Chapter 34

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"Hättest du eventuell was dagegen, wenn ich zu dir nach LA ziehe?", sagte ich und riss die Augen ganz weit auf, damit ich aussah wie ein kleines unschuldiges Reh und meine Schwester mir den Wunsch nicht abschlagen konnte. Vermutlich sah ich aber eher aus wie ein Krokodil auf Drogen.

"Warum?", fragte sie schon misstrauisch. War ja klar. Warum müssen alle Leute immer alles hinterfragen?
"Ich glaube, es ist besser in Los Angeles zu studieren. Ich meine, alle haben da studiert. Und es kommt auch viel besser im Lebenslauf, wenn da steht: "Studium an der Universität in Los Angeles, Kalifornien, das ist doch viel besser als Virginia Beach." Elizabeth betrachtete mich mit hochgezogener Augenbraue. "Und was ist der wahre Grund?", verlangte sie zu wissen. Ich seufzte. "Den erzähle ich dir dann, wenn ich bei dir bin."
Sie seufzte ebenfalls. "Na ja, dann komm halt her, ist mir eigentlich ziemlich egal", meinte sie, woraufhin ich strahlte und wir das Gespräch beendeten. Ich starrte noch minutenlang auf den Bildschirm meines Laptops.
Ich hasste mich.
Jawohl, ich hasste mich: Mein Leben, mein Verhalten, alles!

Ich rannte schon wieder vor meinen Problemen weg und jetzt noch weiter als je zuvor.
Warum war ich nicht eins von diesen Mädchen, die tapfer und stark und mutig waren?
Ich war nur ein jämmerliches, erbärmliches kleines Kind, das sein Leben nicht in den Griff bekam.

Ich starrte auf das riesengroße Plakat auf meinem Schreibtisch vor mir.

BE STRONG!

Hatte ich aus dem Mädchenklo der Universität geklaut. Hinterfragen wir einfach mal nicht, warum  da so ein Spruch hängt. 

Ich klappte meinen Laptop wieder auf. War ich eben schwach. Ich brauchte ein kleines bisschen Pause jetzt.

Ich schrieb eine lange E-Mail nach Kalifornien und surfte dann im Internet herum. Mir war relativ langweilig, mittlerweile konnte ich auswendig alle Gründe herunterrasseln, warum ich Virginia verlassen wollte (die allermeisten waren erfunden, aber gut, das musste ja niemand wissen) und ich beschloss, mal wieder ein bisschen zu trainieren.
Mittlerweile schaffte ich achtundfünfzig Sit-ups, worauf ich sehr stolz war.

Nach einer warmen Dusche fiel ich todmüde ins Bett.

Überraschend ging es ziemlich schnell, mich von der Uni abzumelden, die Gründe dafür wurden auch kaum hinterfragt.

Nach nur einer Woche wurde mir außerdem meine Anmeldung in Los Angeles bestätigt. Glücklich ging ich aufs Einwohnermeldeamt, um meinen Wohnort zu wechseln. 

Ich beendete das Semester in Virginia noch und zog dann um.

Melissa war todtraurig und kaufte mir momentan ein Abschiedsgeschenk. Ich wollte es nicht, weil ich mich so schämte.
Sie gab Geld für mich aus, hatte mich noch genauso lieb wie am Anfang und ich begehrte währenddessen ihren Freund. Das ging gar nicht.

Shawn lungerte in der Wohnung herum. Man merkte genau, wie unwohl er sich fühlte.

"Sag ihr bitte nichts", beschwor ich ihn. "Ich werde ihr einen Brief schreiben und ihr alles erklären." Er nickte.
"Und sollte sie auch nur eine einzige Träne wegen dir vergießen, dann bringe ich dich um!", drohte ich und starrte ihn böse an. Gehorsam versprach er es.
Es war zwei Sekunden still.

