Kapitel 19

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Robs Sicht:

Den ganzen Weg lang hatten Nico und ich kaum gesprochen und nur vor uns hingestarrt. Jetzt waren wir bei der Hütte angekommen. Ich wollte gerade klopfen, als die Tür bereits aufgerissen wurde. "Was haben sie euch erzählt?", fragte Manuel außer Atem. "Habt ihr Abey gesehen?", fragte auch Max. "Ähm, ja. Dürfen wir reinkommen?", antwortete ich.

Manuel nickte und trat zur Seite. Ich trat ein und setzte mich auf das Bett. Jedoch blieb Nico draußen stehen. "Kommst du?", fragte ich, stand wieder auf und ging zurück. Die drei lieferten sich gerade einen Anstarrwettbewerb. "Leute?" "Ich betrete das Haus dieser Lüger nicht", knurrte Nico. "Es tut mir Leid, aber wir konnten dir nicht die Wahrheit erzählen. Du hättest uns nicht geglaubt. Du wärst gegen uns gewesen und hättest dich zu den Indianern verzogen", gab Manuel zu.

"Das macht es kein Stück besser. Ich war wegen euch Wochen lang gefangen. Wisst ihr wie schlimm es dort ist? Sie..." Max unterbrach ihn, indem er ihm einen harten Schlag in den Bauch verpasste. Nico trat ein paar Schritte zurück. "Du kannst gerne draußen bleiben", fauchte er und schlug die Tür zu. "Nein! Was ist, wenn er von einem wilden Tier angegriffen wird. Die gibt es hier schließlich zu genüge. Er wird morgen bestimmt fahren, bis dahin kann er doch in eurer Hütte schlafen. Nur diese eine Nacht", versprach ich und öffnete die Tür wieder. Doch der Youtuber war bereits weg. Wohin war er wohl gelaufen? "Wir müssen ihn finden!" "Ich mache da nicht mit", informierte Max mich und verschwand im Keller. Ich schaute Manuel flehend an. Wo war eigentlich Kelly? Sie konnte mir helfen.

Manuel schüttelte bloß den Kopf und ging ebenfalls davon. Ich schaute ihm verzweifelt hinterher. Sollte ich Nico etwa alleine suchen? Sah wohl ganz danach aus. Aber Vik sollte doch gleich auch kommen. Obwohl, er redete ja noch mit Abey, also würde er noch brauchen.

Ich seufzte und schnappte mir den Bogen von Manuel. Dann stieß ich die Tür auf und verließ die Hütte.

Mitten im Wald hielt ich schließlich an und setzte mich auf einen verrotten Baumstamm. Ich ließ meinen Blick über die Bäume schweifen. Eigentlich hatte ich schon Glück hier sein zu dürfen. Die Natur war einfach wunderschön. Wie lange hatte ich das schon nicht mehr gehabt. Einfach da sitzen und nachdenken. Über das Leben. Über das was man gerade tat. Genau. Was tat ich gerade? Ich saß in einem Wald auf einer Insel und dachte daüber nach was ich gerade tat. Zu gerne hätte ich jetzt eine Kamera in der Hand gehabt. Das Filmen und Video drehen fehlte mir einfach. Einfach seine Gedanken aussprechen, oder mit Freunden Challanges drehen. Ju...Jimmi...Anika...Vince...Und auch Marius. Das gesamte Team. Es gehörte einfach zusammen. Es ist nicht mehr dasselbe wie am Anfang. Es hatte Spaß gemacht, doch jetzt wollte ich einfach nur noch zurück. Klar, die Natur war schön. Aber wenn man sie jeden Tag sah, war sie langweilig. Hin und wieder mochte ich die Auszeit. Doch nicht jeden Tag. So wie die Pause von der Arbeit. Vielleicht beschwerte ich mich  manchmal, dass ich so wenig Schlaf bekam, doch Youtube war einfach mein Traum. Ich war dankbar für das, was ich hatte und ich wollte es behalten. Ich wollte meine ganze Liebe und Zeit in diesen Job stecken.

