Chapter 36

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Ich wischte die Tränen weg, steckte die dicht beschriebenen Seiten in den Umschlag und stand auf.

Die Sonne versank bereits im Wasser, umgeben von tiefem Rot, zarten Gelb- und Orangetönen und weichem Pink.
Wie lange schaute ich der Sonne zu, wie sie sich von der Welt verabschiedete, nur, um sie morgen wieder zu begrüßen, sie würde immer da sein.

Ich schüttelte die melancholischen Gedanken ab und drehte mich um.
In einem Souvenirladen kaufte ich eine Postkarte und eine Briefmarke.
Die Postkarte wanderte unbeschrieben in den Briefumschlag, weil ich wusste, dass Melissa solche sammelte. Komisches Hobby, aber ich trug gern dazu bei.
Die Briefmarke klebte ich auf den Umschlag, und auch diesen verschloss ich.
Auf dem Weg zur U-Bahn warf ich den Brief in einen Briefkasten, dann hatte ich damit nichts mehr zu tun.

Ich kaufte mir irgendwelches Fast Food von MC Donald's und fuhr dann nach Hause.

Ich schaute noch fünf Folgen meiner Lieblingsserie und ging dann schlafen.

"Und, wie geht's dir hier so?", fragte Elizabeth mich beim Abendessen am nächsten Tag, was aus Gemüse bestand. Und damit meinte ich nur Gemüse. Ich hasste jegliche Art von Gemüse. So viel dazu.
"Mir geht's super, guck mich doch an: Ich bin braun gebrannt und trage nur noch Sonnenbrillen", antwortete ich.
Liz runzelte die Stirn. "Alles klar."
Ich hob eine Augenbraue. "Nein, im Ernst, ich bin glücklich. Ich habe noch nicht so viele Freundinnen gefunden, aber das wird schon." Seit wann war ich so zuversichtlich und optimistisch?
"Okay. Na dann. Ich muss ja auf meine Schwester aufpassen", erwiderte sie.
"Und ich auf dich", grinste ich. "Also: Geht es dir gut?" Elizabeth lachte auf. "Natürlich. Ich habe vor ein paar Tagen meinen ersten Fall erfolgreich abgeschlossen, der Mandant wurde freigelassen und ich werde morgen gefeiert!" Sie strahlte. Ich freute mich ehrlich für sie, denn der Weg zur Rechtsanwältin war kein leichter für sie gewesen.
"Das ist ja super!", schrie ich enthusiastisch. Sie lächelte. "Ja, nicht? Morgen ist eine Party, weil unsere Kanzlei als die beste von Los Angeles ausgezeichnet wurde. Es werden alle kommen."
Ich grinste. "Da freut sich aber jemand auf alle."
Verlegen bedeckte sie ihr Gesicht mit den Händen. "Sei still!", befahl sie. "Iss jetzt deinen Teller auf." Gehorsam schob ich mir eine weitere Gabel voll Gemüse in den Mund. "Ja, Mama." Provozierend grinste ich. "Ach, hör auf!" Sie tat so, als wäre sie böse, aber mir konnte niemand aus meiner Familie böse sein, warum auch immer.
"Und auch den Salat", fuhr Elizabeth fort. Ich verdrehte die Augen und stopfte das Hasenfutter voller Verachtung in mich rein.

Kurz vor dem Zubettgehen checkte ich noch schnell meine E-Mails. Tatsächlich eine neue von der Universität. Neugierig klickte ich sie an.

Sehr geehrte Studenten des zweiten Semesters,

Wie bekannt, müssen Sie für die Abschlussarbeit einen kompletten Film mit Drehbuch gestalten.

Zur Übung und Vorbereitung sollen Sie nun auch einen Kurzfilm entwickeln.
Thema: Kriminalgeschichte.
Bitte beachten Sie, dass dies eine Einzelarbeit ist!
Ich erwarte ein Drehbuch und eine DVD mit dem kompletten, geschnittenen Film.
Abgabeschluss ist Februar nächstes Jahr.

Bewertungskriterien:
1. Drehbuch:
-Inhalt
-Gestaltung (Layout soll dem der aus dem Unterricht herausgearbeiteten Vorlage gleichen)
-Rechtschreibung und Grammatik (Seriosität)

2. Film:
-Schnitt
-Erwähnung aller Mitwirkenden
-Kameraführung
-Film sollte dem Drehbuch gleichen

Ich wünsche Ihnen eine spannende Zeit voller neuer und praktischer Erfahrungen und gutes Gelingen.

Mit freundlichen Grüßen,

Prof. Dr. Hilton

Ich lehnte mich in meinem Stuhl zurück und seufzte. Himmel, jetzt musste ich auch noch einen Film drehen!

Okay, na gut, dann machte mich mal auf die Suche nach Schauspielern.

GESUCHT!
Hobbyschauspieler gesucht, die mit mir einen Kurzfilm drehen wollen. (Auf freiwilliger Basis und für dich aus Spaß - keine Bezahlung, tut mir leid.)
Keine besonderen Erfahrungen nötig!
Interesse? Dann schreib mich an: josie.wilson@gmail.com

Ich hängte ein paar dieser Zettel an das schwarze Brett der Schauspielschule und dann noch ganz viele in meinem Stadtteil.

Das Schlimmste würde definitiv das Drehbuch werden. Mir war von Anfang an klar gewesen, dass das mein Hassfach war: Ich konnte einfach keine Geschichten erfinden und die dann auch noch gut ausformulieren.
Hing wahrscheinlich damit zusammen, dass ich keine Bücher mochte.

Na ja, egal, ich würde das Drehbuch sowieso auf die Schauspieler abstimmen müssen und nicht umgekehrt, schließlich hatte ich keine Ahnung, wer, wie viele und ob sich überhaupt jemand melden würde.

Ich fragte mich die ganze Zeit, ob Melissa meinen Brief schon gekriegt hatte, und so auch jetzt.
Würde sie mir zurückschreiben? Ich hoffte es, aber wenn ich ehrlich war, dann sank die Wahrscheinlichkeit, dass sie es tat, mit jeder Minute. Aber eigentlich sollte ich überhaupt nicht darüber nachdenken. Schließlich hatte sie den Brief vielleicht noch gar nicht bekommen -bei der Post weiß man heutzutage ja nie- und ich machte mir unnötig Gedanken.

Ich seufzte genervt, weil meine Gedanken den Prozess des Einschlafens störten.
Ich drehte mich zur Seite und schloss die Augen.

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Hallo :)
Danke fürs Lesen.
Ich hab einen Ohrwurm von dem Song, deswegen dürft ihr jetzt gerne auch einen kriegen.

Tut mir leid, dass das Kapitel ziemlich kurz ist und auch nicht sonderlich spannend, aber ich wollte heute noch updaten, weil ich nicht sicher bin, wann das nächste Kapitel kommt (morgen fängt bei mir wieder Schule an, blablabla ...).

Ich weiß nicht, ob man es schon merkt, aber die Geschichte neigt sich langsam dem Ende zu (keine Sorge, es wird ein Happy End geben :D) und es wird nur noch ein paar Kapitel geben. Mein Vorsatz für den Rest dieses Jahres ist, dieses Buch fertig zu schreiben. Ich gehe von ungefähr fünf Kapiteln aus.

Und vielen Dank für 1,71K reads!! :Dx

I hate you, I love you (Shawn Mendes FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt