Mortem*aktualisiert

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34.

Alainn starrte auf das Gesicht. Genau wie die gesamte Klasse. Kiran war überrascht gewesen, als er sie gesehen hatte. Vor dem Klassenzimmer und wie immer in ein Buch vertieft. Bevor er sie ansprechen konnte, hatte die Lehrerin den Saal aufgeschlossen. Schreie wurden laut und die junge Lehrerin war aus dem Klassenraum gestürmt. Mit ihren grünen Augen tastete Alainn das verkohlte Etwas ab, versuchte Gesichtzüge, indem verschmolzenen Gesicht zu erkennen. Aber alles, was sie sah, war der schwarz verbrannte Körper, der wie ein schlecht gemachtes Pappmaschee von der Decke baumelte.

„Geist, Wasser und jetzt Feuer...", wisperte Alainn vor sich hin und machte einige Schritte auf die Leiche zu. Überreste von Seilen zierten die Hand- und Fußgelenke.

„Sie wurde diesmal anders getötet!", sagte Alainn zu den Jungen: „hoffentlich war sie nicht am Leben, als sie verbrannte. Ob man sie vorher ausbluten lassen hat? Glaubt ihr man hat ihr Herz entnommen? Ich kann jedenfalls nichts sehen." Sie drehte und wendete den Kopf, zuckte dann mit den Schultern.

„Wir müssen wohl die Autopsie abwarten..". Die Jungen sahen sie an. Besorgt. Verwirrt.

„Alainn..", begann Chris sanft, „ ähm sollen wir nicht lieber über gestern reden?", Alainn wand ihren Augen von der Leiche. Es war eine unendlich langsame, kontrollierte Bewegung, die sie ausführte, als wolle sie die Jungen nicht anschauen, „Ihr seid noch hier. Also nehme ich an, das ich bleibt?"

„Wo sollten wir auch hin?", fragte Lincoln sie und besah sich immer wieder das grün leuchtende Veilchen und die Platzwunde. „Egal. Jeder Ort ist besser, als dieser!"

„Wie stellst du dir das vor?", die Jungen sahen sie fragend an.

„Ihr habt euch entschieden. Es gibt nichts mehr zu diesem Thema zu sagen. Ihr kennt meinen Standpunkt."

„Alainn, das ist Wahnsinn!", das Mädchen lächelte und in ihren Augen glitzerte es gefährlich. Sie wirkte fast apathisch, aber ihre Augen waren klar. Klar und scharf, dass es schwierig war für die Jungen ihren geistigen Zustand einzuordnen.

„Ist es nicht lustig wie nah Genie und Wahnsinn beieinander liegen? Und wie oft sie sich vermischen?", sie grinste. Fotoapparate klickten, als die Spurensuche anfing den Tatort zu untersuchen. Sie wurden nach draußen geschoben von einem bulligen Mann. Zusammen mit den sensationslüsternen Jugendlichen ,die gespannt ihre Fotodateien durchklickten und sich ihre geschossenen Fotos ansahen. Der Flur war voller Menschen, greinender Mädchen und vor Schock erstarrte Gesichter, die in Gruppen beieinanderstanden.

„Alainn, wo warst du letzte Woche?", Kiran sah sie an, riss sie aus ihren Gedanken und zog sie mit sich.

„Familienangelegenheit. Wir hatten viel nachzuholen!",

„Seit wann holt man sich bei Familientreffen ein Veilchen plus eine Platzwunde?", Lincoln sah sie samt der Anderen fragend an. Reflexartig schoss Alainns Hand zu der Blutkruste. Betaste die raue Oberfläche.

„Meine Familie ist anders!"

„Haben wir gemerkt. Dennoch ist das keine Erklärung für die Verletzung! Oder dein gestriges Verhalten!", Alainn biss auf ihrer Lippe herum. Sie wollten Antworten und konnte sie es nicht verstehen? Sie war doch selbst auf der Suche nach ihnen gewesen? Nichts hatte sie aufhalten können. Und jetzt? Ihr Rücken schmerzte und sie hatte das Gefühl jede blutverkrustete aufgeschürfte Wunde zu spüren. Bei jeder Bewegung brannte und ziepte es. Wieder richtete sie ihren Blick auf die Jungen, nestelte an ihrer Lippe herum und überlegte. War sie es ihnen schuldig? Schluss mit den Geheimnissen. Schlussendlich würden sie eh alles erfahren. Spätestens wenn Zara auf die Idee kam, alle Wesen der Stadt zu informieren, oder herum zu schnüffeln. Oder wenn die Königin die Wiedereingliederung der Wesen und dieser Stadt einforderte und sie sich alle registrieren mussten. Alainn sah sie an. Schaute ihnen in die Augen. Die Zeit der Unschuld war vorbei, aber sollte es wirklich sie sein, die den Endstein legte?

Officium #Wattys2016Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt