Ein neuer Morgen

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New Haven, Pacifica, Allied Commonwealth, 27. Mai 2678

Daniel Coleman genoss den Sonnenaufgang, während er im Cook-Park joggte. Wie fast alles auf Pacifica wirkte der Park nicht nur modern, sondern fast harmonisch mit der natürlichen Umwelt abgestimmt. Pacifica war eine "grüne Welt" - es hatte keines Terraforming bedurft, um den Planeten dem menschlichen Leben anzupassen. Insofern war es eine der wenigen Ausnahmen und eine mehr als angenehme Überraschung für die ersten Siedler, die vor gut 250 Jahren hier eintrafen.

Daniel wunderte sich dennoch, wie die ersten Siedler wohl den Gegensatz zu ihrer alten Heimat verkraftet hatten. Kriege, Krankheiten und Überbevölkerung hatten die alte Erde in einen Moloch verwandelt, der kurz vor dem Kollaps stand. Die Föderationsregierung, die nach dem 4. Weltkrieg im späten 22. Jahrhundert aus den Trümmern der alten Nationalstaaten entstanden war, hatte sich in eine verfallene Institution verwandelt, in der Vetternwirtschaft und Korruption herrschte.

Die Entwicklung des Transphasenantriebs Ende des 23. Jahrhunderts hatte es der Menschheit ermöglicht, zu den Sternen zu reisen, doch die meisten entdeckten Welten waren karg und wenig lebensfreundlich. Dennoch war es im Laufe der Zeit gelungen, mehr als 100 Welten zu besiedeln, doch nur wenige Kolonien wiesen mehr als 1 Million Einwohner auf.

Pacifica und die drei naheliegenden Welten Eden, Callisto und Babylon gehörten zu den wenigen grünen Welten, die bald schon über 20 Millionen Einwohner zählten. Dann hatte die Föderationsregierung versucht, die faktische Autonomie der Kolonien zu beenden - das Ergebnis war ein zweijähriger Unabhängigkeitskrieg gewesen, der mit dem Rückzug der inkompetent geführten Föderationsmiliz und der Etablierung des Commonwealth durch 62 ehemalige Kolonialwelten endete.

Daniel kannte die Geschichten von der alten Erde nur von seinem Großvater und aus Holovids. Eric Coleman hatte mit 16 Jahren auf einem Frachter angeheuert und sich 20 Jahre später auf Pacifica zur Ruhe gesetzt, kurz nach dem Ende des Befreiungskriegs.

"Danny, die Erde liegt im Sterben. Und es ist unsere Schuld. Die Ozeane sind selbst nach allen Repopulationsversuchen praktisch tot, die Wälder zu weiten Teilen abgeholzt und die Luft um die Metropolen ist kaum atembar. Nach vier Weltkriegen herrscht zwar endlich Frieden - aber was ist das für ein Frieden, Danny? Die Massen leben in Armut, beherrscht von einer winzigen, ultrareichen Elite, die im Luxus schwelgt, während Hunger und Krankheiten, die man längst heilen könnte, wenn man nur die Mittel aufbringen würde, die Masse der Menschen plagt. Und jeder, der es wagt aufzumucken oder sich nur leise beschwert, riskiert von der Polizei oder dem Föderationssicherheitsdienst geschnappt und ohne Prozess weggesperrt zu werden."

Daniels Großvater hatte wütend die Decke angestarrt, als müsste er sich körperlich beherrschen, nicht die Fassung zu verlieren. Dann hatte er Daniel wieder liebevoll angeblickt.

"Aber hier ist es anders, Danny. Das Commonwealth ist eine einzigartige Chance. Hier gibt es keine Ressourcenknappheit, keinen Grund dafür, der Bevölkerung eine gute Versorgung vorzuenthalten. Wir haben keine gefälschten Wahlen, wie es auf der Erde der Fall war. Wichtige Entscheidungen auf lokaler Ebene werden in Volksabstimmungen geklärt, während das Parlament an die Verfassung gebunden ist. Das hier, Danny, das ist die Zukunft."

Daniel erinnerte sich gerne an seine Zeit bei seinem Großvater auf Pacifica. Dennoch wünschte er sich, er hätte nach der Akademie einen Posten auf einer Grenzwelt erhalten. Im Zentrum des Commonwealth gab es für das kleine, aber gut ausgebildete Militär wenig zu tun. Kriege zwischen den Mitgliedswelten kamen nicht vor, warum auch - alle überschüssigen Ressourcen wurden über Verteilungsschlüssel auf die bedürftigeren Welten verteilt, wofür die reicheren Welten ein leichtes Stimmübergewicht im Parlament hatten. Es war keine perfekte Ordnung, aber sie funktionierte.

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