"Tut mir leid", sagte ich. "Ich hätte dich nicht küssen sollen. Das war falsch."
Er schaute mich lange an und meinte dann: "Wenigstens warst du ehrlich."
"Ich verstehe nicht", erwiderte ich und runzelte die Stirn. "Warst du etwa nicht ehrlich?" Er sah für mich aus wie der ehrlichste Mensch der Welt. 
"Nein. Aber vielleicht werde ich es irgendwann sein." Er betrachtete mich, ich betrachtete ihn.
Er hob die Hand und berührte mit dem Daumen meine Wange.
"Mach's gut", flüsterte er und drehte sich weg.

Ich nahm meine Koffer, machte meine Jacke zu und ging aus der Tür. Machte sie zu. Starrte sie an. Hatte Tränen in den Augen. Das war doch nicht fair!

Ich schleifte meine Sachen die Treppen herunter und wartete in der Eingangshalle auf Melissa.
Endlich kam sie. Ich hatte zwar noch ewig Zeit, bis mein Flieger kam, aber ich wollte trotzdem weg von hier. Und gleichzeitig wollte ich dieses Haus niemals mehr verlassen.

Sie gab mir eine riesige Tüte und sagte: "Aber erst später auspacken!" Dann umarmte sie mich. "Vergiss mich bitte nicht", schluchzte sie herzzerreißend. "Niemals", versprach ich und wischte ihre Tränen weg, während mir selber welche die Wangen hinunterliefen.

Wir umarmten uns ein letztes Mal, dann verließ ich das Haus.
Ich wankte zur Bushaltestelle und wartete. Warum wartete ich eigentlich die ganze Zeit? Das war so eine verschwendete Lebenszeit.

Endlich im Flugzeug starrte ich aus dem Fenster, hörte Musik und verbot mir zu weinen.

In Los Angeles gelandet, atmete ich auf. Ich würde das jetzt schaffen. Ich würde auch einmal tapfer sein.

Meine Schwester musste arbeiten, deswegen suchte ich einen U-Bahn-Eingang. Ich kaufte ein Tagesticket für die ganze Stadt, da ich mich sowieso verfahren würde, also musste ich mir nicht jedes Mal einen neuen Fahrschein kaufen.

Tatsächlich kam ich zwei Stunden später an.
Ich begrüßte den Portier und kramte meinen Ausweis hervor. "Guten Tag, mein Name ist Josephine Wilson, ich bin die Schwester von Elizabeth Wilson."
Er nickte erfreut. "Ach ja, sie ziehen heute hier ein, stimmt's?"
Ich nickte ebenfalls. "Kann ich mein Gepäck hier irgendwo stehen lassen und dann nochmal in die Stadt gehen?", fragte ich ihn. Er bejahte und half mir, meine Koffer in eine Ecke der Eingangshalle zu stellen. "Vielen Dank. Bis heute Abend", verabschiedete ich mich. Er winkte mir zu und dann ging ich. Keine Ahnung, wohin, aber das war ja auch egal.
Hauptsache weg.  

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Hallo! :)

Ja, hier war ein ziemlich großer Zeitsprung, aber ich wollte nicht, dass sich das wieder so ewig zieht.

Tut mir leid, dass ihre Gedanken manchmal so depri sind, aber ich hatte vor ein paar Tagen einen Riesenstreit mit meiner besten Freundin und kurz danach mit meinen Eltern und irgendwo muss das mal raus.

Ich habe übrigens keine Ahnung, wie das ist, wenn man seine Uni und seinen Wohnort in Amerika wechseln will, also ist das, was ich da so geschrieben habe, höchstwahrscheinlich ziemlicher Mist, aber egal jetzt.
Ich habe jetzt übrigens Herbstferien (endlich ... warum ist Bayern eigentlich immer das allerallerallerallerletzte Bundesland, das Ferien hat??)

So und jetzt noch ein riesengroßes DANKESCHÖN für die ganzen Reads und c
Votes und Kommentare, das ist wirklich lieb. Ich möchte euch jetzt hier auch gar nicht so lange volllabern, ich hoffe, das Kapitel hat euch gefallen, und tschüss! :)

I hate you, I love you (Shawn Mendes FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt