6. Kapitel

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Octavias Sicht
,,Octavia?" Kyle steht vor mir und schaut mir in meine Augen.
,,Was?" Bringe ich leise hervor.
,,Ich wollte wissen, ob du aufstehen willst?" Er reicht mir seine Hand und ich nehme sie vorsichtig und versuche aufzustehen. Doch ich spüre meine Füße nicht. Ich kann nicht aufstehen. Ich hab nicht gemerkt, wie auch meine Fesseln gelöst wurden. Ich denke dafür bin ich zu erfroren. Plötzlich merke ich unter mir zwei Arme, ich werde hoch gehoben. Es schmerzt alles. Jede Faser meines Körpers ist tot und brennt dennoch. Wie ein Feuer, das mich am lebendigen Leib verzerrt. Er trägt mich weg. Warum lässt er mich nicht einfach dort liegen? In einer Ecke bleibt er stehen und lässt mich runter. Nur kurze Momente bekomme ich mit und in anderen Sekunden bin ich weg. Er wickelt mich in seine Jacke ein, nachdem er mir seinen Pulli übergezogen hat. Jede kleine Bewegung fügt mir immer mehr Schmerzen zu. Ich verliere immer mehr Blut, langsam merke ich wie schwer es ist. Sowohl von außen wie auch von innen fließt Blut aus mir. Mein Körper will nicht mehr. Es sind zu starke Schmerzen. Kyle hat sich neben mich gesetzt und nun liege ich auf seinem Schoß. Sterbe ich wenn ich jetzt einschlafe? Es wäre gut, doch was ist mit ihm, er kommt hier alleine nicht heraus...
,,Du weißt das ich deinen Pulli und deine Jacke voll bluten werde. Willst du nicht wenigstens deine Jacke zurück."
,,Nein. Du hast schon Frostbeulen. Du brauchst sie." Er nimmt mich und zieht mich auf seinen Schoß in seine Arme, damit wir uns gegenseitig wärmen, obwohl ich die ganze Wärme aus ihm herausziehe. Seine Jacke ist groß, sie geht mir fast über meine Knie. Ich spüre die Wärme, sie ist schön und gleichzeitig schmerzhaft. Ich spüre wie das Blut immer noch unter meinem oder eigentlich seinem Pulli hinunter läuft. Eine Gänsehaut erfüllt mich. Nun umschlingen Kyles Arme mich ein weiteres Stück.
,,Es tut mir leid, ich wusste nicht, dass er dir so etwas antut...es tut mir leid, dass ich all das gesagt habe...ich würde auch töten, wenn ich so etwas entkommen könnte."
,,Sag das nicht. Du darfst nie jemanden töten, egal was dich erwartet. Du wirst nie wieder der, der du einmal warst." Mit offenen Augen starre ich ihn eine Weile an.
,,Wie geht es weiter?"
,,Er hält uns gefangen, er lässt uns die nächsten drei Tage hungern, jeden Tag bekommen wir vielleicht ein Glas Wasser. Mehr nicht. Vielleicht will er auch zusehen, wie wir verdursten. In einem Schrank gibt es eine Creme, welche man einmal auf eine Wunde schmieren kann und dann heilt oder besser gesagt verkrustet sie innerhalb 10 Stunden, dadurch entstehen keine Narben..." Kyle schiebt mich vorsichtig auf die Seite und springt dann auf.
,,Warum hast du das nicht vorher gesagt! Welcher dieser Schränke?" Er zeigt mit seinem Finger auf die mit Schränken besetzte Wand.
,,Weil ich ohne dieses Mittel aus kommen würde. Vierter Schrank von Links." Meine Stimme ist immer noch schwach und leise, doch er hat natürlich alles gehört und rennt los. Innerhalb einer halben Minute sitzt er wieder neben mir. Er hat meinen Kopf auf seinen Schoß gelegt und streicht leicht über meine Wunden. Ich kannte noch nie jemanden, der so zärtlich zu mir war. Der sich ansatzweise um mich gekümmert hat, wie er. Außer damals, vor langer Zeit...
,,Vielleicht würdest du ohne dieses Mittel auskommen, doch ich möchte nicht in dein schmerzvolles Gesicht blicken oder dich doch sterben sehen neben mir." Mein Blick kann doch in keinster Weise so schmerzvoll sein wie er denkt. Ich hebe mein Blick zu ihm und schaue in seine Augen, es wirkt so als würde er schon die ganze Zeit in meine schauen. Seine Augen leuchten. Auch wenn das Licht hier nur leicht schimmert, erkenne ich jede einzelne Faser seiner Augen und auch seines Gesichts. Seine Augen strahlen in einem wunderbaren Blau-Grün. Ich fühle seine Finger auf meiner Wange. Er streicht über einen Schnitt. Auch wenn die Schmerzen mich nicht vollkommen in Ruhe lassen füllt es sich gut an. Eine Gänsehaut erfüllt mich und ein leichtes Lächeln bildet sich auf seinem Gesicht.
,,Wer hat denn gesagt, dass er es nicht braucht?"
,,Ich brauche es nicht, warum auch. Aber du musst wissen dir wird das gleiche passieren und dir wird es schlimmer ergehen. Sei froh, wenn du während dessen stirbst." Bei den letzten Sätzen werde ich kalt und aus seinem Gesicht verschwindet das Lächeln. Er schluckt einmal.
,,Du wirst leiden, mehr als ich es jemals getan habe. Denn ich wurde trainiert, Du nicht! Die ersten Male wird er dir ein Mittel geben, damit du nicht bewusstlos wirst. Wenn du Glück hast. Irgendwann lässt er es weg, doch dann bist du kurz davor alles auszuhalten. Er wird dein Körper mit Narben übersehen. Das erste Mal ist das schlimmste. Du wirst dich eine Woche nicht bewegen können. Du wirst eine Woche durchgehend schreien und sterben wollen, okey das mit dem Sterbenwollen hört nie auf..." Kyle öffnet schließlich auch seinen Mund und unterbricht mich.
,,Aber warum hast du Nichts dagegen unternommen? Du hättest doch abhauen können."
,,Wie kannst du sowas denken. Ich habe alles getan was man kann. Ich wollte ihn vier Mal töten, bin 11 Mal abgehauen und war 3 Mal bei der Polizei in drei unterschiedlichen Städten und alles was ich sonst getan habe hat auch nichts gebracht. Und rate mal was er jedes Mal getan hat nach meinen Versuchen. Du wirst kurz davor sein zu sterben. Du wirst auf die härteste Weise gefoltert die es gibt. Außer wir sind stärker. Aber wie ist das möglich..."
,,Darf ich?" Er will meine Jacke öffnen und den Pulli hoch schieben oder vielleicht ganz ausziehen. Es scheint, als würde er mir keines Wegs zuhören. Er streicht immer noch diese Salbe auf meine Wunden. Eigentlich will ich diese Salbe nicht. Ich weiß, dass nur der Schmerz mich stärker werden lässt und er verhindert genau das und trotzdem nicke ich. Er öffnet die Jacke und die kalte Luft hüllt mich ein. Er zieht mir den Pulli auch komplett aus, jetzt liege ich wieder nackt auf seinem Schoß, nur die Jacke ist unter mir. Ein Schauer durchfährt mich, denn die Kälte dringt wieder durch meine Wunden und um so kälter ich werde um so heißer ist das Blut, dass an mir herunter fließt. Und mittlerweile brennt es. Ich liege da schaue an die Decke an der ich ab und zu einen Blutfleck finde. Plötzlich erscheinen Bilder im meinem Kopf, Bilder, die ich vergessen wollte, Bilder, die Vergangenheit sind, Bilder, die er irgendwann auch haben wird. Er wird stärker sein müssen als ich. Sein Finger berührt meinen Bauch. Er macht eine kleine Bewegung nach Links, ganz vorsichtig. Aber trotzdem nicht vorsichtig genug. Ich balle meine Hände zu Fäusten und wünschte ich wäre bewusstlos oder vielleicht sogar tot. Es schmerzt einfach nur zu sehr. Eine Träne verlässt doch noch mein eines Auge und dann kann ich nicht einfach, als sie zu schließen.

Kyles Sicht
Meine Finger gleiten über ihren Bauch. Die Creme wird immer rötlicher. Das Blut. Es hört nicht auf. Doch ich kann sehen, wie die Wunden sich nach der Creme langsam verschließen, deshalb mach ich weiter, auch wenn ich merke, dass sie es hasst, dass ich ihr wehtue und alles auch nur sehr sehr langsam verheilen wird. Aber ihr geht es danach besser. Ich setze meinen Finger in der Nähe von ihrem Bauchnabel auf und versuche vorsichtig mit meinem Finger über die Wunde nach oben zu gleiten. Ich merke die Gänsehaut die sich bei ihr bildet und das lässt mir ein kleines Lächeln ins Gesicht zaubern. Ich blicke ihr während dessen die ganze Zeit in ihre Augen. Sie sind wunderschön, einmalig. Mein Blick gleitet runter zu ihren Lippen. Blau, Lila und frostig sind sie geworden. Ihr ganzes Gesicht ist fast eingefrohren. Ihre Augen schließen sich. Ich versuche immer schneller ihre Wunden einzucremen, ihr jedoch währenddessen keine weiteren Schäden und Schmerzen zu bereiten, damit ich ihr wieder etwas überziehen kann und ihr wärmer wird. Ihre Augen flattern immer mehr, mal sind sie für ein paar Momente zu, und dann für eine Sekunde offen und schon flattern sie wieder. Sie scheint nicht mehr vollkommen hier zu sein.
,,Octavia?...Octavia?"
,,Ja?"
,,Dir geht es gut oder?"
,,Ich denke nicht, oder wie fühlst du dich in so einer Situation. Mir ist nur etwas schwindelig, aber ich werde es überleben." Gibt sie leise, kaum hörbar, von sich. Das letzte Mal streicht mein Finger über ihren Oberkörper, dann ziehe ich mir mein Oberteil aus und helfe ihr dabei es anzuziehen. Nun habe ich kein Oberteil mehr an und spüre wie die kalte frostige Luft an meinem Körper klopft. Doch der Pulli muss ausgedrückt werden vom Blut. Ihre Arme kühlen langsam auch ab. Nur ihr Oberkörper enthält noch etwas mehr Wärme. Ich drücke sie leicht an mich, damit das Blut ihrer Arme nicht zu schnell zu ihrem Herzen fließt, denn falls dies passiert stirbt sie. Doch auch so verliert sie immer mehr ihr Bewusstsein. Ich creme nun auch die Wunden ihrer Beine ein. Mein Finger gleitet über ihre wunderschöne glatte und weiche Haut. Schließlich sind alle Wunden eingecremt und ich sehe keine offene Wunde aus der Blut strömen könnte und doch verliert sie immer mehr Blut. Die Pfütze unter uns breitet sich aus. Doch von wo kommt das Blut?? Ihr Kopf gleitet langsam, dennoch ruckartig nach hinten. Sie ist Bewusstlos! Hoffentlich wacht sie wieder auf.

My cold insideWo Geschichten leben. Entdecke jetzt