John Glenn Transferstation, Pacifica, Terranische Hegemonie (Allied Commonwealth), 22. Juli 2678
Sherin Park hatte die vergangenen drei Tage damit verbracht, sich durch eine Masse an Kommunikationsprotokollen und Backgroundberichten zu arbeiten, die ihr Commander Gabriel zur Verfügung gestellt hatte. Wer auch immer innerhalb des terranischen Militärs mit der unbekannten Organisation (der Sherin den Namen Shadow gegeben hatte) zusammenarbeitete, musste irgendwo Spuren hinterlassen. Ganz gleich wie gut organisiert Shadow sein mochte, ein Projekt dieser Größe konnte nicht völlig unbemerkt ablaufen. Die Frage war nur, wie man sie fand.
Nach ihrem Gespräch mit Commander Aris war Sherin aber klar, dass die Logistik der Schwachpunkt sein musste. Ein Navy-Geheimprojekt verschlang Ressourcen und der Bau mehrer Kriegsschiffe ganz besonders. Hinzu kam, dass Shadow irgendwie mit den verschiedenen Zellen kommunizieren musste. Das Beispiel Kellers hatte ihr gezeigt, dass sich solche Daten nie völlig löschen ließen.
Und tatsächlich, in den letzten 48 Stunden war sie auf mehrere Fragmente gestoßen. Einige Jahre alte Versorgungsanforderungen, die in Ordnung waren, doch das gelieferte Material ging verloren; Gelder, die in Scheinprojekte flossen, die wesentlich teurer waren, als geplant; harmlos erscheinende Versetzungen, die aber bestimmte Personen aus dem MIS und Teilen der SAS betrafen. Nach und nach ergab sich das Bild einer Organisation innerhalb des terranischen Militärs, die seit Jahren operierte, aber nie aufgefallen war - denn sie war bislang auch nicht aktiv geworden. Sherin war sich nicht sicher, wie groß diese Gruppe war, aber sie schien aus einem exklusiven Personalpool zu schöpfen.
Sherin verschlüsselte die Daten und lud die einzige Kopie auf eine Memocard. Dann begab sie sich durch die Sicherheitsschleuse, um sich mit Gabriel zu treffen. Auf der anderen Seite der Schleuse erwartete sie schon ihre Eskorte bestehend aus zwei Marines. Sie nickte ihnen zu und gemeinsam machten sie sich auf den Weg nach Deck 10, wo sich die Kommandozentrale befand.
Als sie sich zum Gravlift begaben, erschienen vier Flottenoffiziere, die anscheinend Ausgang hatten. Sie wirkten leicht angetrunken und scherzten miteinander. Einer von ihnen torkelte und entschuldigte sich bei Sherin, als er in den Gravlift stieg. Die Marines wirkten genervt, aber Sherin lächelte ihnen nur schwach zu. Selbst Terraner waren nur Menschen.
Als sich die Lifttür schloss, griff einer der vier Offiziere in die Manteltasche. "Ihr werdet es nicht glauben, was mir Jen geschickt hat. Ihr kennt ja ihren Holovidgeschmack, aber das hier ist unglaublich." Der Marine rechts neben Sherin drehte sich ebenfalls um - als plötzlich eine nadelförmige Klinge in seinem linken Auge steckte. Der Marine links von Sherin zog seine Waffe hoch, doch da lag schon eine hauchdünne Nanodrahtschlinge um seinen Hals. Beide Marines gingen tot zu Boden, während die vier Offiziere schlagartig stocknüchtern wirkten.
"Lift stoppen und Holovid-Loop prüfen. Stellt sicher, dass die Verzögerung nicht im System registriert wurde." Die Anweisungen kamen von dem größten der vier Männer, ein blonder Mann, etwa 10 Jahre älter als Sherin. Sherin selbst schrie auf, doch einer der anderen drei Männer hielt ihr schon den Mund zu und starrte sie an.
"Ganz ruhig, Ms. Park. Wir sind hier, um ihnen zu helfen. Sgt. Kwon, 3. Commonwealth Special Forces Company. Das sind meine Teammitglieder. Wir sind seit zwei Wochen im System und halten uns bereit. Gestern kam der Befehl, eine Neuronetwork-Spezialistin von der Transferstation zu holen. Wir gehen ein gewaltiges Risiko ein, also bitte, kooperieren sie, dann sind sie bald zu Hause."
Als Sherin nickte, nahm der Mann die Hand von ihrem Mund und nickte ihr lächelnd zu. Währenddessen hatte einer der anderen Männer ein Holotablet herausgeholt und offenbar das Liftprotokoll gehackt. "Sieht gut aus, nichts im System. Ich leite uns nun auf Deck 31 um."
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Schöne neue Welten
Science FictionPacifica ist eine paradiesisch anmutende wohlhabende Welt fast 1000 Lichtjahre von der Erde entfernt. Seit Jahrzehnten genießt man die Unabhängigkeit von der korrupt gewordenen Erdföderation und ist zusammen mit anderen ehemaligen Kolonialwelten im...