Als hätte ich es geahnt, hat Mom sobald sie von der Klassenfahrt erfuhr, sofort den Koffer aus dem Keller gekramt und angefangen zu packen. Zum Glück konnte ich ihr diese Idee aus dem Kopf schlagen, habe sie aus meinem Zimmer geschoben und gesagt, dass ich meine Sachen alleine packen könne. Natürlich hat sie wieder angefangen wie ein Honigkuchenpferd zu grinsen, was mich zuerst verdutzte, bis ich eins und eins zusammenzählte. Ich will garnicht wissen was sich ihr Gehirn wieder ausgedacht hat, wahrscheinlich, dass ich Alkohol oder Kondome einpacken würde. Auch wenn sie damit komplett daneben liegt. Ich wollte einfach nicht, dass sie beginnt in meinen Sachen herumzustöbern und Dinge findet, die sie nicht finden sollte. Sie würde die Klinge und den Teddy finden.So oder so, ich muss die ganzen Sachen mit zur Klassenfahrt nehmen. Vincent hin oder her! Wenn ich sie hier lasse und meine Mom mein Zimmer durchwühlt, wahrscheinlich auf der Suche nach Alkohol oder Kondomen, wie gesagt, dann würde sie mein Messer bestimmt finden! Und dann wäre alles aus.
Die Busfahrt an sich war halb so schlimm. Wir mussten mit fünf Bussen fahren, immerhin sind wir ein großer Jahrgang. Und wie es Busse nunmal so ansich haben, gab es nur Zweiersitze. Obwohl Daven neben mir saß, haben wir kaum miteinander gesprochen. Er war viel zu sehr in sein Buch und ich in meine Musik vertieft, wir kamen also recht gut miteinander aus.
Und nun sitze ich in unserem Zimmer. Es ist nicht mal so schlecht, die Unterkunft entpuppte sich als ein altes Schloss, welches seit vielen Jahren leer steht und nun als Hotel und Touristenziel fungiert. Die Zimmer sind cremefarben gestrichen, ein hochwertiger, weißer Schreibtisch steht unter dem Fenster mit den schneeweißen, bodenlangen Gardinen und zwei Betten stehen jeweils links und rechts neben diesem. Außerdem besitzt jedes Zimmer ein eigenes, kleines Badezimmer, welches eine Toilette, ein Waschbecken und eine Dusche, natürlich alles in weiß, inne hat. Die Aussicht ist auch garnicht so übel. Die Berge ragen dem Himmel entgegen und wenn man ganz genau hinsieht, kann man sogar Schnee auf den Gipfeln erkennen. Ich muss sagen, ich habe es mir schlimmer vorgestellt. Die letzte Herberge dagegen war ein alter Schuppen mit ausfallenden Lichtern und Duschen. Wenn die Aktivitäten auch noch so angenehm werden wie dieses Zimmer, dann könnte dieser Ausflug ganz akzeptabel werden. Vielleicht habe ich wirklich übertrieben.
Völlig fertig, da unser Zimmer im zweiten Stock liegt und wir die Taschen und Koffer endlos lange Wendeltreppen hinauftragen mussten, lasse ich mich auf das Bett fallen und seufze genüsslich auf. Hier auf diesem warmen, weichen und gemütlichen Bett lässt es sich aushalten.
Daven ist, nachdem wir erfahren haben, dass wir den ersten Tag frei verbringen dürften, sofort unter die Dusche gesprungen und steht anscheinend immer noch unter dieser, denn das Rauschen des Wassers ist hinter der Tür zu hören. Mir soll es recht sein, so habe ich Zeit für mich und kann mich der Liste von Vincent widmen. Ganz habe ich sie mir ehrlich gesagt nicht durchgelesen, ich hatte auf der vorletzten Seite aufgehört, weil der Drang mir Erleichterung zu verschaffen, einfach zu groß war. Und dann hatte ich es irgendwie verdrängt.Ich lege mich auf den Bauch, wühle kurz in der Reisetasche herum, ziehe besagte Liste hervor, schlage die erste Seite auf und beginne sofort zu lesen. Auch wenn die ersten zwei Tipps nicht mein Intersse erwecken, so ist es doch besser, als nichts zu tun. Langeweile kann ich nicht sonderlich ab und solange Daven unter der Dusche ist, kann ich mich in aller Ruhe Vincents Worten widmen.
Am Abend gibt es ein Festessen. Der Speisesaal, in dem wir essen sollten, stellt sich als großer Ballsaal, dem sogenannten Planetensaal heraus, in welchem schwarzweiß gefliester Marmor den Boden ziert und Deckengemälde den Raum in eine angenehme Atmosphäre tauchen. Goldene Kronleuchter hängen über den langen Mahagonitischen und erhellen den fensterlosen Saal. Es sieht aus wie aus einem Märchen entsprungen, und wäre ich mir nicht sicher, dass ich wach bin, so hätte ich mich in den Arm gezwickt, um mich von der Echtheit dieses Anblicks zu überzeugen, welcher sich mir darbietet.
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Vitae Teadet
Teen FictionMein Name ist Lucien Carr, bin 17 Jahre alt und besuche ein Gymnasium. Ich lebe ein mehr oder weniger normales und einsames Leben mit meinen Eltern. Ich habe keine Freunde und hatte auch nie welche. Wieso? Weil sie für mich so etwas wie Zeitverschwe...