Adam war tatsächlich ein Gentleman gewesen und sein Versprechen gehalten. Nun ja, zumindest halb.
Er hielt nicht Lina die Haare, sondern Marisa. Aber wie es dazu kam ist eine ganz andere Geschichte.Wichtig ist nur, dass Marisa sich aus Gründen, die sich eben aus besagter Geschichte ergeben, eben am anderen Tag außer Stande sah, etwas mit ihrer besten Freundin zu unternehmen und sie deshalb mit Adam an den Strand schickte. So kam es, dass die beiden jungen Menschen an einem recht schönen Sommertag am Strand spazierten.
Lina liebte lange Spaziergänge und das Wandern. Sie hasste allerdings die Stille wenn sie dies alleine tat, da war es in ihrem Kopf immer so laut. Aber dafür hatte sie ja Adam, der konnte nämlich seine Klappe keine zwei Sekunden halten und hätte mit seinem Mundwerk auch durchaus Friseur werden können.
"Was machst du eigentlich?"
"Äh, wiebittewasentschuldigung?" glaube Lina zu hören. So ganz entziffern konnte man das schnelle Gebrabbel des blonden Jungen nämlich nicht immer. Adam war stehen geblieben und ließ sich jetzt das Wasser um die Knöcheln spülen, während er Lina anstarrte, als wäre sie von einem anderen Planeten. Er hatte ihr gerade erzählt, wie Mathias damals in der Schule dieses eine Mädchen toll gefunden hatte, sich aber nicht getraut hatte sie anzusprechen und deshalb-
"Adam?" Lina fuchtelte wild mit ihrer Hand vor dem Gesicht ihres Begleiters rum.
"Äh ja sorry...ich hatte dir gerade erzählt, dass-"
"Ach das mein ich gar nicht!" Lina winkte ab, drehte sich um, schob sich die Sonnenbrille auf der Nase zurecht, das glatte Haar von der Schulter und schritt von Dannen. "Ich meine was du jetzt so machst. Nach der Schule." rief sie über die Schulter, quasi als Aufforderung, dass er ihr doch bitte Folgen sollte.
"Bundeswehr."
"Zivil?"
"Nene, schon Soldat. Auf Zeit. Die nächsten 12 Jahre gehöre ich ganz Uschi."
"Cool, cool."
Ihre Unterhaltung glich dem Meer, an dessen Strand die beiden spazierten. Sie kam in Wellen, zog sich zurück, brach erneut aus. Die Themen die sie behandelten waren ganz unterschiedlich und durchzogen verschieben Gebiete. Adams Motivation für die Bundeswehr, warum Lina noch keinen Plan hatte, was sie nach dem Abi machen wollte, wie unpraktisch die neuen Bilder auf den Zigarettenpackungen waren, das die Gummibärenbande auf jeden Fall besser war als die Glücksbärchis und das die EU nicht mehr das war, was sie eigentlich sein sollte, waren allerdings ihre Hauptpunkte.
Sie wanderten den Strand immer wieder rauf und runter, immer wieder die gleiche Stecke aber immer unterschiedliche Themen.
"Ich hasse Kinder." grab Lina dann grunzend zu, als sie jetzt schon der zweite Fußball ohne Entschuldigung traf. Sie waren so lange unterwegs, dass sich mittlerweile ein Kindergeburtstag am Strand nieder gelassen hatte. Vielleicht war es auch der Mini-Club eines ansässigen Hotels, denn immerhin hatten sie eine Hüpfburg aufgebaut und das ging ja schließlich nicht einfach so. Ohne Genehmigung und alles, oder? Das war schon wieder viel zu viel Bürokratie für Linas Kopf, es erinnerte sie lediglich nur an all den Erwachsenenkram den sie nicht verstand und mit dem sie wahrscheinlich nie klar kommen würde. Steuern, Verträge, auf sich allein gestellt zu sein.
"Ach sag sowas nicht." Adam hielt sie an der Schulter fest, damit sie ebenfalls stehen blieb und zeigte Richtung Hüpfburg. "Irgendwann wirst du auch Kinder haben und alles toll finden müssen, was sie machen."
"Ich werde keine Kinder haben." Doch bevor Lina nach der kryptischen Aussage wieder in ihr Gedankenschloss verschwinden konnte, in dem es eine schwarze Spiralenrutsche gab, die sie immer weiter in die Tiefen ihres Charakters sog, schnappte Adam sie sich einfach am Handgelenk.
"Das zeugt definitiv von einer verpassten Kindheit, das müssen wir aufholen!" Damit stolperten die beiden erwachsenen Kinder durch den Sand, der es durchaus unangenehm machte zu laufen, direkt auf das aufgeblasene Ungetüm zu.
"Was hast du vor?"
"Na, du wolltest doch Leben." zitierte Adam in dem er lachte und Lina auf die Burg stieß um dann hinterherzuspringen.
"Ach du kacke." kreischte Line und flüchtete vor ihm, damit er nicht auf ihr landete.
Ihr kleines Nachlaufabenteuer endete in vielen schreienden Kindern und zwei Männern vom Hoteleigenen Wachdienst, die die verscheuchten. Obwohl sie in dem Sinne keine Straftat begannen hatten, flüchteten sie vor den beiden, als wären sie Bonnie und Clyde die gerade vor der Polizei davonrannten.
Lina hatte schon lange nicht mehr so herzlich gelacht.

DU LIEST GERADE
Lina geht #Goldenbookawards2018
Historia CortaLina will nicht mehr, sie hat einfach keine Lust mehr, also beschließt sie zu gehen. Ob Adam das ändern kann? >> Es geht nicht darum, dass Leben zu zelebrieren und die schönen Seiten kennen zu lernen, es geht darum sich zu verabschieden. <...