Eine Klassenfahrt

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Geschafft lasse ich mich auf mein Bett fallen und starre an die Zimmerdecke. Meine Mom ist mal wieder arbeiten, ebenso wie mein Dad. Sie hatte mir noch einen Zettel hinterlassen auf dem stand, dass ich mir etwas zu Essen bestellen solle, wenn ich Hunger bekäme. Seitdem ich aber die blöde Liste von Vincent durchgegangen bin, ist mir jeglicher Appetit vergangen. Da meint er mir helfen zu können und gibt mir solch banale Tipps wie, Eiswürfel in der Hand halten, sollte ich wieder das Verlangen haben mir weh zu tun. Oder ich solle ein Gummiband um mein Handgelenk legen und daran ziehen, sollte ich auf dumme Gedanken kommen. Oder ich solle kalt duschen um mich abzureagieren. Oder ich sollte ein Tagebuch führen, um meinen Frust abzulassen, oder, oder, oder. Das meiste auf dieser Liste hatte ich bereits versucht und es war immer eine bittere Enttäuschung gewesen. Nichts konnte mich so beruhigen wie die Klinge in meiner Schublade, die mich zu rufen scheint.

Genervt davon, keine Lösung gefunden zu haben, drehe ich mich auf den Bauch, sodass ich das Fußende meines Bettes anstarren kann. Auch der zerfetzte Bär hat seinen Weg auf mein Bett gefunden und starrt mich leicht lächelnd an. Obwohl ich ihm so viele Schnitte zugefügt, ihn ausgenommen und ihm sogar ein Ohr abgerissen habe, besitzt er noch die Dreistigkeit mich anzugrinsen.

Für mich ist es so, als würde ich in einen Spiegel blicken. So müssten mich andere auch sehen, auch wenn sie nicht wissen wie sehr ich leide. Immerhin grinse ich sie auch immer an, so versuche ich es zumindest, aber das macht für sie keinen Unterschied. Ich leide zwar unter emotionaler Schwäche, aber mir ist aufgefallen, dass mich einiges an meinem Leben kränkt. Wie zum Beispiel, dass meine Mom schon wieder arbeiten, mein Dad sich wieder verkrümelt hat und ich somit wieder alleine zu Hause sitze. Ich weiß nicht warum mich das gerade so sehr mitnimmt, aber mich macht die Abwesenheit meiner Eltern einfach nur wütend. Am liebsten würde ich meine Wut jetzt irgendwie rauslassen, aber wie? Ritzen geht nicht, ich sollte es ja nicht übertreiben. Das sehe selbst ich ein. Irgendetwas verbrennen geht auch nicht, da der Nachbar eine Party im Garten schmeißt und den Rauch sofort bemerken würde. Was bleibt mir dann noch übrig?

"Das ist alles so bescheuert!", stöhne ich gequält auf und drehe mich wieder auf den Rücken, damit ich meine Aufmerksamkeit wieder der Decke widmen kann und breite die Arme zur Seite aus. Wie soll ich mich jetzt noch abreagieren? Ich werde in den vier Wänden noch total verrückt.



"Ich bin froh euch mitteilen zu dürfen, dass wir übermorgen einen Ausflug in die Berge machen werden.", verkündet Mr. Anderson fröhlich, was einen Protest der Klasse zufolge hat.

Auch ich stöhne leise auf, da ich von der Idee alles andere als begeistert bin. Doch ansonsten lässt mich die Situation kalt, liege ich wie immer mit verschränkten Armen halb auf dem Tisch und beobachte den Wind wieder bei seinem Blätterspiel, was mich fast einschlafen lässt. Ich gebe zu, dass mir nicht sonderlich viel einfiel um meinem Frust irgendwie Luft zu machen, sodass ich wieder zur alten Methode gegriffen habe. Und es hat seine Wirkung nicht verfehlt. Normalerweise hasse ich Schulausflüge, vor allem wenn sie so kurzfristig sind, denn dann muss ich mir Sorgen darüber machen wie ich meine Probleme für mehrere Tage verstecken kann! Ich bereite mich lieber seelisch darauf vor.

Doch dank meiner gestrigen Aktion bin ich wieder die Ruhe selbst und rege mich garnicht erst künstlich auf. Ändern könnte ich daran sowieso nichts, würden mich die Lehrer und vor allem meine Mom in diesen Bus zerren wenn es notwendig sein sollte. Trotzdem habe ich ein schlechtes Gefühl bei der ganzen Sache und sollte wohl mit Vincent darüber reden.

Ich richte mich ein wenig auf und wühle in meiner Hosentasche herum, um mein Handy herauszuangeln. Ich sollte Vincent wissen lassen, dass ich komme, denn sonst regt er sich auf, dass ich seine Mittagspause verkürze. Als ich einmal unangekündigt vor seiner Praxis stand, gab er mir zu verstehen, dass er einen Hausbesuch hatte. Ich musste also gehen.

Vitae TeadetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt