Wie nicht anders zu erwarten, blieb es der einzige Pünktliche Morgen, vermutlich für den Rest meines Schullebens. Am nächsten Tag verschlief ich (mal wieder) und hastete aus der Wohnung, ohne dabei an einen Regenschirm zu denken, obwohl meine Schwester mich noch extra daran erinnert hatte, dass sie heute später nach Hause kam und Regen gemeldet war.
Ich kam trocken bei der Schule an, doch der Himmel war so düster, dass es aussah als würde die Welt untergehen. Natürlich hatte ich die dumme Hoffnung ich würde auch trocken nach Hause kommen, doch gegen Mittag fing es an wie aus Eimern zu schütten und es sah nicht aus, als würde es sich im Laufe des Tages wieder beruhigen.
Nach dem Unterricht blieb ich unschlüssig vor der Tür stehen. Meine Kapuzenjacke würde den Regen nicht abhalten, aber dennoch zog ich die Kapuze über und trat hinaus in den Regen. Der Himmel war bedeckt von grauen, unheimlich aussehenden Wolken und es war düster. An sich mochte ich das Geräusch des Regens, wenn ich zu Hause war und er gegen das Fenster prasselte, aber nicht wenn ich ohne Regenschirm draußen in der beißenden Kälte stand, wenn der Wind an meiner nassen Kleidung zerrte und mich frösteln ließ.
Schnell rannte ich zur Bushaltestelle und stieg in den Bus, hastete nach dem Aussteigen zu unserem Hauseingang und ging durch die Hintertür, welche sich zur Zeit zum Glück nicht ganz schließen ließ und daher immer offen war.
Im Treppenhaus war es zugig und ich kramte in meiner Hosentasche nach unserem Wohnungsschlüssel, nur um fest zustellen, dass ich ihn heute morgen in meiner Eile wahrscheinlich vergessen hatte. Wunderbar, ich hatte meinen Schlüssel schon seit ich elf war nicht mehr zu Hause liegen lassen und ausgerechnet heute, wo ich vollkommen durchnässt vor der Wohnungstür stand und meine Schwester nicht vor dem Abendessen zurück sein würde, musste ich ihn natürlich vergessen. War das etwa Karma?
Frustriert seufzend ließ ich mich auf die Treppenstufe nieder und zog meine triefende Jacke aus, wobei mein T-Shirt ebenfalls komplett durchnässt war und der Wind der durch das Treppenhaus pfiff alles nur schlimmer machte, weswegen ich mir die triefende Jacke wieder umlegte. Gab es irgendetwas, das mich warm halten könnte? Ich kannte keinen der Nachbarn und außerdem würde ich es mir sowieso nicht zu trauen zu klingeln. Also griff ich nach meinem Handy und versuchte meine Schwester zu erreichen, die selbst nach mehrmaligem Klingeln nicht ran ging.
Ich hasste Regentage.
»Hey, Regenjunge.« Ich zuckte erschrocken zusammen, als die Stimme urplötzlich hinter mir ertönte und ich sah mich um. Der blinde Nachbar von gegenüber stand in der Tür, er trug eine Sonnenbrille, schaute aber dennoch in meine Richtung. Ich hatte nicht einmal bemerkt wie er die Tür geöffnet hatte, weil ich so sehr in Gedanken vertieft war.
»Möchtest du mit zu mir reinkommen? Ich weiß ja nicht, wie lange du noch hier sitzen willst, aber ich glaube nicht das es sonderlich gut ist vollkommen durchnässt im Treppenhaus zu sitzen... Du hast mir letztens sehr geholfen, daher biete ich dir an bei mir im warmen Wohnzimmer zu warten und einen Kaffee mit mir zu trinken.« Obwohl er nichts sehen konnte war es mir, als würde er mich direkt Anstarren, so wie er den Kopf in meine Richtung drehte und es wirkte, als würde er mich richtig anschauen. Irgendetwas in seinem Blick war unangenehm, als würde er in das innerste meiner Seele schauen können und das ließ mich etwas frösteln. Ich hatte zwar immer gelernt niemals zu Fremden zu gehen - man wusste ja nie, was für Verbrecher über all herum liefen - aber ich spürte das von ihm keinerlei Gefahr ausging. Obwohl er nicht lächelte und seine Stimme eher gelangweilt klang hatte ich das Gefühl, dass er einfach nur freundlich sein wollte und es eine Geste war um sich für gestern zu bedanken.
