Kapitel 4

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Für Marie war die Zeit stehen geblieben.

Tiefes Knurren erfüllt die Luft des Hofes.

Schlagartig stoben die Wölfe auseinander und Marie lief es heiß-kalt den Rücken hinunter.

Langsam erhob sich der schwarze Wolf und starrte sie mit seinen tiefblauen Augen an. Jeden Schritt bedächtig setzend kam er näher, ließ Marie nicht aus dem Blick.

Kaum konnte sich die Prinzessin rühren, stolperte jedoch reflexartig einen Schritt zurück.

Es war still geworden. All die anderen Wölfe und auch die Soldaten hatten ihren Blick auf das Geschehen gerichtet, wollten es mit keinem Wort stören.

Erneut ein tiefes, kehliges Knurren.

Marie konnte sich nicht abwenden. Jede Zelle ihres Körpers schrie ihr zu, zu flüchten. Doch.. Irgendetwas hielt sie an Ort und Stelle, sorgte dafür den Hof nicht zu verlassen.

Was geschieht hier?, fragte Marie ihre innere Wölfin ängstlich. Sie bekam keine Antwort. Nur ein warmes, zufriedenes Gefühl, das von Marila ausging.


Der schwarze Wolf stand nun vor ihr. Marie schluckte.

Weiches Fell und eine kühle Wolfsnase streiften sachte den Unterarm der Prinzessin. Maries Augen weiteten sich. Von der Stelle, die der Wolf berührte ging ein Gefühl aus, das Marie zuvor nie gespürt hatte. Wie winzige Stromschläge und doch so warm...

Es schien, als würde der Moment für immer andauern. Der intensive Blick des Wolfes währte noch für einen Augenblick, ehe er einen Schritt zurück trat, Marie noch einen letzten Blick zuwarf und zurück zu den anderen Wölfen lief.

Marie war kurzum völlig überfordert und verwirrt.

Rasch wand sich Marie ab und lief schnellen Schrittes zurück auf ihr Zimmer. Sie achtete kaum auf den Weg, war sie doch in Gedanken völlig im Anblick dieses Wolfes gefangen! Marie schloss die Zimmertür hinter sich etwas zu laut und rutschte an der geschlossenen Tür hinunter. Der Spannung in ihr wich ein leeres Gefühl. Was hatte dieser Wolf von ihr gewollt? Wo kamen dieses Gefühl her, als er sie berührte?

Was war da nur passiert?

Ihr leises seufzen schien viel zu laut in dem großen Raum. Marila? Ein rastloses Brummen war die Antwort.

Von ihrem wölfischen Instinkt hatte Marie wohl keine Antwort zu erwarten.

Ich will zurück. Zurück zu diesem Wolf. Zumindest eine schien zu wissen, was sie wollte.

Warum? Ich weiß es nicht, es ist nunmal so Marie.

Langsam erhob sich die Prinzessin, ging durch den Raum hindurch und ließ sich in das große Bett fallen.

Marie wollte nicht darüber nachdenken, sie würde nur rastloser werden, verwirrter und zu keiner Lösung kommen.

Seufzend schloss sie die Augen, was sonst sollte sie jetzt tun?

Die Sonne war bereits untergegangen, als ein lautes Klopfen an der Tür Marie aus dem Schlaf riss.

Verschlafen setzte sie sich auf und rieb sich über die Augen. "Ja?"

Die Tür öffnete sich und eine junge Frau betrat der Prinzessin Zimmer. Glatte, unregelmäßige Haarsträhnen umspielten ihr Gesicht, die längsten reichten gerade bis zur Mitte ihres Halses. Ebenso unregelmäßig war ihr Pony gestaltet, doch was Marie sofort ins Auge fiel, war die tiefe Schwärze ihrer Haare. Unverwechselbar. "Habt ihr einen Moment Zeit Prinzessin?", fragte sie mit sanfter Stimme, die dennoch klaren Willen vermuten ließ.

Marie nickte rasch und rutschte an den Bettrand. "Ja", gab sie tonlos von sich. Marila wurde unruhig. Unruhiger als sie selbst vorhin gewesen war.

Leise schloss die junge Frau die Tür ehe sie auf die Prinzessin zuging. "Ich bin Lizandra, oberste Befehlshaberin der königlichen Garde und Schwester des Prinzen."

Marie nickte nur leicht. "Marie", gab sie tonlos von sich. All ihre Gedanken schienen weggefegt zu sein.

"Aber du weißt bereits, wer ich bin, nicht?" Lizandra kam näher, blieb nur eine Armlänge vor Marie stehen.

Diese schüttelte jedoch ihren Kopf, abgelenkt von Lizandras Größe! Davon abgesehen dass sie wohl noch größer wirkte, da Marie saß und sie stand.

Mehrere Emotionen, ausgelöst durch Maries Antwort, wurden in den tiefblauen Augen Lizandras deutlich - Verwirrung, Verärgerung, Unglaube, Unzufriedenheit.

"Wie alt bist du?"

"Siebzehn..?", lautete die etwas irritierte Antwort.

Lizandra nickte, als schien Maries Antwort alles zu erklären.

"Und du?", fragte Marie neugierig zurück um die Spannung zwischen den beiden etwas zu lösen.

"Einundzwanzig" Diesmal lag es an Marie nur zu nicken.

"Steh auf Prinzessin" Stirnrunzelnd leistete Marie der Forderung Folge und musste den Kopf in den Nacken legen um Lizandra ansehen zu können. Sie war mindestens einen Kopf größer!

Die behandschuhte Hand der Gardenbefehlshaberin legte sich bestimmend an Maries Kinn und hob es an, ehe einen Wimpernschlag später ihre Lippen auf denen der Prinzessin lagen.

Maries Augen weiteten sich und trotz der weichen Lippen auf ihren, die wieder dieses kribbelnde Gefühl durch ihren Körper schickten, stieß sie Lizandra von sich. "Wie kannst du es wagen?!", rief sie verunsichert und brachte Abstand zwischen sich und die andere Frau.

War Lizandra verletzt, so zeigte sie es nicht. "Du wirst es bald versteh-"

"Ich bin verlobt mit dem Prinzen! Und du bist eine Frau wie ich! Das ist widernatürlich!" Verletztes Knurren in Maries Gedanken. Verdammt nochmal was faselst du da?! Sie ist PERFEKT! Red nicht unserm Vater oder der Kirche oder sonstwem nach, sondern schau sie dir an! Sie. Ist. Einfach. Nur. Perfekt!

Marila wurde ignoriert.

Lizandra runzelte die Stirn. "Du willst an der Mondgöttin zweifeln?" Ihre Stimme war kühl geworden.

"Was hat sie damit zu tun?", feuerte Marie entrüstet zurück. "Die Mondgöttin bestimmt das Schicksal von uns allen. Und sie ist es, die uns zu Gefährten gemacht hat."

Perfekt, perfekt, PERFEKT!, jaulte Marila überglücklich und sprang förmlich schwanzwedelnd im Kreis.

Marie blieb nur wortlos der Mund offen stehen. Was..?

(Kommentare? °-° )

My prince was a princess [girlxgirl]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt