Ein alter Mythos

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Es war eine düstere Nacht. Der Mond war schwarz, schwarz wie der Himmel um ihn. Nebel, grau wie ein silbernes Tuch, verhang gleich Rauch die Sterne, die schemenhaft am wolkenverhangenen Himmel blinkten. Es war eine stille Nacht. Kein Lüftchen bewegte die Blätter des riesigen Waldes.
Doch plötzlich knackste ein Ast. Daraufhin hörte man einen schnalzenden Schlag und einen dumpfen Aufprall
„Du verdammter Bastard“, faucht Morfain den Elben, der gestolpert war und durch seine Hand erneut am Boden lag, an, „wenn das hier nicht funktioniert, sind wir alle tot!“ Seine Augen, gelb wie der Mond in einer weniger finsteren Nacht, schweiften über den restlichen Trupp. Sie alle senkten betreten die Köpfe, keiner wagte es, ihn auch nur kurz anzuschauen, voll Angst, dass nächste Opfer seiner scheinbar nie endenden Wut zu werden. Die perfekten Lippen verzogen sich zu einer eigenen Art von Lächeln.
Er hauchte: „Gleich treffen wir auf das erste Dorf. Ich weiß, natürlich würdet ihr viel lieber den Namen unseres herrlichen Fürsten als Schlachtschrei verwenden, doch ich sage euch eins: Erwähnt einer den finsteren Namen des Herrn oder seine verfluchte Festung, reiß ich ihm höchstpersönlich die Zunge heraus. Merkt euch das, meine geliebten Freunde!“
Seine Worte hatten sie trotz seiner leisen Stimme gehört, so als hätte er sie angeschriehen. Durch die schwarzen Umhänge verschwammen die geduckten Elben fast mit der Nacht, die Nacht, deren Namen sie trugen. Den sie waren die Duathaquendi,   die Dunkelelben, ein Volk aus Sagen und Legenden jener Zeitalter, wo noch Morgoth mit eiserner Faust Mittelerde beherrschte. Sie waren ein Volk von Elben, das sich schon lange vom Licht abgewandt hatte, um dem Bösen zu dienen. Gefürchtet waren sie einst gewesen, doch heute, so dachte Morfain wütend, waren sie ein Mythos, ihre Existenz war von menschlichen Herrschern, wie den Dunedain in Frage gestellt worden. Nun ja, inzwischen zweifelte der König der Dunedain nicht mehr so daran...
Sie setzten ihren Gang durch die uralten Bäume fort. Bald würden sie vom Land der Moreldar nach Eryn Lasgalen gelangen und das erste Dorf, das ihnen irgendwie im Weg stand, angreifen.
Es war doch ein merkwürdiger Befehl. Auf den ersten Blick. Und aufwändig noch dazu, so dachte Morfain. Sie hatten durch das ganze, nicht schlecht bewachte Land der Moreldar schleichen müssen, um von der Grenze aus König Thranduils Land angreifen zu können. Der König, so war sich der schwarze Herr sicher, würde den Moreldar die Schuld geben, na klar, wem den sonst? Wenn die Spuren über die Grenze führten? Nun gut, er würde sie auch ohne beschuldigen. Thranduil hasste sie, hatte doch ein Moreldir vor den tausenden Jahren in einer Schlacht seine Frau geschändet und brutal ermordet. Und ein paar tausend Jahre drauf ‚anscheinend‘ den jüngsten Prinzen. Der Königinnenmörder hatte gebüßt, so hatte Morfain gehört, doch dies würde den Schmerz des Königs nie lindern. Und aus diesem zog der weise König der Ringgeister seinen Nutzen.
Nicht weil es ihn sonderlich interessierte, was die Waldelben trieben.  Sondern weil diese zwei Völker die gefährlichsten in ganz Mittelerde waren. Die Einzigen, die ihm gefährlich werden konnten. Sie hatten riesige Armeen, so groß, dass kein Auge sie überblicken konnte. Nicht Armeen, voll mit Bauern oder Handwerkern sondern mit Kriegern, die seit ihren jüngsten Jahren harte Ausbildungen durchliefen, die so mancher nicht einmal überlebte. Ihre Organisation und Strategie im Kampf war einzigartig und die Spezialeinheiten, die die Angriffe führten, waren gefürchtet. Listig waren sie im Umgang mit Messern und weder Ery Lasgalen noch die Moreldar kämpften immer ehrenhaft mit Schwert und Schild. Oft stachen sie einfach mit ihren Dolchen in die Rücken ihrer Feinde, gleich Auftragsmördern.
Die Menschen waren zu zerstritten, um dem Hexenkönig in seine Pläne zu pfuschen, die restlichen Elbenvölkern zu klein und viel zu weich. Philosophen und Dichter waren sie, aber keine Krieger. Nur diese zwei waren gefährlich genug, gnadenlos und stark.
Doch wenn sie lieber miteinander im Streit lagen, warum nicht? Dies, so dachte Morfain, konnte man nur zu leicht provozieren.
„Herr…“ Morfain riss sich aus seiner Schadenfreude und drehte sich um. Hoch oben auf dem Baumwipfeln saß Naurfaew , ein rothaariger Bengel. „Ja?“ „Herr, vor uns liegt ein Dorf, nicht allzu groß. Eine Grenzsiedlung. Einen Fluss müssen wir überwinden.“ Morfain lächelte fein und sprach: „Der Fluss ist die Grenze zwischen dem Land von König Duatharan und König Thranduil.“ Freude loderte in den Wolfsaugen: „Brennt alles nieder. Nehmt euch, was ihr wollten. Tötet. Schändet. Stehlt. Je mehr desto besser, meine Freunde.“
Mit einem Befehl setzten sie zum Ufer über und schon bald war die einst so stille Nacht erfüllt mit Schreien und Feuer.


„Dieser Ort ist wunderschön, mein Herr.“ Merewyn drehte sich um und schenkte ihm ein herrliches Lächeln. Nun, da hatte sie recht.
Die Sonne ging rot am Horizont auf, sie bemalte den dämmernden Himmel mit violetten Streifen. Leise war es hier, in Bruchtals Wäldern, nur das donnernde Prasseln von dem Wasserfall vor ihnen war zu hören. Die aufgehende Sonne ließ das Wasser und den Tau auf den Bäumen, die am Ufer standen, wie Diamanten glitzern. Dunst wandelte um sie herum wie silberne Tücher .Er trat zu Merewyn, die staunend den Wald vor ihnen betrachtete. Er liebte es, sie beeindrucken zu können.
„Woher kennt Ihr diesen Ort?“, fragte sie, als er neben ihr angelangt war, die blauen Augen, mindestens so schön wie der Wasserfall vor ihm, musterten ihn neugierig. Legolas lächelte ironisch und wartete ein paar Augenblicke, in einem kleinen Zwiespalt. Jeder anderen Frau hätte er jetzt einer Geschichte mit Orks und wilden Räubern oder sonst etwas aufgetischt, doch wenn ihn diese Augen ihn anblickten, schaffte er dies nicht. Es war, als könnte diese Elbin in sein Herz sehen, seine Seele erkunden. Obwohl, er würde sie um einiges lieber beeindrucken als viele andere Frauen.
So antwortete er: „Mein Vater nahm mich von klein auf mit nach Bruchtal, wenn es hier Diskussionen oder dergleichen gab. Er meinte, je früher ich das Verhandeln oder auch die Diplomatie lernen würde, desto besser sei es. So lernte ich bald Elladan und Elrohir kennen, wir sind ungefähr im gleichen Alter. Mein Vater mochte dies allerdings nicht so gerne, er hielt und hält bis heute nicht allzu viel vom Herrn Elrond und ausländischen Beziehungen. Einmal wollte mein Vater, dass ich einer dieser Sitzungen beiwohnte, schließlich würde es meiner Ausbildung nicht viel bringen, wenn ich mit den Söhnen des Fürsten fangen spielte. Nun, aber ich wollte nicht, soweit ich das noch weiß. Die Zwillinge und ich flohen also in den Wald und fanden damals dieses hübsche, kleine Plätzchen hier. Mein Vater rauchte vor Wut.“ Legolas fuhr sich mit der Hand über die Stirn. Und da hatte er sich über den Blödsinn aufgeregt, den Tharanion immer veranstaltet hatte. Ein Stich durchfuhr beim Gedanken an ihn.
Merewyns Augen funkelten belustigt: „Es scheint, als wäre der hohe Herr nicht immer so pflichtbewusst gewesen.“ Legolas schnaubte: „Oh nein, das war er nicht, Herrin.“ Sie strich ihr Haar nach hinten und fragte ihn: „Was sagte Eure Mutter dazu, Herr?“ Legolas verzog schmerzhaft das Gesicht. Sie bemerkte dies sofort und flüsterte: „Verzeiht, wenn dies ein unschönes Thema ist.“ Legolas beschwichtigte: „Nein, nein, schon gut, Herrin. An meine Mutter kann ich mich nicht mehr erinnern. Sie starb zu früh.“ In die herrlichen Augen trat ein mitleidiger Ausdruck und sie berührte kurz seinen Arm: „Dies tut mir sehr leid, mein Herr.“
Kurze Zeit war es still, sie lauschten dem Donnern des Wassers, beobachteten den Dunst, der in der Luft aufstieg, die kleinen Steine, die vom heftigen Strom mitgerissen wurden.
Dann fragte er: „Was ist mit Eurer Familie?“ Sie starrte weiter auf den Strom, schließlich antwortete sie: „Meine Mutter kannte ich nie.“ Legolas sah kurz auf die hübsche Gestalt neben sich. Als sie den fragenden Blick des Prinzen spürte, seufzte sie und sprach: „Mein Vater hatte nie eine Gefährtin. Immer nur kurze Affäre, wo es im nur um…es ging ihm nur um den ‚Spaß‘, denn er mit ihnen haben konnte.“ Sie endete kurz, dann fuhr sie fort: „Auf diese Weise sammeln sich viele Bastarde an. Ich bin ein Bastard. Mein Bruder ist einer. Wir hätten noch viele Geschwister, doch nur ein Teil von ihnen holt sich mein Vater an den Hof. Einen Teil nicht. Moragar und ich hatten einmal für kurze Zeit einen unserer Brüder am Hof. Er starb in einer Schlacht. Nach welchen Schema er auswählt, weiß ich nicht.“ Merewyn endete. Legolas bemerkte, dass sie die Arme verschränkt hielt, und das blaue Kleid, das ihre hellen Schultern freiließ, feucht vom Dunst war. Auch im Haar hingen Tautropfen, die glitzerten wie Diamanten. Legolas fragte: „Herrin, ist Euch kalt?“ Das verlegene Lächeln der hübschen Elbin reichte ihm. Er nahm seinen grauen Mantel von den Schultern und legte ihn um die Elbin.
Ihre schlanken Hände zogen den Stoff enger um sich. Merewyn hob den Kopf und Schalk funkelte in ihren Augen: „Und wie, mein Herr, wollt Ihr uns wieder in das Haus Elronds bringen, ohne viele Fragen zu beantworten?“ Legolas lächelte, nahm die Elbin bei der Hand und antwortete: „Wenn Ihr mir folgen würdet…“

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