Kurzer Moment

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Siehst du ihn?
Den alten Mann an der Straßenecke des rot gemauerten Blumengeschäfts.
Eine Zigarette, selbst gedreht, ruht zwischen seinen Fingern.
Mit der linken Hand zupft er an der ausgebeulten Westentasche, auf der Suche nach seinem Feuer.
Ein Körnchen und dann noch eines lösen sich aus dem Zigarettenpapier und rieseln zu Boden. Niemand bemerkt es.
Auf der Bank der gegenüberliegenden Straßenseite sitzt eine kleine Person und beobachtet das Geschehen.
Niemand bemerkt mich.
Der Mann mit den graumelierten Schläfen muss sein Genussmittel schon zu einem früheren Zeitpunkt vorbereitet haben. Er braucht sich den Stummel nur noch anzustecken.
Seltsam- wie viel Ähnlichkeit. Gedreht für einen kurzen Genuss; danach würde sie unachtsam in die Rinne geschmissen. Und der Ladeninhaber darf am Abend den Vorplatz fegen.
Der alte Mann- schon lange weg. Hat fallen gelassen, was nicht mehr benötigt wird.
Die kleine Person- immer noch anwesend.
Habe beobachtet was mir das Leben und die Straße bringt.
Mehr als das, was ich zu erwarten hatte. Von ihnen.

Ein kurzes Genussmittel, wie eine Zigarette: Nicht auf Langzeit, aber für den Moment brauchbar.

Ich hatte mit ihr gelacht, eine Freundschaft aufgebaut, doch muss ich in der Gemeinschaft feststellen, dass sie noch viel lauter lachen kann.
Ich war nur für einen kurzen Moment präsent.
Eine Beziehung, die kaum mehr auf Gegenseitigkeit beruht. Ich warte auf meine nächste Zeit.

Dann wäre da noch die, die mich runterbrachte und meine innere Ruhe fand.
Mittlerweile hört sie nunmehr halb zu und missbraucht mein Ohr für Sorgen.
Glücklich darüber, dass es ein gegenwärtiges uns gibt, doch gab es immer nur eine Seite der Medaille.
Das "wir" war nur für einen kurzen Moment präsent.
Eine Beziehung, die auf Gegenseiten beruht. Ich warte auf meine nächste Zeit.

Die Verstehende, die ich verstehe und die mich versteht, versinkt allmählich.
Sorgen, die ihr nicht angehört werden führen unsere Gespräche. Probleme die nicht ihr gehören, werden zwischen uns geteilt. Zu viel, zu groß.
Sie strebt nach unten. Ich will nach oben. Beides sieht man uns nicht an.
Jetzt wird sie nicht von den anderen angehört und wechselt auch mich wie eine ihrer Masken. Tag für Tag.
Eine Beziehung die auf Gegenseiten beruht. Ich warte auf meine nächste Zeit.

Ich bin nur Momente präsent. Warte nur auf nächste Zeiten.
Doch ihr beansprucht sie aus Zufall.
Wie kann mein Warten dann zielgerichtet sein?

"Ob sie mich vermisen, auch jetzt, wo ich mich von der Bank erhebe?"
Ich begutachte den Zigarettenstummel. Er war für ihn nur für einen kurzen Moment präsent.
Nein, es kommt keine neue Zeit.

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