36.
Das Hauptquartier der Prinzessin war, wie das Betreten einer Häckerhöhle. Bildschirme standen herum, und Kabel in allen Farben schlängelten sich um- und ineinander, während weiße Mehrsteckdosen wie Inseln im Meer des Kabeldschungels herausragten. Zara ließ Alainn in der Tür stehen, während sie sich an ihr vorbei drängte und sich dann in einen, der Schreibtischstühle fallen ließ. Sie legte ihre Füße neben eine Tastatur auf den Tisch, lehnte sich in die bewegliche Lehne und musterte Alainn, die sich noch immer erstaunt umsah. Dann schloss sie die Tür und kam auf Zara zu.
„Was ist das hier alles?"
„Meine Ausrüstung!", sagte Zara kurz angebunden. Ihre Sturmaugen beobachteten jede Bewegung der Rothaarigen. „Okay, Alainn..", sagte sie. Die Prinzessin ließ sich Zeit beim Sprechen. Sie schien genau zu überlegen, wie und was sie ihr sagen wollte. „Es ist so, Alainn: Wir hatten einen... holprigen Start!"
„Holprig?", Alainn hob die Augenbrauen. „Du hast mich auspeitschen lassen. Von meiner Mutter. Und danach..", Zara hob die Hand und brachte Alainn zum Schweigen. Alainn besah sich die Hand und fragte sich, warum sie sich davon hatte unterbrechen lassen. Wieso war Zara der Meinung etwas Besseres zu sein? Sie sah sich um. Sie hatte Befehle satt. Was war sie für die? Ein Hund? Ein Prügelknabe, den man so lange einer Gehirnwäsche unterzog bis sie tat, was man von ihr verlangte?
„Ich musste dich testen!"
„Testen wofür?", Zara neigte ihren Kopf und musterte sie ausführlich. Noch immer ließ die Blondine das Mädchen nicht eine Sekunde aus den Augen.
„Du weißt, sehr wenig über deine Art. Du kennst die Basics. Aber die politische Situation ist momentan sehr angespannt. Meine Mutter ist grausam. Das, was du bei mir abgezogen hast, hätte meine Mutter mit dem Tod bestraft!"
„Es macht dich nicht zu einer besseren Person, wenn jemand anderes grausamer ist, als du. Untätigkeit gegenüber Ungerechtigkeit macht dich nur zu einem Feigling." Alainn setzte sich auf einen Stuhl Zara gegenüber. Ihr war nicht genau klar, warum sie hier war und was die Prinzessin von ihr wollte. „Du hast Recht. Was ich aber eigentlich sagen wollte, ist, das es mir leid tut!"
„Leid tut?", Alainn runzelte die Stirn. Misstrauisch beäugte sie das Mädchen vor ihr.
„Ja!", Zara nickte, „Ich bin schon viel zu lange mit Gewalt in Kontakt gekommen, dass ich wohl vergessen habe, dass es auch anders sein kann...",
„Was soll das Zara? Willst du jetzt mit mir ein paar Cosmopolitans kippen, während wir uns die Haare flechten und Ryan Gosling anschmachten?", Alainn schnaubte und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück.
„Ich verstehe, dass ich mir dein Vertrauen erarbeiten muss. Ich hoffe, dass du mein heutiges Verhalten, als ersten Schritt in die richtige Richtung anerkennst!", Alainn musterte Zara. In diesem Moment wünschte sie sich Kiran herbei. Er hätte gewusst, ob sie log.
„Es ist unsere heilige Pflicht die Wesen zu beschützen, das du mir geholfen hast, war deine Pflicht", Alainn presste die Lippen aufeinander und versuchte den Zorn zurück zuhalten. Sie hasste Politik. All die Intrigen und Heuchelei, sie konnte damit weder etwas anfangen, noch mochte sie die Lügerei.
„Wir haben heute beide die Kontrolle verloren!", sagte Zara, „Ich möchte dir helfen, deinen Freunden alles zu erklären und naja, das Geschehene zu rechtfertigen!"
„Es gibt keine Rechtfetigung für das, was wir getan haben. Wir haben sie abgeschlachtet. Fertig!"
„Lass mir dir helfen!"
„Warum?"
„Ich will dein Vertrauen erlangen!"
„WIESO?".
Zara seufzte: „Boudicca ist seit 7 Jahren frei. Man hätte nur die richtigen Leute schicken müssen, um sie zurückzuholen. Boudicca ist mächtig, aber nicht unbesiegbar. Also warum, hat meine Mutter nichts dagegen unternommen? Warum hat sie zu gelassen, dass sie weiterhin frei herumläuft und Wesen für ihre Zwecke rekrutiert?"
„Du willst mir sagen, dass du deine Mutter, die Königin, verdächtigst mit Boudicca gemeinsame Sache zu machen?" Alainn runzelte die Stirn und versuchte in den Schattierungen der grauen Iris die Wahrheit zu lesen.
„Seit Jahren werden die Rufe nach Demokratie oder wenigstens einer repräsentativen Monarchie immer lauter. Die Aufstände wurden brutal zerschlagen, aber die königliche Armee hat auch ihre Verluste und die Königstreue lässt nach. Wenn die Tore geöffnet werden und unmengen Wesen aus den Welten hier her strömen, gäbe es genügend Nachschub, um jeden Andersdenkenden zu töten. Meine Mutter müsste nicht einmal gemeinsame Sache mit Boudicca machen. Sie muss sie einfach nur machen lassen, das reicht!"
„Andersdenkenden?", Alainn runzelte die Stirn und hasste Politik noch mehr. Zara nickte: „Ich habe keine Beweise. Aber wenn ich richtig liege, brauche ich jemand, der versucht Boudicca aufzuhalten." Die Mädchens sahen sich an. Maßen sich mit Blicken.
„Ich wurde mein gesamtes Leben belogen.", sagte Alainn und beugte sich in ihrem Sessel vor.
„Ich werde keine Marionette sein, Prinzessin. Ich werde dir nicht einfach vertrauen. Aber wir haben schon mal das gleiche Ziel!"
„Ich habe verstanden, dass ich mir dein Vertrauen und Respekt verdienen muss. Ich will nur eine Chance!"
„Du bekommst deine Chance!", Alainn stand auf und ging zur Tür, „Morgen treffen wir uns in der Schule. Du wirst die Jungen einweisen. In alles.", Alainn sah, wie Zara kurz zusammen zuckte, als sie ihren Befehlston hörte. Sie hatte ihre Finger schon, um die Klinge gelegt, da stand Zara auf.
„Eines noch, Alainn!", sie drehte sich um, „Was ist mit dem Jungen?"
„Welchen?"
„Dessen Leben ich gerettet habe?"
„Was soll mit ihm sein?"
„Du...", Zara wirkte fast verlegen, „Du kennst doch die Regeln, oder?" Auf Alainns Gesicht bildete sich ein finsteres Lächeln: „Ich kenne meine Pflicht. Und meine Aufgabe. Besser, als du denkst!"
„Wir müssen uns alle an bestimmte Regeln halten. Auch wenn du mir oder meiner Mutter keine Treue schwörst. Die Regeln gelten für alle Korrigans. Die Regeln sind Gesetz. Das verstehst du doch?"
„Besser, als du denkst!"
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Officium #Wattys2016
HorrorAlainn, das Mädchen mit dem Feuerhaar, wünscht sich eigentlich nichts sehnlicher, als ihre heilige Pflicht als Hüterin der Fabelwesen zu erfüllen. Als ihre Mutter auf die glorreiche Idee kommt, sie in die winzige Stadt Wolfsbach zu verschleppen, koc...