Die Iden des Juli

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THS Vanguard, terranischer Flottensammelpunkt Delta, 0.2 Lichtjahre entfernt vom Edensystem, 15. Juli 2678

Commander Aris stand auf der Brücke der Vanguard und nickte Lt. Evans zu, der gerade seinen Bericht hinsichtlich der Neukonfiguration des Navigationscomputers beendet hatte. "Sehr gute Arbeit, Lt. Sorgen sie dafür, dass alle Schiffe des Geschwaders mit uns synchronisiert sind. Ich will beim Sprung nach Eden keine bösen Überraschungen erleben."

Evans salutierte. "Natürlich, Sir, ich kümmere mich sofort darum." Aris entließ den Lt. mit einem Handwinken und überprüfte ein letztes Mal die taktische Aufstellung. Das Geschwader hatte vor drei Tagen Pacifica verlassen, um die Flottenverbände im Edensystem zu verstärken, wo die Kämpfe noch andauerten. Insgesamt acht Kreuzer der Dreadnought-Klasse und vier Zerstörer der Guardian-Klasse würden in einer Stunde in die unmittelbare Umlaufbahn des vierten Planeten springen und in einem Überraschungsangriff den dortigen Kommandoträger des Commonwealths ausschalten. Das würde hoffentlich die Wende bringen, denn laut Zeitplanung müsste die zweite Welle der Invasion bereits in zwei Wochen beginnen.

Aris fragte sich, wo Captain Tully blieb. Normalerweise wäre er bereits auf der Brücke, doch vor zwei Stunden hatte er sich in sein Quartier zurückgezogen, um eine wichtige Nachricht zu decodieren, die der kurz zuvor zum Verband gestoßene Zerstörer Hera übertragen hatte. Dennoch, so langsam sollte der Captain...

Plötzlich ertönte der Schiffsalarm. "Sprungwarnung! Sprungwarnung! Unbekannte Schiffe haben sich soeben in 150.000 Klicks Entfernung rematerialisiert." Das war im Weltraum praktisch direkt nebenan. Aris sprang sofort auf und eilte zur taktischen Station, die sich rechts neben dem Kommandopodest auf der ovalen Brücke befand. "Roter Alarm für das Geschwader, Gefechtsformation einnehmen, Schilde auf Maximum. Identifizierung?" Aris war kontrolliert, aber bestimmend. Lt. Shelby blieb absolut cool - er war ein Veteran mit über 15 Jahren Erfahrung im Weltraumkampf. "Sieht nach Commonwealthschiffen aus. Ich identifiziere fünf Washington-Kreuzer und drei Fregatten der Lafayette-Klasse." Er blickte Aris stirnrunzelnd an. "Das ist keine ernsthafte Bedrohung für uns, Commander."

Aris musste Shelby zustimmen. Die Kreuzer waren harte Brocken, aber nicht gleichwertig. Und die Fregatten waren höchstens störend. Doch warum waren sie überhaupt hier? Das konnte kein Zufall sein. Jemand musste den Sammelpunkt verraten haben - aber warum kamen die Commies dann mit einem so schwachen Verband? Das machte keinen Sinn.

"VAMPIRE, VAMPIRE. Der Gegner hat Lenkwaffen gestartet." Aris sah die Daten bereits auf dem Holoshirm, noch bevor die Sensoren den Start gemeldet hatten. Insgesamt 75 Lenkwaffen starteten von den Kreuzern - fast die Hälfte ihres Bestandes. Aris drehte sich zur Kommandostation um. "Lt. Sawamura, Geschwaderbefehl: Formation 22. Abwehrmaßnahmen auf Automatik und Punktverteidigung auf maximale Streuung." Dann gab er der Waffenstation Anweisungen. "Lt. Darius, Zielerfassung für alle Barracuda-Lenkwaffen, gestaffelter Start für Steuerbordmagazine eins bis vier. Railguns auf Automatik." Er pausierte kurz. "Und jemand soll endlich den Captain zur Brücke rufen, verdammt." Sofort ging einer der Marines von der Seitenwand los und passierte die Sicherheitsschleuse.

Shelby wandte sich an Aris. "Sir, Abfangraketen sind gestartet und haben Ziele erfasst. ViSI rechnet mit einer Abfangquote von 85 %." Das Virtuelle Schiffs-Interface war hilfreich, aber keineswegs fehlerlos. Aris nickte Shelby zu. "Gut, aber starten sie eine zweite Welle, die Punktverteidigung bekommt noch genug zu tun." Er schnippte und wandte sich Sawamura zu. "Kommandostation, nach dem Abfangen der Vampire sofort auf Diamantangriffsformation wechseln. Ich will die Commies brennen sehen, bevor noch mehr ungebetene Gäste kommen. Und geben sie..."  Da kam eine Meldung von der Kommunikation. "WARNUNG! Orion und Relentless melden das Versagen der Fusionsreaktoreindämmung."

