich immer weniger. Es hört auf.

Ich liege da. Starr. Meine Augen schauen hoch in den Himmel...

Ich muss wieder zurück. Ich darf nicht die ganze Zeit nutzen, welche mir geschenkt wurde. Ich setze mich wieder auf. Die Steine, welche sich in meine Beine hinein gegraben haben, schüttel ich ab. Ich weiß nicht wo ich bin und ich kenne auch den weiteren Weg nicht. Auch davor kannte ich ihn nicht. Den ganzen Weg muss ich somit wieder zurück laufen. Zurück joggen. Dann hab ich es in zwei Stunden geschafft. Ich fange an. Einen Schritt nach dem anderen. Es fühlt sich leichter an als zuvor. Aber was Tränen alles bewirken. Es ist nur Wasser, das aus unserem Körper heraus fließt und trotzdem setzt es so viele Hormone und neue Gehirnverbindungen frei. Es ist viel einfacher zurück zu joggen. Ob es jetzt daran lag, was gerade passiert ist, weiß ich nicht. Das Joggen hilft mir das meiste wieder auszublenden und mich zusammen zu reißen.

My cold insideWo Geschichten leben. Entdecke jetzt