Ein Schmetterling landete auf meiner Hand. Ich kam wieder aus meinen Gedanken zurück und hob meine Hand ein wenig. Als ich auf Augenhöhe war, begutachtete ich das kleine Tierchen. Von außen waren seine Flügel braun und langweilig, doch sie öffneten sich. Sie waren wunderschön. Es kam auf das Innere an. Menschen beurteilen einen, obwohl sie einen gar nicht kennen. Sie bilden sich eine Meinung über dich, obwohl du noch kein Wort gesagt hast. Die meisten dieser Menschen bleiben bei dieser Meinung auch. Das ist das Schlimmste. Wenn man so versteift auf eine Sache ist, dass man nicht sieht wie wundervoll dieser Mensch doch von Innen ist. Vielleicht ist der erste Eindruck von einem Menschen schlecht. Doch man sollte diesen beiseite schieben und die Augen öffnen. Es ist nie so schlimm, wie man meistens annimmt.

"Über was denkst du nach?", fragte plötzlich jemand. Ich schreckte aus meinen Gedanken auf. Der Schmetterling flog schnell davon und verschwand im Grün des Waldes.
Ich sah auf. Viktor hatte sich zu mir gesetzt. "Ich habe nach dir gesucht. Max und Manuel haben sich schon Sorgen gemacht" "Ist mir doch egal, ob sie sich Sorgen machen", murmelte ich und starrte auf den Boden. "Was ist passiert?" "Nico ist verschwunden" Vik sah mich weiter auffordernt an. "Ich weiß auch nicht so genau. Die beiden hatten ihn früher wohl einmal belogen. Desswegen ist er zu den Indianern gegangen und wurde gefangen genommen. Desswegen will er jetzt nicht diese eine Nacht bei uns schlafen", erzählte ich in Kurzfassung.

Vik nahm ein verwelktes Blatt vom Boden und begann mit seinen Fingern daran entlang zu streichen. "Abey hat mir die wahre Geschichte erzählt", murmelte er nachdenklich. Ich nickte kaum merklich und nahm mir ebenfalls ein Blatt. Es war etwa so groß wie meine Handfläche. Es fühlte sich rau an. Die spitzen Zacken waren abgeknickt. Es musste noch von dem Sturm sein. "Es gab einen Winter. Kaum einer hatte etwas zu essen. Doch Max und Manuel hatten immer genug. Nach ein paar Monaten sind sie dann drauf gekommen, dass die beiden bei ihnen das Essen gestohlen hatten. Seitdem herrscht Krieg", erzählte Viktor schnell. Ich hatte das Gefühl, als würde er versuchen es schnell loszuwerden. Was war wohl der Grund dafür? Hatte es etwas mit Abey zu tun oder hatte er Mitleid mit Max und Manuel, die so stark in der Unterzahl waren? Doch so hatte ich ihn nicht kennen gelernt. Was war wohl los mit ihm?

~

Die Sonne stand hoch über dem blauen Himmel. Keine Wolke war am Horizont zu erkennen. Doch ich hatte gelernt, dass das nichts zu bedeuten hatte. Das Wetter konnte von der einen auf die andere Sekunde komplett umschlagen, darum sollte man jeden Sonnenstrahl genießen.

Ich setzte müde einen Fuß vor den anderen. Seit der Morgendämmerung war ich auf den Beinen und suchte nach Nico. Ich war mir nicht so sicher, ob er den Weg zu dem Steg kannte, also musste ich ihn suchen. Außerdem wollte ich ja selbst zurück. Ich wollte keine Sekunde länger warten als nötig. Wenn ich jetzt noch weiter suchte verpasste ich vielleicht das Boot? Also drehte ich mich in Richtung Strand und ging in diese Richtung los. "Rob! Warte!", rief plötzlich jemand. Ich blieb stehen und sah mich um. Tatsächlich schlug Nico sich durch das Dickicht. "Na endlich! Ich habe die ganze Zeit nach dir gesucht! Wir müssen uns beeilen", antwortete ich. "Deiner Meinung. Schnell" Zusammen liefen wir durch den Wald. Vik und Kelly wussten nicht, dass ich wegging. Sie hätten mich nur aufhalten wollen. Genauso wie Max und Manuel.

"Warte, du willst auch fahren?", fragte Nico, als wir nach etwa einer Minute am Steg ankamen. "Ja. Dort ist das Schiff", lenkte ich schnell vom Thema ab. Nico nickte wissend und stellte keine Fragen mehr zu dem Thema, wofür ich ihm sehr dankbar war. Das Boot kam langsam zum Stehen. Der Mann darin nickte uns freundlich zu und machte ein wenig Platz. Nico und ich schauten uns kurz an, dann stiegen wir ein. 

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