Aris war wie von einem Faustschlag getroffen. "Was? Das ist doch nicht möglich." Doch die eingehenden Meldungen bestätigten dies. Beide Kreuzer verloren innerhalb von Sekunden die Reaktoreindämmung und gingen lautlos in Explosionen auf. Das war absolut unmöglich, zumindest bei solch einem Timing. Es sei denn... - Sabotage. Er ballte die Fäuste und zischte dem anwesenden Sicherheitsoffizier zu: "Lt. Thakur, sofort schwarzes Protokoll initiieren. Ich will doppelte Absicherungen bei allen kritischen Systemen." Thakur salutierte und gab sofort Befehle an die Marines an Bord.

Shelby meldete sich wieder. "Sir, wir sind wieder erfasst worden; der Gegner bereitet den Start weiterer Lenkwaffen vor." Aris nickte, das war zu erwarten gewesen. Ihre erste Welle von Lenkwaffen war abgefangen worden. Noch waren beide Verbände zu weit entfernt, um mit Railguns oder Partikelwaffen effektiv zu kämpfen. "Gut, Abwehr wie gehabt. Wir verkürzen den Abstand. Befehl an Geschwader, sofort aufschließen. Wir werden diese Mistkerle nun erledigen. Barracudas starten, Fächerformation."

Nun rasten mehr als 200 terranische Lenkwaffen, jede gesteuert von einer eigenen KI und jeweils miteinander kommunizierend, auf die feindlichen Schiffe zu. Innerhalb von 30 Sekunden erreichten sie die Schiffe - und wurden allesamt abgefangen. Aris konnte es nicht glauben. Über 600 Abfangraketen waren von den Fregatten gestartet. Doch eine Lafayette hatte maximal 50 solcher Raketen an Bord. "Verdammte Mistkerle, sie haben die Schiffe modifiziert." Aris schrie auf. "Sofort auf Gegenkurs gehen. Sie haben eine intakte Nahverteidigung." Mit dem Ausfall der Orion und der Relentless war der Kampf nun wesentlich ausgeglichener, vor allem, da die Commies offenbar eine effektive Nahverteidigung besaßen. Aber das machte nichts. Aris würde einfach die Zerstörer einsetzen, die die Fregatten ausschalten würden, und dann mit den Kreuzern nachsetzen. Er gab die entsprechenden Anweisungen, als der Gegner eine zweite Welle von 100 Vampiren startete.

"Abwehrmaßnahmen! Sofort mit den Railguns eine No-Fly-Zone mit überlappenden Schussfeldern einrichten." Jeder der sechs übrigen terranischen Kreuzer verfügte über 30 Zwillings-Railguns. Jeweils 15 davon feuerten nun koordiniert auf einen Raumvektor, den die ankommenden Vampire passieren mussten. Gut die Hälfte wurde von Abfangraketen zerstört, weitere 30 fielen den Punktverteidigungswaffen zum Opfer, doch es würde nicht reichen.

"Auf Einschlag vorbereiten!" Der Computer gab die Warnung nur Sekunden vor dem eigentlichen Einschlag ab. Das Schiff wurde erschüttert, die Lichter flackerten kurz, als die Schilde zusätzliche Energie abzapften. "Schadensmeldung", rief Aris. Die Antwort kam umgehend von Lt. Evans. "Nur sekundäre Schäden. Schilde haben gehalten. Wir haben aber drei Railguns verloren." Aris atmete erleichtert auf. Damit konnte er leben. "Aber Commander, die Europa ist schwer getroffen. Und die Intrepid - sie ist zerstört."

Aris schloss kurz die Augen. "Haben die Zerstörer die Fregatten ausgeschaltet?" Aris wollte Blut sehen. "Nun?" Shelby antwortete. "Sir, die Commies sind soeben gesprungen. Sie sind fort." Aris schlug mit der Faust auf das Kontrollpult vor ihm. "Sofort Rettungsmaßnahmen einleiten - die Zerstörer sollen die Nahbereichssicherung übernehmen. Wir verschwinden von hier, sobald der Captain..." Aris fuhr auf und begab sich zur Schleuse. "Lt. Commander Leigh, sie haben das Kommando."

Aris begab sich auf Deck 3 zur Suite des Captains. Lt. Thakur erwartete ihn bereits. "Was soll das, Lt.? Ich sagte, man sollte den Captain holen. Was treiben sie hier draußen?" Thakur flüsterte nur. "Sir, sie sehen es sich besser selbst an. Ich wollte das nicht über Komm verbreiten."

Aris ging in die Suite und stockte mitten im Arbeitsbereich. Am Arbeitstisch saß Captain Tully. Vor ihm lagen Datenpads auf dem Tisch, das Holodisplay war ausgeschaltet. Und von Tullys Stirn tropfte Blut aus einer klaffenden Schusswunde. "Sir, der Captain ist..." Thakur redete nicht weiter. Das war auch überflüssig. Captain Adrian Tully, seit 50 Jahren im Dienst der terranischen Navy und einer der am höchsten ausgezeichneten Schiffskommandeure, war tot.

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