»Ich trinke keinen Kaffee«, war meine super intelligente Antwort, ich stand aber dennoch auf um das Angebot des Nachbarns anzunehmen.
»Gut, ich nämlich auch nicht.« Er drehte sich um und verschwand in der Wohnung, während ich ihm folgte und die Tür hinter mir zu zog. Interessiert schaute ich mich um. Im Flur stand ein kleines Schuhregal, an der Wand lehnte sein Blindenstock und an der Wand war ein kleiner Schlüsselkasten. Über den Haken war in Blindenschrift etwas geschrieben, vermutlich damit er wusste wo welcher Schlüssel hing.
»Die nassen Sachen kannst du über die Heizung hängen, ich habe sie voll aufgedreht. Auch wenn ich nichts sehen kann, wäre es mir lieber du ziehst ein T-Shirt und eine Jogginghose von mir an, ich will ungern meinen minderjährigen Nachbarn halbnackt in meiner Wohnung sitzen haben.« Ich nickte und zog meine Schuhe aus und er reichte mir ein paar seiner Sachen. Schnell verschwand ich im Bad und zog mich um, ich war überrascht das er einen Spiegel hatte, wenn er doch nichts sehen konnte. Aber vermutlich war der eher für Gäste gedacht.
Ich ging ins Wohnzimmer und hängte meine nassen Sachen über die Heizung, dann sah ich mich auch hier noch einmal um.
Auch der Rest der Wohnung war schlicht eingerichtet, schwarze Möbel, die alle ganz normal herum standen. Er hatte auch einen Fernseher und ein Regal mit Hörbüchern, DVDs, CDs und anderen Sachen.
Es überraschte mich, wie unglaublich sicher er sich durch die Wohnung bewegte, während ich es tatsächlich schaffte mich am Tischbein zustoßen. Wer war hier noch mal blind?
Er kam aus der Küche und reichte mir eine Tasse warmen, dampfenden Kakao.
»Das wird dich aufwärmen, Regenjunge.« Er ließ sich auf einen der Stühle am Tisch fallen und ich setzte mich ihn gegenüber.
»Mein Name ist nicht Regenjunge. Ich bin Cy.«
»Ich heiße Nathanael. Wage es nicht mich je anders zu nennen oder mir einen Spitznamen zu geben – ich bin stärker als ich aussehe.« Ich entgegnete nichts darauf, sondern schloss meine Hände um die warme Tasse und war dankbar dafür, dass ich nicht mehr im Treppenhaus sitzen musste. Ich wusste nicht worüber ich mit ihm reden sollte – also schwieg ich. Minutenlang herrschte Stille, ehe Nathanael mir irgendeine Frage stellte, es war keine der billigen "Was machst du gerne? Was willst du nach der Schule mal werden?" Fragen, sondern einfach etwas anderes, alltägliches und doch klang es nicht als hätte er die Frage nur gestellt weil ihm nichts bessers einfiel. Damit hatte er aber genau einen Nerv von mir getroffen und ich schaffte es, ein wenig mit ihm zu reden, bis meine Schwester nach Hause kam und ich wieder rüber ging. Er brachte mich noch bis zur Tür und wieder war es mir, als würde er mit seinen Augen direkt in meine Seele schauen können.
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The day we meet (BoyxBoy/Yaoi)
Teen FictionCyrian ein normaler 17 Jähriger, gelangweilt vom Leben und ein Denker, kein Abenteurer, was so ziemlich kaum einer in seinem Alter verstehen kann. Er steht beinahe allem in seinem Leben Gleichgültig gegenüber, es gibt nur wenige Personen die ihm N...