Zwischen Leben und Tod

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Ein heulender Windstoß ließ die herrlichen Blätter des Waldes erzittern. Finstere Gewitterwolken bedeckten den Himmel und überschatteten die mächtigen Eichen, ein Blitz ließ den Wald kurz in gleisendem Licht aufleuchten. Ein Trupp von Pferden durchbrach das Unterholz, schlängelte sich mit Mühe durch den immer stürmischer werdenden Wald. Langes Haar und Umhänge wehten im heraufkommenden Sturm.
Legolas spürte den Wind, der um seine Ohren peitschte. Die Angst um seinen Freund ließ ihn sein Pferd noch unbarmherziger antreiben. Er meinte fast, die Angst seines Freundes und Waffenbruders selbst fühlen zu können. Seit Stunden suchten sie. Die Chancen den Sohn Elronds lebend zu finden, waren von Anfang an gering gewesen. Orks töteten ihre Feinde oder nahmen sie gefangen, doch Legolas würde sich lieber selbst ein Messer in den Magen stechen als dass er seinen Freund aufgab und die Suche abbrach. Er hob schließlich seine Hand und wendete sein Pferd. „Duathagun!“ Der dunkle Elb, der die Nachricht vom Überfall gebracht hatte, drehte ich zu dem Prinzen um: „Mein Herr?“ 
„Schon seit einiger Zeit suchen wir hier. Bist du dir sicher, dass du hier das Pferd fandest?“ Ein seltsamer Blick trat in des Elben Augen und er antwortete: „Natürlich, Herr.“ Legolas presste ärgerlich seines Lippen zusammen. Wo bei den Valar sollte Elladan sein? Nicht einmal Spuren von Orks hatte man gefunden…
Doch seine Gedanken wurden von einem grässlichen Schrei unterbrochen. Er verstummte so abrupt, wie er begonnen hatte. Ein Ork. Legolas‘ Kopf drehte sich ruckartig und er gab den Befehl zum Los reiten. Erneut zuckte ein Blitz über den Himmel und die ersten Tropfen fielen durch die Baumkronen.
Nach einem hektischen Galopp gelangten die Elben zu einer Lichtung. Orks tummelten sich auf ihr und am Rand gewahrte Legolas einer blutüberströmten Gestalt. Das Rot vermischte sich mit dem Regen, der nun in Strömen vom Himmel fiel. Orks schlugen auf den Mann ein, als gäbe es kein Morgen mehr. Elladan...
Furcht und Zorn bemächtigten sich des Prinzen Seele, gleich glühenden Zangen. Ohne es wahrhaftig zu merken, gab er einen lauten Befehl und die Wut der Elben ergoss sich in einem Meer von Pfeilen auf die Bestien Morgoths. Orkschreie klangen durch die Nacht, hatten doch die Kreaturen in ihrem Blutrausch den Feind nicht kommen hören. Die wenigen Feinde, die noch nicht von den Pfeilen der Elben durchbohrt waren, fuhren ruckartig herum und griffen mit schrillen Schreien und Fauchen an. Die hässlichen Gesichter geifernd, die Zähne gebleckt.
Ein Blitz durchschnitt die Wolken und ließ helles Licht auf die Kämpfenden herabfallen. Legolas griff zu seinem Messer und schnitt einer Kreatur nach der anderen die Kehle auf, die Wut und drängende Angst um seinen Freund, der von den Orks umstellt war und sich nicht rührte, ließ ihn zu einer Bestie werden, jede seiner Bewegung todbringend. Er spürte das widerliche Orkblut über seinen Arm fließen, spürte, wie es seine Kleidung durchtränkte, schwarz und grauenhaft stinkend.
Ein Ork nach dem anderen fiel kreischend unter der Hand des blonden Elben. „Nicht mehr weit“, versprach Legolas sich in Gedanken. „Nicht mehr lange, mellon nin…“,  Noch eine Kreatur fiel fluchend und endlich: Der Kreis war durchbrochen.
Legolas warf, seine Männer im Rücken wissend, die Messer hastig beiseite und ließ sich neben dem blutüberströmten Elben auf die Knie fallen.
Beim Anblick seines Freundes wich jede Farbe aus seinem Gesicht.
Elladan war von Wunden übersäht, seine Kleidung war zerfetzt und blutgetränkt. Noch einige Klingen steckten in dem regungslosen Körper. Eine Blutlache färbte das platt getrampelte Gras rot, das Gesicht war verschmiert von Dreck und Blut. Schnappend hebte sich Brust und doch schien er schon lange das Bewusstsein verloren zu haben. Legolas‘ Magen drehte sich um, als er den Arm seines Freundes sah. Dieser war am Boden festgenagelt, mit unzählbar vielen Klingen. Wie bei Eru dem Einen sollte er den Rückritt überleben?  Legolas tastete den Puls seines Freundes. Elladans Herz schlug schwach und schnell; der Blutverlust forderte seinen Tribut.
Hastig riss Legolas Fetzen von seiner Tunika und verband die Wunden. Doch er wusste, er  hatte nicht die Fähigkeiten, Elladan zu helfen. Er war Krieger, kein Heiler…
Unsanft wurde Legolas zur Seite gestoßen, eine Gestalt ließ sich neben ihn fallen. Reflexartig schlug er zu, doch mit einer erstaunlichen Schnelligkeit wurde sein Arm abgefangen.           
„Wenn ihr mich nicht helfen lasst, wird er sterben, mein Herr“, sprach eine sanfte Stimme. Sie schlug die Kapuze zurück. Es war die Elbin vom Vorplatz. Die blauen Augen leuchteten voller Sorgen. „Entschuldigt, Herrin“, sprach er verlegen. Die Elbenfrau beachtete ihn gar nicht, sondern machte sich daran, Elladan zu helfen.
Erst jetzt bemerkte Legolas das Schnauben von Pferden und hastige Schritte im schlammigen Boden. Moreldar, die auch zur Suche aufgebrochen waren, sprangen von ihren Pferden und eilten in den abebbenden Kampf um sie.
Die junge Frau, offenbar eine Heilerin, ließ ihren Blick über den bewusstlosen Elben gleiten. „Er hat viel Blut verloren“, murmelte sie, mehr zu sich selbst. „Naurion, holt mir das Verbandszeug!“ Der junge Elb drehte sich um. Er warf ihr lediglich einen spöttischen Blick zu antwortete: „Von einer Frau,  lass ich mir nichts befehlen.“ Legolas‘ Kopf fuhr zu dem jungen Elben und er wollte aufspringen. Die Elbin legte ihm ihre Hand auf den Arm und schüttelte leicht den Kopf. Sie sprach bittend: „Passt auf den Sohn Elronds auf, Herr. Versucht die Blutungen zu stillen.“ Sie wollte gerade aufstehen, doch Legolas griff nach ihrem Arm und drückte sie sanft zu Boden. Legolas überkam eine glühende Wut und er sprang auf: „Rothaariger Bastard!“ Dem jungen Elben, der Legolas hinter der Elbin nicht gesehen hatte, wich die Farbe aus dem Gesicht. Legolas fauchte: „Wenn du ihr schon nicht gehorchst, Elbling, dann hoffentlich mir! Hol die verdammten Verbände! Wenn mein Freund wegen deiner Faulheit stirbt, wirst du es bitter büßen.“ Der Rothaarige Elb sprang auf und lief eilig zu den Pferden, die Geschichten über Legolas‘ Unbesiegbarkeit in den Ohren. Legolas sah ihm spöttisch nach.
„Die Klingen sind vergiftet.“Legolas Kopf fuhr zu der Heilerin, die schon dabei war Elladans schlimmste Wunden zu versorgen. „Wir müssen sie herausziehen.“ „Was ist mit der Blutung?“, sprach Legolas. Die junge Frau antwortete, während sie ihre feingliedrigen Hände an einen Griff legte: „Das muss ich riskieren. Haltet ihn fest.“ Legolas fixierte den dunkelhaarigen Elben und die junge Frau zog mit geübten Fingern die blutigen Klingen aus dem Elbenkörper. Nun kam Leben in Elladan. Er begann sich zu winden und schrie voller Schmerz auf. Mit erstaunlicher Kraft wand er sich unter Legolas Griff und schlug um sich. Er drückte seinen Freund mit Mühe fester zu Boden und flüsterte leise elbische Worte. Den Schmerz des Elben ignorierend machte die junge Frau weiter. Eine blutige Klinge nach der Anderen wurde in stiller Zusammenarbeit herausgezogen und die Wunde fachmännisch verbunden.
Die Schlacht um sie hatte inzwischen geendet und die meisten der Männer putzten ihre Waffen oder warfen Orkleichen in das Gestrüpp.
„Meinen Soldaten zu befehlen, steht euch nicht zu.“ Moragars Stimme drang an sein Ohr. Legolas drehte sich um und sah dem dunkelblonden Elben auf sich zukommen. „Im Anbetracht der Situation sah ich mich dazu befugt, Moragar.“ Stechend blaue Augen trafen auf Gelbe. Kurz verharrten sie stur in einander, dann senkte Moragar den Kopf und trat zur Seite. Zufrieden kehrte Legolas zu der jungen, blauäugigen Frau zurück. Sie trat beiseite, damit Legolas den verletzten Elben hochheben konnte. Leise flüsterte sie: „Verzeiht mir, mein Herr, aber sein Überleben kann ich nicht versprechen.“ Legolas nickte. „Dank sei euch für eure Mühen, meine Herrin.“
Er hob den regungslosen Elben auf sein Pferd. Die schöne Elbin folgte ihm. Sie wollte neben ihm reiten, da sie wünschte, Elladan während des Rittes beobachten zu können. Legolas half ihr wortlos auf das Pferd. Noch bevor er sich umdrehen konnte, flüsterte sie leise: „Danke, mein Herr.“

Morhervest nippte an seinem Kelch.
Blitze zuckten über das Haus Elronds, Regen und Wind drückten heftig gegen die hölzernen Fensterläden. Gedämpfte Stimmung herrschte im Haus, bangten doch alle um den Fürsten Elladan und um jene, die ausgeritten waren, um ihm zu helfen.
Morhervest atmete tief durch und begann jenes Gespräch, dass er seit Langem geplant hatte. Er wandte sich an den Elben, der ihm gegenüber saß: „Mein König?“
Der Herrscher wandte sich um, die kalten Augen auf ihn gerichtet. Ein Blitz zuckte durch die Spalten der hölzernen Fensterläden und ließ das bleiche Gesicht sowie die gelben Augen aufblitzen wie einen Stern. Der König war in einen edlen schwarzen Umhang gekleidet. Gelangweilt von allem und jedem lehnte er in seinem Stuhl.
„Ja?“, sprach er mit einem fragenden Unterton. Morhervest begann, die wachsende Unsicherheit ob seines Vorhabens, verbergend: „Mein Herr, ich habe Euch immer treu gedient und stets jeden Eurer Befehle zu Eurer vollsten Zufriedenheit ausgeführt.“ Er sah still zu seinem Herrn. Der König nippt an seinem Kelch und hob eine Augenbraue. „Ja, mein Freund, das hast du.“
„Auch habe ich nie Euch oder Eurer Familie den Respekt verweigert oder Euch in politischen Fragen falsch beraten.“ Unruhig begann der Dunkelhaarige auf und ab zu gehen.
„Das ist richtig.“ Der König verfolgte seinen Berater mit den Augen.
„Und wisst Ihr noch damals, als ich von den Kriegen gegen die Orks siegreich zu euch zurückkehrte?“ „Morhervest, rede nicht ewig und sage, was du zu sagen hast!“
Morhervest sah seinem König in die Augen: „Ihr hattet mir damals einen Lohn versprochen: „Was immer es auch sein mag, dein soll es sein, mein Freund“,so sagtet Ihr.“ Der König antwortete: „Ja, so sprach ich. Damals wusstest du keine Antwort. Weißt du sie jetzt?“ Morhervest sprach sicher: „Ja, Herr.“
Er holte tief Luft: „Mein König, eure Tochter kommt in das heiratsfähige Alter.“
Der König stellte seinen Kelch ab.
„Für meinen Dienst am Schlachtfeld erbitte ich ihre Hand."

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