NATHANAEL
»Weißt du Kai, seit du diese Freundin hast bist du ganz schön oft beschäftigt. Stell sie mir doch einmal vor«, sagte ich gerade, hielt mit einer Hand mein Handy ans Ohr und versuchte mit der anderen Saft in ein Glas zu gießen, was keine gute Idee war, da ich am Plätschern hörte dass ich es verfehlt hatte.
»Ich habe keine...«
»Du brauchst es nicht abzustreiten. Du musst mich nicht belügen. Ich rieche in letzter Zeit oft dasselbe Frauenparfüm an dir und du hast an den Wochenenden nur noch wenig Zeit und bleibst nie lange. Ich bin zwar blind, aber definitiv nicht dumm.« Ich fand ein Wischtuch, mit welchem ich den Saft beseitigte in der Hoffnung alles aufgewischt zu haben. Manchmal war es echt nervig blind zu sein.
Mein Bruder seufzte, dann gab er sich geschlagen.
»Okay, ich stelle sie dir bald vor. Aber im Moment bin ich mir noch nicht sicher, wie ernst es ist...« Ich hörte Unsicherheit aus seiner Stimme heraus, was bei ihm eine Seltenheit war. Normalerweise war er sich den Dingen die er tat immer zu 100% sicher.
»Kommst du denn heute ohne mich klar?«, fragte er.
»Klar, ich kann Cy fragen ob er mir hilft«, sagte ich und biss mir im nächsten Moment auf die Lippe. Ich hatte Kai noch nichts von Cyrian erzählt.
»Wer ist Cy?«, fragte er auch sofort verwundert und ich zögerte einen Moment ehe ich seufzte. Ehrlich gesagt wusste ich nicht einmal, warum ich nicht wollte, dass mein Bruder von ihm wusste. Es war ja nicht so, dass es etwas zu verheimlichen gäbe – er war der Nachbarsjunge und bot mir ab und zu seine Hilfe an.
»Der Nachbarsjunge«, antwortete ich und startete einen neuen Versuch Saft in mein Glas zu füllen, was mir diesmal gelang. Ein leises Piepen ertönte und ich wusste dass es voll war.*
( *Ich hatte letztens ein Seminar wo Sehbehinderte uns erzählt haben, wie sie sich im Alltag zurechtfinden. Es gibt ein Gerät (dessen Name mir grad entfallen ist, aber man kann es sicher googlen), welches man sich an den Rand von Bechern oder so macht, und was dann piept, wenn die Flüssigkeit rankommt, damit man die nicht zu voll macht.)»Er ist süß und knuffig, wirkt aber wie so ein Stubenhocker«, meinte er und ich wusste nicht welche Tatsache mich am meisten störte: Dass ich glaubte mich verhört zu haben, oder dass mein Bruder ihn süß und knuffig fand.
»Hast du gerade gesagt dass du ihn süß und knuffig findest?«
»Ja, seine zerzausten Haare als er verschlafen vor mir stand und sein Gesicht, lassen ihn unschuldig wirken. Wie der kleine Bruder, den man beschützen will.«
»Du bist seltsam Kai, weißt du das? Jedenfalls gehe ich jetzt rüber und frag ihn ob er mir helfen kann. Wir hören uns.« Damit legte ich hastig auf, trank das Glas in einem Zug leer und bereitete mich innerlich darauf vor zu klingeln.
Es war immer noch unangenehm nach Hilfe zu fragen, aber jetzt wo Cyrian mir ohnehin schon ein paar Mal geholfen hatte, merkte ich dass mein Stolz es langsam akzeptierte mir von ihm helfen zu lassen.
Trotzdem hatte ich die Befürchtung seine Schwester würde an die Tür kommen und ich müsste ihr erklären, warum ich mit ihrem Bruder reden wollte. Bisher hatte ich immer Glück gehabt, aber wie lange würde es wohl anhalten?
Anscheinend nicht lang, denn als ich diesmal klingelte und die Tür geöffnet wurde, merkte ich sofort dass es seine Schwester war die vor mir stand.
»Ja?«, fragte sie. Ihre Stimme hatte einen angenehmen klang, nicht so angenehm wie die von Cyrian, aber wenigstens so, dass man ihr zuhören konnte ohne schreiend aus dem Zimmer laufen zu wollen.
»Ist Cyrian da?«, fragte ich vorsichtig und spürte, wie sie mich sehr genau ansah.
»Nein, er ist die Ferien über bei unseren Eltern. Warum?« Ich holte tief Luft, dann seufzte ich.
»Er hilft mir manchmal, wenn mein Bruder keine Zeit hat, daher dachte ich, ich frage mal. Aber wenn er nicht da ist, dann ist das kein Problem«, antwortete ich. Was sollte ich jetzt machen? Kai hatte keine Zeit und Cyrian war nicht da ... und allein zu gehen war vollkommen ausgeschlossen.
»Ich könnte Ihnen auch helfen, wenn Sie wollen.« Ich zögerte.Eigentlich wollte ich ihre Hilfe nicht wirklich und um ehrlich zu sein würde ich Cyrians Gesellschaft mehr schätzen.
»Nein, bis morgen halte ich es auch aus nicht einkaufen zu gehen.« Ich drehte mich um und wollte gerade wieder in meine Wohnung gehen, als sie noch etwas sagte.
»Wollen Sie vielleicht etwas von uns essen? Ich habe vorhin etwas mehr gekocht und wenn Sie wollen können Sie etwas davon abhaben. Das ist kein Problem wirklich – ich würde es sowieso morgen essen oder wegwerfen, mir würde es sogar helfen.« Ich zögerte, doch schließlich nickte ich.
»Das wäre sehr nett, danke.«
»Kommen Sie kurz rein, ich gebe Ihnen etwas mit.«
»Okay...« Vorsichtig ging ich in die Wohnung und folgte ihrer Stimme in Richtung der Küche, wobei ich mich an einem Schrank stieß. Ich hasst es mich in fremden Wohnungen zu befinden.
»Es freut mich, dass Cyrian Ihnen eine Hilfe ist. Er ist ein lieber Junge, aber er hat keine Freunde und geht immer nur allein weg, daher ist es schön zu hören dass er auch Kontakt mit anderen Menschen hat«, sagte sie fröhlich, während sie mit Geschirr klapperte. Es schien sie gar nicht zu stören, dass ich ein gutes Stück älter war als ihr Bruder, sie schien ehrlich erfreut zu sein, wahrscheinlich weil sie sich Sorgen um ihn machte.
»Sie machen sich Sorgen um Ihren Bruder, oder? Aber er war mir schon ein paar Mal eine Hilfe und ich mag seine Gesellschaft.«
»Das freut mich. Bitte sehr, ich hoffe Sie mögen Nudeln?«
»Natürlich. Vielen Dank«, sagte ich und sie gab mir einen Behälter.
»Cyrian wird nächste Woche Freitag wieder hier sein«, sagte sie mir noch, ehe sie mich zur Tür begleitete, mir einen schönen Tag wünschte und ich wieder in meine Wohnung verschwand. Das war einer der seltsamen Situationen gewesen, die man immer am liebsten vermeiden wollte und bei denen man aufatmete, wenn sie endlich vorbei waren.
Ich hätte Cyrian nach seiner Nummer fragen sollen, dann könnte ich ihn einfach anrufen und solche Situationen wie diese vermeiden.
(Noch nicht bearbeitet)
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The day we meet (BoyxBoy/Yaoi)
Teen FictionCyrian ein normaler 17 Jähriger, gelangweilt vom Leben und ein Denker, kein Abenteurer, was so ziemlich kaum einer in seinem Alter verstehen kann. Er steht beinahe allem in seinem Leben Gleichgültig gegenüber, es gibt nur wenige Personen die ihm N...