Seltsame Bettgenossen

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Militärraumhafen Jamesburg, Pacifica, Terranische Hegemonie (Allied Commonwealth),  12. Juli 2678

Sherin Park hatte zwar nicht geglaubt, dass Keller sie vergessen hatte, aber sie hatte doch darauf gehofft, bis sie morgens vor Sonnenaufgang aus ihrem Zimmer geschleppt und in ein terranisches Landungsschiff gebracht worden war. Nach drei Stunden Flug landete das Schiff auf dem militärischen Raumhafen von Jamesburg, der, anders als der Raumhafen in New Haven, die Kampfhandlungen offenbar intakt überstanden hatte. Ihre vier Begleiter, allesamt terranische Marines in grau-schwarzen Kampfanzügen, scheuchten sie durch Seitentüren und Korridore, bis sie ihr Ziel erreicht hatten. Es handelte sich um ein Nebengebäude, das wie ein Bunker wirkte, völlig ohne Fenster und mit doppelten Sicherheitsschleusen.

Im Inneren ging es vorbei an schwer bewaffneten Marines zu einem Gravlift, der direkt in einer Kommandozentrale anhielt. An den Wänden standen Hochleistungscomputer, während im inneren Teil ein Dutzend Techniker und Offiziere an Holodisplays hingen und Daten studierten. Im Zentrum befand sich auf einem Podest ein eiförmiger Tank, dessen Maße mindestens zehn Meter im Durchmesser und vier Meter in der Höhe betrugen. Davor stand Keller, der nun eine olivgrüne Uniform trug und sich mit einem anderen Mann lebhaft unterhielt. Der andere Mann war älter als Sherin und Keller, schlank und hatte schwarze Haare. Als Sherin und ihre Begleiter sich näherten, hob der Fremde die rechte Hand, woraufhin Keller die Unterhaltung einstellte.

Sie stoppte direkt vor Keller und dem anderen Mann, der sich freundlich anlächelte, wobei seine dunklen Augen sie aber intensiv musterten. Keller nickte ihr zu.

"Ms. Park, ich entschuldige mich für die plötzliche Reise. Das hier ist Lt. Commander Gabriel, er ist von ONI - dem Office of Naval Intelligence. Er wird ihr weiterer Ansprechpartner sein." Gabriel reichte ihr die rechte Hand.

"Es freut mich, sie kennenzulernen. Keller hier hat mir schon einiges erzählt."

Sherin ergriff zögernd die Hand, blickte aber beide Männer misstrauisch an. "Dann wird er ihnen auch erzählt haben, dass ich nicht besonders wild auf eine Zusammenarbeit mit den Invasoren meiner Heimat bin."

Gabriels Miene veränderte sich nicht, er wirkte vielmehr entspannt. "Dafür habe ich Verständnis Ms. Park, das meine ich ernst. Aber ich habe einen etwas anderen Ausgangspunkt als Keller. Sehen sie, Kellers Aufgaben umfassen Sicherungsmaßnahmen im Bereich der neu gewonnen Territorien. ONI ist hingegen direkt mit Abwehrmaßnahmen beschäftigt, die die Sicherheit der Hegemonie gefährden. Diesbezüglich wären sie keine Ressource für uns, doch nun hat sich etwas ereignet, das - nun, wie sage ich es am besten."

Er hob die rechte Hand ans Kinn und blickte zur Decke. Keller schien völlig desinteressiert zu sein, da er ein Datenpad studierte und dann einem Offizier einige Anweisungen gab. Gabriel lächelte Sherin plötzlich wieder an. "Sagen wir einfach, dass wir ihre Hilfe bei einem Projekt benötigen, das auch für das Commonwealth von Bedeutung ist."

Sherin lächelte ihn spöttisch an. "Ach, wirklich?" Gabriel nickte und deutete auf den eiförmigen Tank hinter ihnen. "Ja, wirklich. Sie werden es gleich selbst sehen können. Geben sie mir einfach ein paar Minuten ihrer Zeit - und wenn sie dann nicht überzeugt sind - dann verspreche ich ihnen, dass sie für keine weiteren Projekte von uns herangezogen werden. Ich kann nicht ihre sofortige Freilassung anordnen, aber sie können in naher Zukunft wieder ihren privaten Angelegenheiten nachgehen. Also?" Keller verzog säuerlich die Miene, sagte aber nichts weiter.

Sherin traute weder Keller noch Gabriel, aber sie hatte auch nichts zu verlieren. Außerdem war sie neugierig geworden. Sie seufzte und nickte. "Einverstanden - und ich hoffe, dass sie nicht wieder Spiele mit mir spielen. Ich bin es offen gesagt satt."

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