-Pooltime-

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Am nächsten Morgen wachte ich in meinem eigenen Zimmer auf. Die Sonne schien durch das Fenster und tauchte alles in orangerotes Licht. Ich schloss erneut die Augen und genoss diesen Moment. Dann klopfte es allerdings an der Tür und ich setzte mich ruckartig auf. Wer war das so früh am Morgen? Ein Blick auf meinen Wecker sagte mir, dass es bereits zehn Uhr war. Okay, also doch nicht so früh.
"Herein!", rief ich also.
Jessica öffnete die Tür. Meine Tante war bereits vollkommen gestylt und angezogen. "Oh. Ich hoffe ich hab dich nicht geweckt. Maddie wollte mit dir zum Pool. Willst du mitgehen?"
"Klar!", erwiderte ich ohne zu überlegen. "Bin in fünf Minuten startklar."
"Gut." Jessica drehte sich um und schloss die Tür.
Ich stöhnte kurz darauf. Okay, ich schätzte mal, es war doch keine gute Idee fünf Minuten zu sagen. Das würde ich nämlich mit ziemlicher Sicherheit eh nicht schaffen.

Eine Viertelstunde später saß ich mit Maddie am Pool. Wir hatten die zwei letzten freien Liegen ergattert, was mit Sicherheit auch mit Madisons Charme zu tun hatte. Schließlich hatten wir mit einem älteren Ehepaar konkurriert, die ebenfalls auf diese Liegen wollten. Na ja, dann hatte meine Cousine den Poolboy süß angegrinst und an ihrer blonden Haarsträhne gedreht und wir hatten unsere Plätze sicher.
Ich drehte mein Gesicht in die Sonne. Es waren etwa 35° und obwohl wir unter einem Sonnenschirm lagen, war es brütend heiß. Der Poolboy kam plötzlich um die Ecke und sagte: "Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?" Er sagte es mehr zu Maddie, kein Wunder in ihrem strahlend blauen Bikini sah sie einfach umwerfend aus. Im Gegensatz zu mir - ich trug meinen alten schwarzen Bikini, den ich schon seit Ewigkeiten besaß und der meine helle Haut ziemlich unvorteilhaft betonte. Ein Wunder, dass Madison es mir überhaupt erlaubte, neben ihr zu liegen. Immerhin könnte das Einfluss auf ihren Ruf haben... Ich verdrehte innerlich die Augen. Maddie und ich waren wie Pech und Schwefel, wie Pfeffer und Salz, wie... Ach, keine Ahnung. Auf jeden Fall waren wir total verschieden. Sie war reich, selbstbewusst und süß. Und ich war schüchtern und unscheinbar. Wahrscheinlich saß sie eh nur ihrer Mutter zuliebe hier und verbrachte Zeit mit mir.
"Ein stilles Wasser, bitte.", orderte sie.
"Und was für dich?" Ich zog erstaunt die Augenbrauen hoch. Ich dachte, er würde mich gar nicht erst fragen, weil er nur Augen für meine Cousine hatte. "Das gleiche, bitte.", sagte ich, obwohl mir stilles Wasser normalerweise gar nicht schmeckte, aber ich wollte nicht zu wählerisch sein oder auffallen. Wahrscheinlich bestellten alle reichen Mädchen immer ein stilles Wasser.
"Kommt sofort."
"Wie gefällt dir unser Urlaub bis jetzt?", fragte Maddie mich und strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn. Bei ihr sah es irgendwie elegant aus...
"Ähm, gut", log ich. In Wirklichkeit fand ich ihn schrecklich. Das war einfach nicht ich, mich hier am Pool zu sonnen, und so zu tun, als wäre es mein Alltag. All die reichen Leute hier verhielten sich zurückhaltend und vornehm. Zwischen ihnen fühlte ich mich völlig deplatziert. Hätte ich nur früher gewusst, dass ich erstens das fünfte Rad am Wagen bei den West's war und dass ich zweitens hier total fehl am Platz war, wäre ich nie mitgeflogen. Nie.
Maddie nickte. "Wir fliegen jede Ferien weg. Wo wart ihr in dem letzten Ferien?"
War das ihr Ernst? "Ich war Zuhause."
"Warum denn? Gefällt es dir nicht in dem Urlaub zu fahren?" Sie sah mich fragend an. Ich traute meinen Ohren nicht. War ihr denn nicht klar, dass ich aus ganz anderen Verhältnissen stammte? Hatten ihre Eltern ihr nicht gesagt, das dies mein erster Flug und Urlaub nach zwölf Jahren war? Meine Mutter hatte nun mal nicht das Geld immer weg zu fahren, außerdem musste sie sich um den Laden kümmern. "Ich...", mir war es peinlich zu sagen, dass wir nicht das Geld hatten. Aber was sollte ich sonst sagen? Sie anlügen? Ich log sonst eigentlich nie... "Wir müssen uns immer um den Buchladen kümmern. Da kann man nicht einfach so wegfahren." Gut, Jacky!, lobte ich mich selbst in Gedanken. Das entsprach der Wahrheit und somit konnte ich mich herauswinden, zu sagen wir hätten nun mal nicht so viel Geld.
"Ach so." Madison blickte sehnsüchtig auf den Pool.
"Würdest du gerne schwimmen?", fragte ich sie und ärgerte mich gleich darauf. Damit trat ich ihr irgendwie zu nahe.
"Ja, aber Mom sagt immer, dass meine Haare nach dem Schwimmen fettig aussehen. Darum soll ich es lassen."
Ich schüttelte unmerklich den Kopf. Fettig aussehen? Das war doch krank! Jessica ging es wirklich um jeden Preis um ihren, Maddies und den Ruf der West's. Hier kannte sie doch keiner!Außerdem war es doch normal, nasse Haare zu haben, oder nicht?

Zum Mittagessen gingen wir in das eigene Restaurant des Hotels. Die West's und ich nahmen an einem eigentlich für vier Personen viel zu großen Tisch Platz.
Der Kellner brachte die Speisekarten. "Guten Abend, sehr geehrte Herrschaften. Was darf ich Ihnen bringen? Oder wollen Sie erst einen Moment überlegen? Ich kann Ihnen auch sehr das Tagesmenü empfehlen. Es ist heute ein sechs Gänge Menü mit einem Aperitif und einem frischen hausgemachten..."
Als Mr. West ihn scharf ansah, ging der Kellner sofort.
"Daddie!", rief Madison. "Sei doch nicht immer so hart zu den Kellnern."
"Was?", fragte er. "Wenn er uns so zutextet! Er wird nicht durch Reden bezahlt, sondern durch Essen bringen."
Jessica legte ihm eine Hand auf den Arm und wechselte das Thema. "Hast du dir schon was ausgesucht, Schatz?"
Ich tat so, als würde ich angestrengt die Karte studieren, von der ich nichts verstand. Diese ganzen Kochfachbegriffe... In Wahrheit aber, versuchte ich das zu verdauen was mein Onkel eben sagte. So würde meine Mom niemals mit einem Kellner sprechen. Ich meine, Buchhändlerinnen und Kellner sind vom Einkommen her eher in der unteren Schicht, daher würde Mom wahrscheinlich locker mit ihm plaudern. Sich wie Mr. West gleich über den Kellner und seine Arbeitsstelle aufzuregen, war echt heftig. Ich beschloss Mom heute Abend anzurufen. Ich hatte ihr einiges zu erzählen...

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