Ein vergessener Wunsch

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Flashback zum Überfall auf Meril en Taur; Düsterwald

Flammen tanzten an den Wänden. Vermählt mit den Schatten. Einen Tanz tanzten sie, zu einer Melodie, die nur sie kannten. Einen Tanz, denn nur die Schatten tanzten, ein Mysterium, dass den Weisesten verborgen blieb.
Der Schatten, ein Zeichen für das Dunkel.
Morfain leerte einen Kelch Wein und stellte den Kelch fest auf den Tisch. Der Wein ergriff seinen Geist. Der Heerführer trank noch einen Kelch, fasziniert der Fackel zusehend, wie sie lebendige, graue Bilder an die Hauswände des Bürgermeisters dieses Dorfes warfen.
Von draußen klangen Schreie und Wimmern herein. Auch ein Lied. Das liebste Lied der Grausamen. Die Soldaten taten wohl das, was er ihnen aufgetragen hatte. So wie sie es schon vor tausenden von Jahren getan hatten, in diesem Dorf. Nur damals war er das Kind gewesen.
Den Tanz der Flammen beobachtend, sah eine ferne Zeit, eine Zeit, an die sich niemand mehr erinnerte.
Das Licht, ein Zeichen für das Gute.
Morfain rang mit seinen Erinnerungen. Erinnerungen, die er nicht haben dürfte. Die die Orks schon lange hätten vernichten müssen. Uralt und voller altem Schmerz.
Kurz schweiften seine Auge zu einem Fenster, von dem nur mehr Scherben übrig waren. Was für eine gelungene Metapher.
Dem Gekreische nach zu urteilen hängten sie da und dort jemanden auf und suchten Frauen. Gut, ein paar Soldaten waren sicherlich immer noch unzufrieden, schließlich hatte er ein paar dazu eingeteilt, die Kinder zusammenzusuchen und zu einer Gruppe Orks zu bringen, die in einem anderen Teil des Waldes warteten. Sie würden sie zum Herrn bringen. Hoffentlich lebend, die Viecher verstanden oft nicht ganz richtig. Und widerlich waren sie, dass wusste er selbst.
Wie sehr manche Frauen geschrien hatten, als er ihnen die Kinder aus den Armen gerissen hatte. Seine Mutter hatte auch geschrien. Geweint hatte sie und seltsamerweise schmerzte dieses alte Bild dieser Frau in seiner eigentlich toten Seele. Würde sie ihn heute sehen, würde sie ihn verabscheuen, ohne zu wissen, wer er war. In jenem Dorf, in dem er gelebt hatte in ferner Zeit. Dieses Dorf, nur vor tausend Jahren. Derselbe Fluss floss noch durch es. Seine einstigen Freunde waren erwachsen geworden, wie er selbst gesehen hatte. Sie hingen nun.
Er griff nach der Weinflasche und wie mechanisch leerte noch einen Kelch.
Eine Frau hat ihn sogar angespuckt. Ein hübsches Miststück. Er hatte sie seinen Soldaten übergeben. Eigentlich sollten die Elbenfrauen hier ihm dankbar sein, denn die Gier seiner Soldaten würde die fehlenden Kinder ersetzen. Er lachte leise. Worüber eigentlich? Die Hälfte der Frauen würde am nächsten Morgen einen Bastard tragen. Er füllte seinen Kelch neu. Er trank zu viel, ein Teil von ihm wusste es.
Aber nur das ließ die Leere in jeder schlechten Seele nicht ganz so leer wirken. Das und…und das Blut. Blut schien dieses unerklärliche Verlangen eines jeden Duathaquendi zu stillen. Seit man sie ihren Mütter genommen hatte und sie in eine finstere Welt getragen hat, eine Welt, die ihre Herz in zerbröselnden Stein verwandelte, eine Welt, die nicht für die Kinder Eru‘s geschaffen worden war.
Doch die Flammen bewiesen, so merkte Morfain, während ein Tropfen Wein, rot wie Blut über seinen Mundwinkel rannte, dass Dunkelheit und Licht zueinander gehörten. Licht und Schatten tanzten miteinander. Denn ohne Licht wären da keine Schatten. Das Licht wirft ihn und den Schatten gäbe es ohne das Licht nicht.

„Herr!“ Schritte strichen über den blutigen Teppich und rissen den Elben aus uralten Erinnerungen. Morfain verdrehte die Augen. Konnten sie nicht einmal alleine ein Dorf plündern?
„Sprich!“
„Herr, ein paar Dorfbewohner griffen uns an. Sie wollten die Kinder befreien.“ Morfain nippte an seinem Kelch. „Und?“ „Die meisten sind uns entkommen, aber diese Frau haben wir erwischt.“ Eine Frau?! Morfain fing an zu lachen. War es Wahnsinn? Das Lachen hallte von den Wänden wider und vermischte sich mit den Wimmern außerhalb des Hauses. Weder der Soldat noch die Gefangene machten irgendeinen Laut. Gespenstig lag dieser eine Ton monoton in er Luft. „Eine kämpfende Frau“, dachte er spottend. Ihr lieben Valar, und er hatte gedacht, er habe schon alles gesehen.
Mit Lachtränen in den Augen befahl er: „Nun, dann zeig mir die kleine Kriegerin.“
Ein Soldat, blutig und dreckig, trat aus dem Schatten. In seinen Augen lag eine junge Frau. Er hatte einen Arm um ihre Hüften gelegt, der anderer Arm drückte an ihrem Hals. Sie wand sich wie eine kleine Katze.
Morfain hob die Augenbrauen, als das Mädchen ins Licht trat.
Langes, gewelltes Haar floss gleich einem goldenen Wasserfall über den hellen Schultern, die durch die zerfetzte Kleidung blitzten. Ebenso die sanften Kurven am schlanken Körper konnte er erkennen. Die Flammen der Fackel tanzten in ihren Augen, gleich Smaragden. So unschuldig und süß wirkten sie, unschuldig wie die Augen eines Rehs. Faszinierend. Morfains Mundwinkel hoben sich.
Der Elb hinter ihr drückte sie noch näher an sich und sie wehrte sich noch mehr. Ein Grinsen huschte über das Gesicht des Mannes. Er schien zu hoffen, dass er ihm die Elbin überlassen würde.
„So ist das also.“ Morfain grinste die Frau anzüglich an.  „Lass sie aus, Morgil. Sie wird uns schon nicht davonlaufen. Oder?“ Die Elbin senkte den Kopf. Er erhob sich aus dem bequemen Sessel und trat langsam zu ihr. Er, wie auch der Soldat, überragten die kleine Schönheit um einen Kopf. Als er immer näher kam, wollte sie zurückweichen, doch sie stieß gegen den Mann hinter ihr, der ihr gleich die Arme um die Hüften legte.
Morfain warf ihm einen kalten Blick zu.
Der dunkle Elb ließ einen sprechenden, lüsternen Blick über die Elbin wandern, das Vergnügen an der Angst des Mädchens glitzerte in den finsteren Augen. Diese Unschuld, diese Angst. Ein eigenartiges Vergnügen brachte Licht in die dunkle Seele.
„Sag mir, wie heißt du, Mädchen?“ Das junge Mädchen wagte es nicht, aufzusehen. Sie sprach leise: „Glawariel, Herr.“ „Ein sehr schöner Name“, sinnierte er. Seine Hände strichen über ihr Haar. „Und so passend.“ Er strich ihr über die Wange. Ihre Haut war warm und so weich. Er sah, wie sie ihre Lippen befeuchtete und hektisch hin und her blickte, wie ein in die Enge getriebenes Tier. Eine wohlbekannte Hitze schoss in ihm hoch.
Er streckte die Hand erneut aus und strich ihr Haar über die Schulter. Das flackernde Licht tanzte auf den hellen Schultern. Der dunkle Elb strich über sie, wissend, dass sie sich nicht wehren würde. Sie hatte gesehen, was mit jenen passierte, die auch nur den Gedanken fassten, sich ihm zu widersetzen.
„Wa-Warum nehmt Ihr hilflose Kinder gefangen,…Herr?“ Die jungen Frau wollte den Kopf senken, doch er umfing ihr Kinn. Mit einem Finger die roten Lippen berührend, sprach er wie ein gütiger Freund: „Ich brauche sie, meine Schöne. Warum bekümmert dich das so, Kleine?“ Die Elbin antwortete nicht.
„Morgil“, sprach er gelangweilt, „du kannst gehen.“ Der Soldat hinter ihm murmelte unwillig: „Was ist mit dem Mädchen?“
Morfain leckte sich die Mundwinkel und legte die Arme um die Elbin. „Mach dir keine Sorgen um sie, Morgil. Sie ist bei mir ganz gut aufgehoben.“ Elbin wehrte sich gegen die aufdringlichen Arme, die sie gegen die Wand drängte.
Der dunkle Elb drückte die Elbin fest an sich und murmelte in das volle Haar: „Nicht wahr, meine Kleine?“

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