Chapter 11

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In Calvin Klein-Unterwäsche vor einer grünen Wand mit einem unverschämt gutaussehenden Sänger, der ebenfalls nur Unterwäsche trägt, vor einem dreißigjährigen Fotografen mit Vollbart und Glatze zu posieren und dabei von zwanzig Scheinwerfern angestrahlt zu werden und auch noch gut aussehen zu müssen, ist harte Arbeit. Und ich machte sie noch nicht mal richtig. Dass ich gut aussah, wagte ich zu bezweifeln. Mal ganz abgesehen davon, dass ich es schon nicht schaffte, die Anweisungen des Fotografen auszuführen. Ich war ein hoffnungsloser Fall. Was sollten die genervten Gesichter aller Leute um uns herum sonst bedeuten? Dass Shawn scheiße war? Wohl eher nicht. Nach diesem Fotoshooting bekam ich bestimmt Hausverbot. Was mich, ehrlich gesagt, nicht wirklich störte. Ich hatte nicht vor, dieses Gebäude nochmal zu betreten. Eigentlich wollte ich nur noch nach Hause. Aber nicht in die WG. In mein richtiges Zuhause. Bei meiner Mommy, und den siebzehn Kuscheltieren, allen voran der lebensgroße Eisbär, den ich schon seit zwölf Jahren besaß.
Hier war es schrecklich. Gut, okay, so schlimm auch wieder nicht, aber ich konnte nicht mehr. Aber nein, ich will mich nicht beschweren. Alles war super!

"Nicht so verkrampft gucken, Josephine!", rief der Fotograf, dessen Namen ich immer noch nicht wusste. Ich lockerte meine Gesichtszüge, guckte etwas verträumter, wie es mir vorhin befohlen worden war, und hörte die Kamera klicken. Mir fiel Shawns Mercy an. Ein bisschen passte das Lied zu meiner Situation. Auch ich wimmerte und bettelte um Gnade. Bildlich gesprochen, natürlich. Äußerlich manifestierte ich weiter meinen Gesichtsausdruck, erhielt meine Maske weiter am Leben. In sowas war ich gut.

Jemand klatschte in die Hände. "Okay, Leute, das war's. Wir sind durch." Ich atmete auf. Lief auf Sally zu, die mir lächelnd meine Brille reichte. "Süße, du warst toll!", lobte sie mich. Allmählich kam sie mir wie der einzige nette Mensch in diesem Haus vor. Na ja, und die Sekretärin vorher, die mir zwei Schokoriegel mitgebracht hatte. Essen war hier bestimmt nicht erlaubt, allein schon, weil die Models dann ja fett werden könnten. Gott, von diesen paar Kalorien werden wir alle sterben, ja, ich weiß, der Weltuntergang naht!

"Guter Witz.", schnaubte ich nur und nahm meine normalen Klamotten, ging mich umziehen und schminkte mich ab. Sally kam herbeigeeilt. Mit verschwörerischem Lächeln reichte sie mir eine Strandtasche. "Ein Geschenk für dich.", teilte sie mir aufgeregt mit. "Danke!", sagte ich erstaunt und wollte reingucken, aber sie hielt mich ab. "Erst öffnen, wenn Shawn es dir sagt.", befahl sie mir. Was hatte Shawn denn jetzt schon wieder damit zu tun? "Okay...", sagte ich unsicher. Sally traute mir anscheinend nicht, denn sie nahm mir die Tasche wieder ab. "Ich gebe sie Shawn.", beschloss sie und ging auch schon zu ihm hin. Na toll. Danke auch. Hatte sie mir gerade ernsthaft ein Geschenk gegeben, um es mir dann gleich wieder zu entreißen? Das war grausam. Ich nahm meine Worte von vorher zurück. Sally ist doch kein netter Mensch.

Ich seufzte und wartete auf Shawn, der nach einem Jahrhundert dann auch mal auftauchte. Er redete angeregt mit dem Boss und dem Fotografen. Er hatte tatsächlich die Strandtasche in der Hand. Mein Geschenk! Er schien keine Eile zu haben, und ich merkte, wie ich anfing, mich zu ärgern. Verdammt, warum war ich nur auf ihn angewiesen? Ich bezweifelte, dass mein Geld für ein Bus- oder Zugticket reichte. Schließlich waren wir heute Morgen ewig unterwegs gewesen. Und ich hatte Hunger. Vielleicht war in meinem Geschenk ja Essen? Ich wurde ganz zappelig vor lauter Vorfreude auf mein Geschenk. Wann würde Shawn es mir wohl geben? 

Ich war einen Moment nicht aufmerksam gewesen. Jetzt war Shawn weg, genauso wie der Boss und der Fotograf. Äh ...? Ich ließ mich auf einen Stuhl sinken. Vielleicht war Shawn schon unten. Aber wieso hatte er mir nichts gesagt? Hatte er mich vergessen? Oder wollte er mich nicht mitnehmen? Hatte er sich heimlich rausgeschlichen, um noch in eine Bar oder einen Club zu gehen? Um ein heißes Girl flachzulegen oder sich einfach zu betrinken? Wenn ja, dann war ich am Arsch. Ich merkte, wie ich leicht panisch wurde. Ich sprang in den Aufzug, fuhr nach unten, zu dieser Rezeption. Ich fragte die Empfangsdame: "Guten Abend, ist ein gewisser Mister Shawn Mendes schon gegangen?" Sie guckte mich misstrauisch an, schaute dann aber tatsächlich in ihrem Computer nach. "Nein, er müsste noch da sein. Aber er könnte auch durch die Hintertür gegangen sein, wegen den vielen Leuten da draußen. Aber auf den Hintereingang habe ich keinen Einfluss und Zugriff, tut mir leid." Ich nickte. "Vielen Dank, Ma'am." Okay, und jetzt? Ich fuhr wieder in dem sechsten Stock, vielleicht war Sally ja noch da.
Als sich die Aufzugtüren öffneten, sah ich nicht Sally dort stehen, sondern lustigerweise Shawn, der gerade mit The Make-up Artist sprach.
Shawn war doch nicht einfach so verschwunden?
"Da ist sie doch.", rief The Make-up Artist aus, als sie mich erblickte. Shawn wirbelte herum und schrie: "Wo warst du?" Ich erschrak wegen seiner heftigen Lautstärke. "Ich...", fing ich an, aber er unterbrach mich: "Ich hab mir Sorgen gemacht, man!" Warum das denn? "Jetzt bin ich ja da.", murmelte ich leise und senkte den Kopf. Sofort fingen die Selbstvorwürfe an: Warum hatte ich nicht einfach gewartet, anstatt nach unten zu fahren? Wieso hatte ich jemals gedacht, er sei ohne mich losgefahren? Ich heulte fast.
"Tut mir leid.", sagte ich traurig. Alter, ich sollte einfach sterben, das wäre immer noch besser als hier zu sein, wo mich alle hassten.
Shawn kam auf mich zu. "Komm.", sagte er und schob mich in den Aufzug. Hier setzte mein Verstand wieder ein: Warum war er eigentlich sauer? Wegen den zwei Minuten, die ich da unten war? Ernsthaft?! Wie kleinkariert muss man sein? Mein Gott, warum müssen Jungs eigentlich immer alles kompliziert machen?
Im Auto stöpselte ich meine Kopfhörer ein. 

Adele: Someone Like You
Nicki Minaj: Grand Piano
Charlie Puth: Dangerously
Disturbed: The Sound Of Silence

Hello darkness, my old friend ...

Endlich waren wir da. Shawn holte meine Strandtasche vom Rücksitz und gab sie mir. "Danke.", sagte ich. "Gute Nacht." Dann verschwand ich in meinem Zimmer.

In der Tasche waren ein Bikini, ein Handtuch in Übergröße, Flip-Flops und ein Zettelchen, auf dem stand:
Na, hat das Poolhopping Spaß gemacht? ;-) Hdgdl, Sally

Ich heulte fast. Wir wären nachts allein schwimmen gegangen! Und ich hatte es wahrscheinlich vermasselt. Warum auch immer. Ich war verwirrt, und das Beste bei sowas ist Schlaf. Also legte ich mich ins Bett und schloss die Augen.

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Heyyy,
hoffe, euch geht's gut?
Ich wollte euch nur mal schnell "Danke" sagen, weil es mittlerweile schon 79 reads sind und ich freu mich mega. =D
Wie findet ihr die Geschichte bis jetzt?
Danke fürs Lesen!♡♡

I hate you, I love you (Shawn Mendes FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt