Gnadenlos

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Port Gagarin, The Wilderness, Pacifica, Terranische Hegemonie (Allied Commonwealth), 17. Juli 2678

Port Gagarin als Ortschaft zu bezeichnen, wäre übertrieben gewesen. Gelegen in einem kleinen Tal am südwestlichen Rand der Wilderness befand sich hier nur ein großes Plastabetonfeld, auf dem Schiffe aufsetzen konnten, ein Servicegebäude, zwei große Lagerhallen und ein kleines Depot. Doch zur Erntezeit wurde hier ein beachtlicher Teil der Erträge durchgeschleust. Heute war das Areal fast menschenleer - aber nur fast, wie Daniel aus seinem Versteck einen Klick nördlich des Landefelds feststellen musste.

Auf dem Landungsfeld befand sich ein terranisches Landungsschiff. Es war grau-schwarz lackiert und wirkte vom Umriss fast wie ein gestrandeter Hai, wobei seitlich Waffenpylonen erkennbar waren. Gefährlich waren aber wohl eher die Passagiere: terranische Soldaten in schwarzen Kampfanzügen waren um das Schiff und am Hauptgebäude verteilt.

Daniel kroch vorsichtig rückwärts und begab sich dann zum Lagerplatz 800 Meter entfernt. Carl und Luke hielten Wache, wobei ihr Gefangener an einem Baum angebunden und geknebelt war. Carl rauchte eine Zigarette, machte sie aber aus, als er Daniel sah. "Und, wie sieht es dort aus?"

Daniel setzte sich und nahm einen Schluck Wasser aus seiner Feldflasche. Der pacifische Sommer machte sich immer unangenehmer bemerkbar. "Leider nicht so gut. Am Landefeld befinden sich Terraner, unsere schwarzen Freunde wieder."

Luke kratzte sich nachdenklich am Kinn. "Hm, vielleicht hätten wir doch besser versuchen sollen, uns zur Küste durchzuschlagen. Der ceranische Ozean ist jedenfalls verlockender als diese Brutstätte von Insekten."

Daniel verschränkte die Arme hinter dem Kopf und legte sich ins Gras. Er war wie die beiden anderen auch vollkommen erledigt. "Vielleicht, aber ich sagte euch ja, dort haben sie bestimmt zuerst nach Versprengten gesucht. Was ich nicht verstehe sind diese Kerle in ihren schwarzen Kampfanzügen. Das können keine regulären Truppen sein."

Luke nickte nur. "Ja, wirklich seltsam. Ihre Marines tragen grau-schwarz, diese Gardisten dunkelgrün. Vielleicht sind es Miliztruppen?"

Daniel setzte sich wieder aufrecht hin. "Glaube ich nicht, dazu haben sie zu gutes Material. Und vor allem: warum sollten die Terraner nicht-reguläre Einheiten für diese Treibjagd verwenden?" Er streckte sich und griff nach einem Essensriegel. "Jedenfalls müssen wir uns nun überlegen, was wir machen wollen. Wir können hier einige Zeit überleben, aber früher oder später finden sie uns. Wenn wir uns trennen, haben wir vielleicht noch die beste Chance. Dann stellt sich nur die Frage, was wir mit unserem Freund dort drüben machen wollen."

Carl lachte und blickte den Gefangenen böse an. "Unseren Sonnenschein könnte ich entsorgen - ich würde es auch kurz machen, obwohl dieser Schweinehund als Massenmörder eher einen langsamen Tod verdient hätte." Der gefangene Söldner blickte besorgt zu Daniel, der ihn aber ignorierte.

Luke schüttelte den Kopf. "Ich würde lieber... - Moment, habt ihr das auch gesehen?" Er stand auf und deutete nach Süden. Da erklang ein Knall und Luke fiel zu Boden. Sofort gingen Daniel und Carl in Deckung.

"Shit, das muss ein Scharfschütze gewesen sein." Daniel legte seine Magrifle an. "Luke, lebst du noch? Luke?" Doch Luke rührte sich nicht. Daniel behielt die Anhöhe südlich von ihnen im Blick. Irgendwo dort musste der Schütze sein, doch überall gab es Deckung in Form von Büschen und dem hohen Gras. "Carl, siehst du etwas?"

"Nein, absolut nichts. Verdammter Mist, wie haben die uns denn nur gefunden?"

"Das spielt jetzt auch keine Rolle. Wir müssen von hier verschwinden, bevor wir noch mehr Besuch bekommen. Carl, auf mein Zeichen läufst du nach links. Wenn du das Feld dort hinten erreichst, bist du zumindest optisch nicht mehr sichtbar. Versuch dann irgendwie zum Fluss zu gelangen, den wir gestern überquert haben. Und dann immer weiter nach Westen, hin zur Küste. Schau nicht zurück. Bist du bereit?"

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