»Den Vortrag müsst ihr bis nächste Woche fertig haben.« Die Klasse hörte unserem Lehrer schon gar nicht mehr zu, sondern war damit beschäftigt bereits einzupacken. Seine Worten gingen im allgemeinen Gemurmel und Geraschel unter und alle stürmten zur Tür hinaus, froh das jetzt endlich Wochenende war.
Ich machte mich auf den Weg zur Bushaltestelle, erleichtert, dass ich jetzt zwei Tage lang meine Ruhe hatte. Mir war das Wochenende heilig und es war die einzige Zeit der Woche, wo ich das Gefühl hatte Zeit für all das zu haben, zu dem ich Nachmittags nach der Schule keine Lust mehr hatte.
Mein Magen knurrte und ich stürzte mich zu Hause regelrecht auf den Kühlschrank, nahm mir jede Menge und schlang es hinunter. Essen war für mich eines der guten Dinge im Leben.
Seufzend ging ich in mein Zimmer, wo ich mich genau eine Minute lang an den Vortrag setzte, ehe ich lustlos alles zur Seite schob und beschloss lieber etwas nach draußen zu gehen. Es war recht schönes Wetter, nicht zu warm, nicht zu kalt und ein angenehm kühler Wind draußen.
Gerade hatte ich die Wohnungstür geöffnet, als Nathanael vor mir stand, die Hand in der Nähe unserer Klingel, als würde er gerade zögern sie zu drücken. Er zuckte zusammen.
»Cy?«, fragte er vorsichtig und ich nickte, ehe mir einfiel dass er mich ja nicht sehen konnte.
»Ja? Brauchen Sie Hilfe?« Er wirkte als würde es ihn jede Menge Überwindung kosten das zu sagen, was ihm auf der Zunge lag. Einen Moment stand er auch einfach nur da und schien innerlich mit sich zu ringen, ehe er seufzte.
»Mein Bruder kann heute nicht vorbei kommen, aber ich muss dringend einkaufen. Ich weiß das kommt jetzt plötzlich, aber könntest du mit mir gehen? Ich kenne den Weg noch nicht und außerdem weiß ich auch nicht wo etwas steht...« Es war ihm sichtlich unangenehm zu fragen, als wäre es schlimm für ihn auf meine Hilfe angewiesen zu sein. Wahrscheinlich hatte er auch Minutenlang vor meiner Tür gestanden und überlegt ob er klingeln sollte oder nicht.
»Sicher, dass ist absolut kein Problem.«
»Ich hoffe es passt dir auch, immerhin wolltest du anscheinend gerade gehen...«
»Ich habe nichts vor, ich wollte nur etwas draußen umher laufen.« Er schloss die Tür hinter sich und hielt mir seinen Arm entgegen. Einen Moment zögerte ich, ehe ich ihn wieder leicht berührte und ihn dann nach unten führte. Obwohl ich Berührungen nicht mochte, empfand ich es nicht als schlimm seinen Arm anzufassen und ihn in die Richtungen zu lenken. Keine einzige Sekunde kam mir in den Sinn, dass es auf andere vielleicht etwas seltsam wirkte, dass ich mit einem erwachsenen Mann so herum lief, es fühlte sich vollkommen richtig an.
»Es wird bald regnen«, sagte er dann und ich warf einen Blick in den Himmel, wo tatsächlich gerade ein paar graue Wolken aufzogen.
»Du hast recht, es sieht sehr düster aus. Woher...?«
»Es ist die Luft«, sagte er, als würde es die Erklärung dafür sein und ich fragte nicht nach. Vorsichtig führte ich ihn die Straßen entlang bis zum Eingang des Supermarktes, nahm einen der Einkaufswagen, denn ich mit einer Hand steuerte, während ich mit der anderen immer noch Nathanael festhielt.
»Was brauchst du alles?«, fragte ich und bemerkte aus den Augenwinkeln, wie zwei Mädchen kichernd zu uns herüber sahen. Wahrscheinlich dachten sie wir wären irgendein schwules Pärchen, doch ich ignorierte sie einfach und wandte meine Aufmerksamkeit voll Nathanael zu. Er schien es ebenfalls bemerkt zu haben, doch er kümmerte sich nicht darum sondern kramte einfach sein Handy aus der Hosentasche und reichte es mir.
»Es ist die oberste Sprachmemo.« Er hatte keinen Code auf dem Handy, also wischte ich einfach einmal über den Bildschirm, öffnete dann die Spracheingabe und klickte die erste Memo an. Nathanaels schöne und klare Stimme ertönte und ich versuchte mir all das zu merken, was er gerade gesagt hatte.
Gemeinsam gingen wir durch den Supermarkt, während Nathanael sich am Wagen (und bei mir) hielt, ohne sich auch nur einen Schritt davon weg zu bewegen. Nebenbei sagte ich ihm, was ich gerade in den Wagen legte, falls ich doch etwas vergessen sollte er oder ihm noch etwas einfiel.
»Gehst du sonst auch immer mit einkaufen?«, fragte ich und er zögerte kurz.
»Manchmal. Es kommt drauf an, was ich brauche und wie viel. Wenn es Kleinigkeiten sind, bringt Kai sie oft mit bevor er mich besuchen kommt, sind es aber größere Einkäufe wie jetzt, dann gehe ich meistens mit um beim Tragen zu helfen.«
»Dein Bruder kommt oft vorbei, oder?«
»Wir stehen uns sehr nahe, ja. Ihm hat es auch nicht gefallen dass ich in eine eigene Wohnung gezogen bin. Wenn es nach ihm ginge, würde er mit mir zusammen ziehen, aber ich brauche meinen Freiraum.« Ich verstand seinen Wunsch, allein zu sein. Es musste nervig sein, wenn man immer auf die Hilfe anderer angewiesen war, selbst so etwas alltägliches wie Einkäufe erledigen nur mit der Hilfe eines anderen tun konnte.
»Wir haben die Milch vergessen«, sagte er dann, kurz bevor wir bei der Kasse angekommen waren.
»Ich gehe sie noch schnell holen«, meinte ich und war losgelaufen, bevor er etwas sagen konnte. Ich beeilte mich zu dem Regal zu kommen, nahm zwei Packen heraus und ging dann zum Wagen zurück, wo Nathanael stand, den Griff des Wagens so fest umklammernd, dass seine Knöchel weiß hervortraten. Als er meine Stimme hörte entspannte er sich sofort wieder und mir war klar, dass es sich seltsam anfühlen musste alleine irgendwo stehen gelassen zu werden.
Wir schoben den Wagen zur Kasse, er bezahlte mit Karte, dann gingen wir nach draußen. Er nahm mir gleich einen der Beutel ab und hielt mir wieder seine Hand hin, die ich zögernd ergriff.
Zu Hause angekommen half ich ihm noch dabei die Einkäufe in den Kühlschrank zu räumen. Es überraschte mich wie unglaublich geordnet dieser war, alles hatte seinen Platz und war gestapelt.
»Bitte achte darauf die Sachen dort hin zu packen, wo die anderen stehen. Ich mag es nicht wenn die Ordnung durcheinander gebracht wird, dann finde ich mich nicht mehr zurecht.« Ich nickte und tat alles an seinen Platz dann verabschiedete ich mich.
»Wenn du magst, kannst du morgen gerne zum Kakao trinken vorbei kommen, als Dank für die Hilfe«, sagte er noch und ich gab ihm meine Zustimmung, ehe ich nach Hause ging.
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The day we meet (BoyxBoy/Yaoi)
Teen FictionCyrian ein normaler 17 Jähriger, gelangweilt vom Leben und ein Denker, kein Abenteurer, was so ziemlich kaum einer in seinem Alter verstehen kann. Er steht beinahe allem in seinem Leben Gleichgültig gegenüber, es gibt nur wenige Personen die ihm N...