Der Feind meines Feindes

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Savada an der pacifischen Goldküste, Pacifica, Terranische Hegemonie (Allied Commonwealth), 21. Juli 2678

"Zwei Tage. Ich sage dir, mehr als zwei Tage sind nicht drin."

"Ne, er hat ja schon mehr als drei Tage durchgehalten. Drei Tage, mindestens."

"Man merkt, dass du noch nicht viele Einsätze hinter dir hast. Klar, drei Tage hat er sich nicht schlecht geschlagen, aber darum geht es ja: je mehr man hinter sich hat, desto weniger Widerstand leistet man."

"Ne, der ist doch ein recht harter Brocken. Ich würde sagen..."

"Verdammt, was treibt ihr hier?"

Die beiden terranischen Wachtposten nahmen Haltung ein, als der Offizier zu ihnen trat. Daniel war eigentlich ganz froh gewesen, ihre Unterhaltung zu hören. Die letzten Tage waren die Hölle auf Erden gewesen und die Stimmen halfen ihm dabei, in dem dunklen Lagerraum nicht die Besinnung zu verlieren.

"Nur eine kleine professionelle Unterhaltung, Sir. Nate meinte, dass unser Gefangener mehr als zwei Tage durchhalten würde. Ich wollte ihn aufklären, dass...." Daniel hörte ein dumpfes Stöhnen jenseits der Tür. Die schneidende Stimme des Offiziers erklang wieder.

"Ich will hier etwas klarstellen, damit keine Missverständnisse entstehen. Ihr beide habt nur einen Job - ihr sollt das Lagerhaus und unseren Gefangenen bewachen. Wenn ihr dazu nicht in der Lage seid, kann ich gerne eine manuelle Reinigung der Schiffskläranlage arrangieren. Verschwindet jetzt, ich habe einige Fragen an unseren Gast."

Die Lagerraumtür öffnete sich und der Offizier betrat den Raum. Daniel hing an Magnetschellen gefesselt von der Decke, so dass seine Beine knapp einen Meter über dem Boden hingen. Der Schmerz in seinen Armen hatte Daniel am ersten Tag fast weinen lassen, aber inzwischen waren beide Arme fast ständig taub - dafür schmerzten alle anderen Teile seines Körpers, wo ein terranischer Verhöroffizier ihn mit Nadeln, Elektroschocks oder Schlägen mit Lederriemen samt imprägnierten Nägeln gefoltert hatte. Man sollte meinen, dass es effektivere Methoden des Verhörs gab, aber er war wohl an einen Vertreter der alten Schule geraten.

Daniel kannte den Ankömmling nicht, aber er hatte auch bislang nur sieben oder acht der Terraner ohne Helm gesehen. Der Offizier vor ihm war klein und drahtig, mit kurzem blonden Haar und bestimmt 20 Jahre älter als Daniel. Er blickte ihn säuerlich an, schüttelte kurz den Kopf und aktivierte dann die Magnetschellen. Daniel fiel unsanft zu Boden, noch immer gefesselt, aber nun wenigstens in einer bequemeren Position. Dann warf ihm der Terraner eine Plastikflasche zu, die mit einer grünlichen Flüssigkeit gefüllt war.

"Trinken sie das. Schmeckt nicht besonders, aber die Inhaltsstoffe wirken schmerzlindernd und helfen gegen Dehydrierung." Als Daniel die Flasche nicht öffnete, seufzte der Terraner und zog ein Vibromesser. "Hier, damit kann ich ihnen jederzeit Schmerzen zufügen, auf Gifte bin ich nicht angewiesen. Na los, trinken sie schon, wir haben nur begrenzt Zeit."

Daniel zögerte kurz, trank dann aber. Der Terraner blickte weiter recht finster und schien überhaupt genervt zu sein. Er blickte auf ein Datenpad und hockte sich dann vor Daniel hin.

"Wie gesagt, wir haben nur wenig Zeit. Ich hätte sie schon früher besucht, aber leider kann ich mich nicht uneingeschränkt bewegen, ohne Verdacht zu erregen." Er kratze sich am Kinn und blickte dann kopfschüttelnd nach unten.

"Die ganze Situation ist nicht ganz einfach für mich. Normalerweise würde ich mich einem Feind wie ihnen nicht anvertrauen, aber die Lage ist alles andere als normal." Er blickte Daniel nun direkt an. "Ich habe den Verdacht, dass meine eigenen Leute vielleicht meine neuen Feinde sind. Das macht einen alten Feind nicht zu einem Freund, aber möglicherweise zu einer Ressource."

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