14.Kapitel [x]

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Ich hatte den letzten Satz beendet und klappte das Buch zu. Wie immer häufiger in den letzten Tagen, saß ich in Nathanaels Sessel, während er es sich auf dem Sofa bequem gemacht hatte und mir dabei zuhörte, wie ich ihm etwas vorlas. Es schien ihm zu gefallen, denn er wirkte in diesen Momenten viel entspannter als sonst.

»Dann kannst du mir ja bald mehr vorlesen«, meinte Nathanael und setzte sich auf, streckte sich.

»Gerne«, antwortete ich und seine Mundwinkel zuckten, ehe er in der Küche verschwand und wenig später mit zwei Tassen Kakao wieder kam.

»Stört es dich nicht? Du bist immerhin jeden zweiten Tag oder sogar noch häufiger hier. Ich möchte ungern deine ganze Freizeit beanspruchen.«

»Du weißt doch, du bist so ziemlich der Einzige Freund den ich habe und die erste Person mit der ich gerne meine Zeit verbringe. Manchmal habe ich eher das Gefühl mich aufzudrängen.«

»Nein überhaupt nicht. Ich...« Ich würde nie erfahren, was Nathanael sagen wollte, da wir in diesem Moment einen Schlüssel im Türschloss hörten. Es war sicher sein Bruder, dem ich überraschenderweise noch nie begegnet war obwohl ich ständig hier war. Nathanael seufzte, anscheinend wollte er diese Begegnung lieber vermeiden, aber dazu war es zu spät.

»Nat?«

»Wohnzimmer«, antwortete er und wenige Sekunden später betrat sein Bruder den Raum, in Lederjacke und einen Motorradhelm unter dem Arm geklemmt.

»Ich hoffe ich komme nicht ungelegen?«, fragte er mit einem Blick zu mir, dann reichte er mir die Hand.

»Kai.«

»Cy, freut mich«, murmelte ich und sofort begann Kai zu grinsen.

»Jetzt erkenne ich dich, du bist der Nachbarsjunge. Nat redet ständig von dir... Vielen Dank dass du ihm eine Hilfe bist. Er ruft mich immer seltener an und braucht mich kaum noch. Ich weiß er ist manchmal etwas unfreundlich, aber eigentlich ein netter Kerl und...«

»Was willst du überhaupt hier? Du sagst doch sonst immer wenn du vorbei kommst«, unterbrach Nathanael ihn genervt und Kai verdrehte die Augen.

»Dich besuchen und zum Essen einladen.«

Ich trank in einem Zug den Kakao aus und stand dann auf.

»Ich glaube es ist besser wenn ich gehe, meine Schwester ist bestimmt schon da.« Hauptsache ich entkam endlich dieser seltsamen Situation.

»Sehen wir uns morgen?«, fragte Nathanael.

»Nein, ich gehe morgen zu einem Schulfreund. Aber übermorgen, dann bringe ich ein neues Buch mit.«

»Gut.« Schnell verschwand ich aus der Tür heraus und atmete aus.

Vielleicht war ich in letzter Zeit wirklich zu oft bei Nathanael... aber ich suchte seine Nähe, auch wenn ich mich mit Luca in letzter Zeit super verstand, ich freute mich immer darauf, wenn Nathanael anrief und fragte ob ich vorbei kommen konnte.

Seufzend ließ ich mich auf mein Bett fallen und starrte die Konzertkarten an, die er mir zum Geburtstag geschenkt hatte. Es war in zwei Monaten und ich hatte die ganzen letzten Wochen überlegt Nathanael zu fragen ob er mit mir dahin gehen würde. Aber ich war mir nicht sicher ob er die Band überhaupt mochte und ob es ihm nicht auch zu viel war. Ich traute mich einfach nicht. Außerdem hatte ich auch schon überlegt Luca zu fragen, da dieser die Band auch mochte und wir uns letztens erst darüber unterhalten hatten... Seufzend schloss ich die Augen und döste vor mich hin.

~~~

»Es ist niemand zu Hause. Ich habe auch nur Tiefkühlpizza hier, wenn dir das reicht.«

»Natürlich, kein Problem.«

»Gut.« Ich zog am Eingang meine Schuhe aus und folgte Luca in die riesige, ordentliche Küche. Er wohnte in einem der besseren Stadtviertel und in einer Doppelhaushälfte.

»Was magst du trinken?«

»Egal, ich trinke alles.« Er goss uns beiden ein Glas Cola ein, dann schob er zwei Tiefkühlpizzen in den Ofen und ging in sein Zimmer. Als ich es betrat staunte ich.

Er hatte viel mehr Bücher als ich, an einer Wand standen vier Regale voll und er begann schon zu Stapeln weil ihm der Platz ausging. Hier könnte ich Tage verbringen!

»Tut mir leid, mein Regal ist etwas unordentlich. Mir geht langsam der Platz aus.«

»Ich finde es super. Darf ich sie mir ansehen?«, fragte ich und er nickte.

»Sicher, lass dir ruhig Zeit.«

Glücklich ging ich zu dem Regal hinüber, wo ich jedes Buch genau betrachtete. Einige Reihen besaß ich selbst, andere hatte ich mir selbst aus einer Bibliothek ausgeliehen und gelesen. Die wenigen die ich nicht kannte schaute ich mir genauer an. Es fühlte sich an als wäre ich im Himmel.

»Wenn du möchtest kannst du ein paar davon ausleihen.« Ich zuckte zusammen, als Luca plötzlich neben mir stand und mich anlächelte.

»Sehr gerne wenn ich darf. Du hast so viele interessante Bücher...«

»Ich weiß dass du sie gut behandeln wirst, also nimm so viele mit wie du magst.«

»Danke.«

Wenige Minuten später saßen wir Pizza essend auf seinem Bett und schauten eine Serie. Ich hatte mir direkt einen Stapel Bücher genommen und konnte es kaum erwarten zu Nathanael zu gehen und ihm davon zu erzählen oder ihm etwas vorzulesen. Ob er heute doch kurz Zeit hatte? Aber ich war in letzter Zeit wirklich zu oft bei ihm und ich wollte ihn nicht nerven. Trotzdem war mir gestern nicht entgangen, dass er ein wenig enttäuscht darüber zu sein schien, dass ich heute nicht hatte vorbei kommen können. Oder ich hatte es mir eingebildet...

Gegen Abend verabschiedete ich mich von Luca und wir machten etwas für das Wochenende aus, mit guter Laune ging ich also nach Hause. Sofort nahm ich mein Handy in die Hand und wählte Nathanaels Nummer. Jetzt war ein guter Zeitpunkt ihn zu fragen ob er mit mir auf das Konzert gehen wollte.

»Hey Nathanael«, sagte ich und er gab ein leises Grummeln von sich.

»Ja?«

»Du erinnerst dich doch an die Konzertkarten die du mir geschenkt hast... Willst du mit mir hingehen? Ich würde echt gerne mit dir dahin.« Einen Moment war Schweigen am anderen Ende, dann seufzte er.

»Ich überlege es mir. Kommst du morgen vorbei?«

»Klar. Ist alles okay? Du wirkst etwas abgespannt.«

»Ja sicher. Bis morgen.« Schon hatte er aufgelegt und ich starrte einen Moment lang mein Handy an. Er war irgendwie seltsam gewesen...

The day we meet (BoyxBoy/Yaoi)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt